Parallele Virtualitäten Virtual Reality in der zeitgenössischen Kunst
6. September 2022 • Text von Quirin Brunnmeier
Einnehmend und vergänglich. Spekulative Zukunftsvisionen und hybride Räume. Virtual Reality ist in der aktuellen Kunst tief verwurzelt und hat sich als eigenständige Technik und als visuelles Genre fest etabliert. Die Arbeiten illustrieren die Vielseitigkeit und Bandbreite von virtueller Realität in der zeitgenössischen Kunst.
Dass Kunst, die sich Techniken der virtuellen Realität bedient, keineswegs ein kurzlebiger Hype war, der durch die Pandemie nur angefeuert wurde, haben mittlerweile alle verstanden. Virtual und Augmented Reality sind Teil der digitalen Kunst und werden als eigenständige Ausdrucksmittel und Genre von unterschiedlichen Künstler*innen genutzt. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig. Dabei entstehen ästhetische Vermischungen, neue Ebenen und hybride Erfahrungsräume.
Dass VR-Kunst nun auch wirkliche Wertschätzung erfährt, beweist der VR Kunstpreis der DKB in Kooperation mit CAA Berlin. Bereits zum zweiten Mal wird dieses Jahr der Kunstpreis für Virtual Reality im Bereich der bildenden Kunst ausgeschrieben. Unter dem Thema „virtuelle Utopien“ sollen Künstler*innen unterstützt werden, die mittels Virtual Reality und raumgreifenden Installationen Visionen für gesellschaftlichen Wandel entwerfen. Der Open Call läuft bis zum 15. November.
Der VR Kunstpreis umfasst fünf Arbeitsstipendien, die in eine institutionelle Ausstellung im Herbst 2023 im Haus am Lützowplatz Berlin münden. Auch für die zweite Ausgabe wird die Ausstellung von der künstlerischen Leiterin Tina Sauerländer kuratiert. Drei der fünf gezeigtn Projekte werden mit Förderpreisen dotiert. Bis es so weit ist, machen die folgenden VR-Ausstellungen schon Lust auf digitale Kunst in virtuellen Welten.
Die digitalen Welten vom Tamiko Thiel scheinen nur auf der Oberfläche verspielte, fantastische Landschaften zu sein. Sie basieren jedoch auf einer kritischen Auseinandersetzung mit historischen und politischen Ereignissen oder kritischen ökologischen Entwicklungen. In ihrer retrospektiven Einzelausstellung “Diverse Realities” im Kunstverein Wolfsburg versammelt die Künstlerin nun Werke aus allen Jahrzehnten ihrer künstlerischen Laufbahn, von ihrer ersten Videoarbeit 1991 bis hin zu ihren jüngsten Augmented-Reality-Arbeiten. Aspekte der Interaktion oder Partizipation sind dabei zentrale Elemente, um auch mittels digitaler Technologien den weiblichen Körper neu zu interpretieren oder über grundlegende Prozesse der menschlichen Existenz zu reflektieren.
WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 6. November zu sehen.
WO: Kunstverein Wolfsburg e.V., Schlossstrasse 8, 38448 Wolfsburg.
Verschiebungen und Wiederholungen verweben sich zwischen realen und virtuellen Elementen – skulpturale und architektonische Aspekte tauchen immer wieder auf, werden physisch und digital gerendert und neu kombiniert. In der Turbinenhalle und dem Maschinenraum des E-Werk Luckenwalde zeigen Lindsay Seers und Keith Sargent unter dem Titel “Cold Light“ eine neue installative Virtual-Reality-Arbeit. Die Ausstellung wurde durch die Recherchen der Künstler*innen über das Leben und Werk von Nikola Tesla geprägt, wobei der Titel auf historische Bezüge zu den ersten elektrischen Lampen zurückgreift. Die neuen elektrischen Glühbirnen, die nicht mehr auf Feuer zur Beleuchtung angewiesen waren, wurden als “Kaltes Licht” bezeichnet.
WANN: Die Ausstellung ist ab Samstag, den 17. September zu sehen und läuft bis zum 11. Dezember.
WO: E-WERK Luckenwalde, Rudolf-Breitscheid- Strasse 73, 14943 Luckenwalde.
Wie kann man dem Klimawandel mit kollaborativen, digitalen Projekten begegnen? Eine subjektive Antwort kommt in Form des Projekts “XR art exhibition: Seed Systems”. Sechs internationale Künstler*innen, die sich auf die Gestaltung virtueller Welten und Pflanzenwissen spezialisiert haben, erforschen spekulative Ansätze für zukünftige Mensch-Natur-Beziehungen, indem sie neue digitale Medienkunst einsetzen, um einen immersiven Garten des Wachstums zu kultivieren. “Seed Systems” überschreitet Grenzen und bewegt sich zwischen unterschiedlichen Realitäten. Die Ausstellung bringt Perspektiven von anderen Orten nach Berlin und ermöglicht einen Austausch zwischen den Ausstellungsbesucher*innen und den Künstler*innen, die auf die aktuelle Klimakrise reagieren und sich gemeinsam eine mögliche Zukunft vorstellen. Zu sehen sind Arbeiten von Matthew D. Gantt, Lauren Moffatt, Alison Bennett, Nicholas Delap, Mohsen Hazrati, Nadine Kolodziey, Peggy Schoenegge und Miriam Arbus.
WANN: Die Ausstellung wird am Freitag, den 9. September, eröffnet und läuft bis Freitag, den 30. September.
WO: SOMA 300, Eylauer Strasse 9, 10965 Berlin und online via STYLY.
Vielleicht schon etwas älter, aber eine ausgezeichnete Referenz: Das Projekt “First Look: Artists’ VR” vom New Museum. Die virtuelle Ausstellung lotet die Möglichkeiten der experimentellen, mobilen virtuellen Realität aus. Die sechs Arbeiten von Jacolby Satterwhite, Rachel Rossin und weiteren Künstler*innen reichen von fantastischen Welten bis hin zu sozialen Kommentaren, man kann einen fantastischen industriellen Nachtclub erkunden und in alternative Welten voller Avatare eintauchen, die sowohl technisch als auch magisch sind.
WO: Die Ausstellung ist mit einer kostenlosen mobilen VR-App für iOS und Android erfahrbar.
In freundlicher Zusammenarbeit mit dem VR Kunstpreis.