Kurz an den Tod denken Gruppenausstellung in der Galerie Parterre
26. Februar 2024 • Text von Julia Meyer-Brehm
„Do you guys ever think about dying?“, fragt Barbie in Greta Gerwigs Spielfilm und bringt damit ein bisschen Realität in die vermeintlich perfekte Traumwelt. In der gleichnamigen Ausstellung in der Galerie Parterre zeigen Antonia Freisburger, Frank Jimin Hopp und Felix Kultau Arbeiten, die sich mit Sehnsüchten, Zwischenstadien und unser aller Endlichkeit beschäftigen.
In dem Moment, in dem Barbie ihre Gefährtinnen nach deren Gedanken zum Tod fragt, scheint die pinke Traumwelt kurz stillzustehen. Greta Gerwigs Protagonistin offenbart, dass auch im utopischen Barbie-Land nicht immer alles eitel Sonnenschein ist. Die Galerie Parterre hat die unbehagliche Frage nach dem Sterben kurzerhand als Ausstellungstitel übernommen. Dennoch haben Björn Brolewski und Laila-Marie Busse keinesfalls eine Ausstellung kuratiert, die sich allein um den Tod dreht. Vielmehr beleuchten Antonia Freisburger, Frank Jimin Hopp und Felix Kultau anhand von Malerei, Zeichnung, Keramik und Installation diverse Zwischenstadien und Ambivalenzen, die im Alltag immer mal wieder auftauchen und oft ein diffuses Unwohlsein oder eine unerklärliche Sehnsucht auslösen.
Deutlich wird das zum Beispiel anhand der gestapelten Proteinpulvercontainer von Felix Kultau. Sie sind mit Leuchtkörpern ausgestattet und erinnern an minimalistische Designobjekte. Jeglicher Aufdruck wurde entfernt. Hohl und etwas fahl leuchten die traurigen Säulen, deren Material einst Sinnbild für den Wunsch nach dem idealen Körper war. Unmissverständlich hat Kultau die Behälter nun zu Kommentaren auf exzessive Konsumgesellschaft, Leistungsdruck und den Wunsch nach innerer und äußerer Perfektion aufgetürmt.
Es sind nicht die einzigen Arbeiten des Künstlers, in denen Nostalgie mitschwingt. Ausrangierte Stahlspindtüren katapultieren die Betrachter*innen zurück in ihre Schulzeit und mitten in die Plots der Highschool-Filme, die sie in dieser Zeit gesehen haben. Unfreiwillig wird man an den Ort zurückversetzt, an dem nichtige Dinge unheimlich wichtig erschienen und die Menschen um einen herum alles waren, was man von der Welt kannte. Spätestens durch die Rahmung der Türen wird klar, dass es sich hierbei um Kunstwerke handelt. Dennoch stehen mit ihnen plötzlich viele Erinnerungen im Raum: die Sehnsucht nach Jugend und vielleicht auch dem dazugehörigen Schwarm. Nach Apfelschorle und dem ersten Kuss. Und die Erinnerung an die fiktive Pubertät, die einem auf dem Bildschirm vorgelebt wurde. Ist das nicht eigentlich erst ein paar Jahre her? Plötzlich fühlt man sich sehr an die eigene Vergänglichkeit erinnert.
Weitaus abstrakter sind Antonia Freisburgers großformatige Gemälde. Die Formen, die darauf zu sehen sind, scheinen zu wabern, zu fließen oder zumindest nicht gänzlich stillzustehen. Was dort genau abgebildet ist, wird nicht aufgeklärt. Die ambivalenten Gebilde in attraktiven Farben erinnern mal an Körperliches und mal an Objekthaftes. Auch die eigentlichen Dimensionen der Darstellungen bleiben ein Geheimnis. Diese Ungreifbarkeit ist faszinierend. Und auch die farblichen Harmonien der Gemälde und ebenfalls ausgestellten, deutlich kleineren Zeichnungen ziehen die Blicke auf sich. Versucht man allerdings, das Gemalte mit dem Smartphone festzuhalten, sind auf dem Display plötzlich ganz andere Farben zu sehen als in der Realität. Diese Sehnsucht bleibt unerfüllt.
Auch die Werke von Frank Jimin Hopp sind ein farblicher Augenschmaus. Der Künstler hat unter anderem eine fünfstöckige Torte aus Keramik gefertigt, die schon von Weitem ins Auge sticht. Auf den ersten Blick wirken seine Arbeiten fröhlich und unbeschwert. Oft erkennt man Idole der eigenen Kindheit, etwa Pluto, den Kater Tom, Sailor Moon und andere Cartoon- und Anime-Figuren.
Sowohl seine Skulpturen als auch seine Zeichnungen und Malereien beinhalten jedoch stets einen Moment, in dem die gute Laune kippt: Krachend bricht die Realität herein und offenbart ein Chaos aus Kapitalismus, Klimawandel und Groteske. Auf der vermeintlich vergnüglichen Torte lodern die Flammen, Rauchschwaden und Totenköpfe machen dem Spaß ein Ende. Glückliche Kindheitserinnerungen weichen Desillusion und Panik. „Do you ever think about dying?“ – ja, jetzt auf jeden Fall.
Die Ausstellung in der Galerie Parterre lockt mit bunten Farben und schmeichlerischen Formen, ohne jedoch die Wirklichkeit zu verklären. Sie stellt keine Barbie-Traumwelt nach, sondern zeigt ein Stück Realität, in der mehrere Dinge parallel existieren können. Anziehung und Skepsis zum Beispiel oder Lebensfreude und der Gedanke an den Tod. Das Zusammenspiel der drei künstlerischen Positionen schafft es, die Besucher*innen kurz dem Alltag zu entheben und sie wie in einem kindlichen Spiel gefangen zu nehmen. Nach diesem fantasievollen Exkurs bleibt eine große Sehnsucht nach Vergangenem und dem, was möglich sein könnte. Und mit der eigenen Endlichkeit vor Augen lässt sich der gegenwärtige Moment doch gleich doppelt genießen, oder?
WANN: Die Ausstellung „Do you guys ever think about dying?” ist noch bis 17. März zu sehen.
WO: Galerie Parterre, Danziger Straße 101 / Haus 103, 10405 Berlin.