Wohin während der Berlin Art Week? Diese Ausstellung solltet ihr nicht verpassen
15. September 2022 • Text von Anna Meinecke
Um Berlin Art Week Tipps kommt ihr nicht rum. Jetzt also auch unsere Prioritäten-Liste. Unbedingt anschauen sollt ihr euch Ausstellungen bei Office Impart, im Schinkel Pavillon, im Hamburger Bahnhof, bei Société, im Haus am Lützowplatz, bei SOX, im Kühlhaus, im Tieranatomischen Theater, in der Schering Stiftung und bei Klemm’s.
Anna Ehrenstein bei Office Impart
Das Internet wurde von Eliten übernommen und die Enttäuschung darüber ist groß. Jedenfalls bei Anna Ehrenstein. Aus diesem Gefühl heraus entstand ihre erste Einzelausstellung “The Balkanization of the Cloud” bei Office Impart. Ehrenstein untersucht die Zirkulation vernetzter Bilder, die historische Entwicklung soziopolitischer digitaler Phänomene, die Alltäglichkeit totalitärer Technik, den Balkan als Störung der EU-Europa-Idee sowie utopische Fantasien von hypnotisierender Big Data.
WANN: Die Ausstellung “The Balkanization of the Cloud” von Anna Ehrenstein eröffnet am Donnerstag, den 15. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 22. Oktober.
WO: Office Impart, Waldenserstraße 2-4, 10551 Berlin.
Anna Uddenberg im Schinkel Pavillon
Muskulöse Männerbabies in Crocs und Windeln liegen Probe auf den Skulpturen von Anna Uddenberg. Die in der Gesäßregion pausbackige Performance begleitet den Besuch von “Fake-Estate”. Für ihre erste institutionelle Einzelausstellung hat Uddenberg den Schinkel Pavillon mit futuristischem Mobiliar ausgestattet. Ihre Skulpturen sind jedenfalls in der Theorie benutzbar und sie benutzen zurück, denn ihrer Funktionslogik folgt die objektgesteuerte Körperkontrolle. Wem gehören Körper, Geist und Daten? Die Autonomie des Selbst steht sichtbar infrage.
WANN: Die Ausstellung “Fake-Estate” von Anna Uddenberg läuft bis zum 31. Dezember.
WO: Schinkel Pavillon, Oberwallstraße 32, 10117 Berlin.
cameron clayborn im Hamburger Bahnhof
Was genau ist es und woraus ist es gemacht? cameron clayborn arbeitet mit Papier, Gipsdeckenfarbe oder Dämmmaterial aus recycelter Kleidung. Seine hausgemachten Heimgewächse hängen in der Ausstellung “nothing left to be” im Hamburger Bahnhof wie Kokons von der Decke. Sie erinnern an Baumrinde, gleichzeitig an spritzendes Wasser und sind in ihrer Beschaffenheit erst einmal gar nicht so leicht zu erfassen. Aber wir haben ja Zeit.
WANN: Die Ausstellung “nothing left to be” von cameron clayborn läuft bis zum 22. Januar 2023.
WO: Hamburger Bahnhof, Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin.
Marianna Simnett bei Société
Die Oger-Frau lockt, fängt und verschlingt. Als sonderlich zugewandte Zeitgenossin gilt sie wahrlich nicht. Die Frau, das Monster. Marianna Simnett deutet ihren Hunger als radikale Kraft. Ihre Ausstellong “Ogress” bei Société verknüpft persönliche und mythologische Welten mit Video-, Ton-, Aquarell- und skulpturalen Arbeiten. Die Flöte der Athene, ein Hirschskelett, Abgüsse vertrauter Gesichter, die es noch zu enthüllen gilt. Simnett widmet sich dem Versprechen von Furcht und Verlangen.
WANN: Die Ausstellung „Ogress“ von Marianna Simnett eröffnet am 16. September. Sie läuft bis zum 22. Oktober.
WO: Société, Wielandstraße 26, 10707 Berlin.
“Soylent Green” im Haus am Lützowplatz
1973 zeigt “Soylent Green” die Zukunft. Im Film ist die Welt 2022 überbevölkert, die Umwelt bedroht. Und nun ja, als haltlos hat sich die Prognose nicht gerade bewiesen. Die Ökodystopie von Richard Fleischer ist Referenzgröße der Gruppenausstellung “ÜberLeben – Fragen an die Zukunft” im Haus am Lützowplatz. Perspektiven des Fortbestands von Leben auf der Erde loten hier unter anderem Louisa Clement, Bjørn Melhus, Katja Novitskova und Michael E. Smith aus.
WANN: Die Ausstellung “ÜberLeben – Fragen an die Zukunft” läuft bis zum 8. Januar 2023.
WO: Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin.
Tobias König bei SOX
Ein Hampelmann entspannt im Fall. Eine Vitrine ist seine Bühne. Vor der Kulisse eines hundgewordenen Blutergusses offenbart sich Tobias Koenigs Inszenierung eines Sturzes erst auf den zweiten Blick als beklemmend. Die Lippen des Holzkerls zum Herz gespitzt, aber eben doch metallverschraubt. Die Ausstellung “Those Irrevocable Words” bei SOX wirkt auf sinnlichste Weise fremdgesteuert.
WANN: Die Ausstellung “Those Irrevocable Words” von Tobias König läuft bis zum 2. November.
WO: SOX, Oranienstraße 175, 10999 Berlin.
Kühlhaus Berlin
Rau, ungeformt, porös und unvollendet präsentiert sich die Ästhetik einer Reflektion über die scheinbar unausweichliche Verkettung der Gegenwartskrisen. Die Ausstellung “Als wäre alles für immer. Von Prozessen und Nichtzugehörigkeiten” tastet nach den Kausalzusammenhängen einer allgemeinen Abwärtsspirale, deren Ursache mal mindestens als ganz unmittelbar vernüpft mit dem Kapitalismus identifiziert ist. Die gezeigten Positionen, etwa von Kris Lemsalu, Philipp Modersohn, Navid Nuur, Jonas Roßmeißl oder Nicholas Warburg, stammen aus Privatsammlungen, von Mitgliedern des Art’Us Collectors’ Collective.
WANN: Die Ausstellung “Als wäre alles für immer. Von Prozessen und Nichtzugehörigkeiten” läuft bis Samstag, den 1. Oktober.
WO: Kühlhaus Berlin, Luckenwalder Straße 3, 10963 Berlin.
Rachel Rossin im Tieranatomischen Theater
Willkommen im Mixed-Reality-Theater. Rachel Rossin lotet mithilfe von Installation, Skulptur, Augmented und Virtual Reality die Grenzen von Körper und Geist aus. Im Rahmen des Digitalprogramms der KW Institute for Contemporary Art verschmelzen in ihrer Ausstellung “The Maw of” im Tieranatomischen Theater Elemente aus Computerspielen, Apps, Mangas und Dokumentarfilmen zu einer Fantasie, die sich in die Realität lehnt, ohne sich ganz in ihr verorten zu lassen.
WANN: Die Ausstellung “The Maw of” von Rachel Rossin läuft bis Sonntag, den 18. September.
WO: Tieranatomisches Theater, Philippstraße 13, Campus Nord, Haus 3, 10115 Berlin.
Jenna Sutela in der Schering Stiftung
Synthetische Brustmilch sprudelt, Milchpumpen pumpen, Milch speist Maschinen – das Thema der Ausstellung “Stellar Nursey” wird recht schnell deutlich, oder? Jenna Sutela bespielt den Ausstellungsraum der Schering Stiftung mit futuristisch anmutenden Experimenten rund um den originär körpereigen produzierten Supersaft. Poetisch präzise und wissenschaftlich fundiert verführt Sutela zu einem Nachdenken über das Ineinandergreifen menschlicher und mehr-als-menschlicher Lebensformen.
WANN: Die Ausstellung “Stellar Nursery” von Jenna Sutela läuft bis zum 27. November.
WO: Schering Stiftung, Unter den Linden 32-34, 10117 Berlin.
Leelee Chan bei Klemm’s
Archäologin, Lumpensammlerin, Antiquarin – Leelee Chan hat viele Berufe, wobei sie in jeder Funktion natürlich zuallervorderst Künstlerin ist. In ihrer Ausstellung “Antinomies” bei Klemm’s geben sich Plastikpaletten als traditionelle Elemente chinesischer Architektur. Chan lässt das banale Massenprodukt einzigartig und hochwertig erscheinen. Ihr Nachdenken über die Welt manifestiert sich in einer Komposition von Objekten, die ein erfürchtiges Betrachten geradezu herausfordern.
WANN: Die Ausstellung “Antinomies” von Leelee Chan eröffnet am Freitag, den 16. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 29. Oktober.
WO: Klemm’s, Prinzessinnenstraße 29, 10969 Berlin.
Das gesamte Programm der Berlin Art Week findet ihr online.
Außerdem empfehlen wir Ausstellungen während der Berlin Art Week, die nicht offiziell Teil des Programms sind.