DOUBLE TAP #21
Cem A. aka @freeze_magazine

18. August 2021 • Text von

Wojak steht in der Ecke und fühlt sich nicht so richtig verstanden. Er ist der Feels Guy und „They Don’t Know“. So jedenfalls heißt das Meme, das euch online mit Sicherheit schon begegnet ist. Cem A. aka @freeze_magazine hat es für seine Ausstellung in der Weserhalle auseinandergenommen. Wir sprechen über die Macht von Memes in der Kunstwelt und Themen, auf die Freeze-Fans besonders anspringen.

Mehrere Screens in einem White Cube zeigen Fragmente eines "They-Don't Know"-Memes.
Cem A. aka @freeze_magazine: “The Party”, Installationsansicht, Weserhalle, 2021. Courtesy of Cem A. aka @freeze_magazine.

Mit deinem Instagram-Account @freeze_magazine gehst du mit humorvollen Memes auf kritische Distanz zur Kunstwelt. Hast du dich damit nicht ironischerweise erst so richtig zu einem Teil davon gemacht?
Ja, das hat auf jeden Fall eine gewisse Ironie. Ich kenne das Avant-Garde-Narrativ, wonach das Establishment von außen kritisiert wird, nur damit man dann doch in den Inner Circle gebeten wird. Das im Hinterkopf interessiere ich mich aber vor allem dafür, Projekte unabhängig vom westlichen Kunstkanon zu realisieren.

Wie würdest du deinen Platz in der Kunstwelt den beschreiben?
Ich bin zwar ziemlich aktiv auf Instagram, gleichzeitig bin ich jetzt die vergangenen eineinhalb Jahre physisch isoliert von der Kunstwelt gewesen. Meine Ausstellung “The Party” in der Weserhalle zeigt, was wirklich passiert ist, seit es @freeze_magazine gibt.

Du erreichst monatlich 800.000 Nuterz*innen. Entwickelt man da ein Gefühl für Macht? Oder hat sich dein Verständnis von Macht in der Kunstwelt vielleicht verändert?
Ich beobachte mit Demut, wie die Menschen auf meine Memes reagieren. Ich komme mir dabei nicht mächtig vor. Was ein Meme ausmacht, ist, wie es sich verbreitet. Wer es kreiert hat, ist nicht so wichtig. Die größte Freude bereitet es mir, mit anderen zusammenzuarbeiten und die Plattform teilen zu können, die der Accounts bietet. Im vergangenen Jahr war ich Teil einiger toller Kollaborationen wie zum Beispiel Curated Playlists, Freeze Dating und The Meme. Und auch einzelne Memes sind kollaborativ entstanden.

Links: Ein Screen in einem White Cube zeigen ein Fragment eines "They-Don't Know"-Memes. Rechts: Der Kopf von Feels Guy Wojak.
Cem A. aka @freeze_magazine: “The Party”, Detailansicht, Weserhalle, 2021. Courtesy of Cem A. aka @freeze_magazine. // Cem A. möchte anonym bleiben. Das Künstlerporträt ersetzt daher Feels Guy Wojak.

Wir kennen es alle, manchmal haut der Algorithmus rein oder der Content funktioniert aus anderen Gründen einfach nicht. Wie geht es dir damit, wenn Posts mal nicht so gut performen wie gewohnt?
Ich poste täglich, das hat Vor- und Nachteile. Einerseits wirkt sich das natürlich negativ auf die Motivation aus, wenn Dinge nicht laufen wie geplant. Andererseits – und das ist wichtiger – habe ich die Möglichkeit, meine Arbeit jeden Tag zu präsentieren und Feedback dafür zu bekommen. Dieser Prozess ist für mich viel angenehmer, als lange an einem großen Projekt zu arbeiten.

Was macht überhaupt ein gutes Meme aus?
Meiner Ansicht bestimmt den „Erfolg“ eines Memes die Kommentarspalte. Ich bin jedes Mal total begeistert von der Tiefgründigkeit der Konversationen, die da stattfinden. Am meisten motiviert es mich, Memes zu kreieren, die sowohl online als auch offline neue Gespräche anregen.

Gibt es bestimmte Themen, die bei deinen Follower*innen besonders gut ankommen?
Das hängt davon ab. Obwohl ich jetzt schon eine ganze Weile lang Memes mache, überrascht es mich noch immer, wie die Leute darauf reagieren und was passiert, sobald ich etwas poste. Wenn Institutionen oder Personen zur Rechenschaft gezogen werden oder wenn ich Diskriminierung thematisiere, erzeugt das besonders starke Resonanz. Das heißt aber nicht, dass alberne Memes nicht genauso gut ankommen. Wir müssen eben alle auch mal ein bisschen lachen.

Screenshots des Instagram-Accounts @freeze_magazine, sowie einige Memes.
Courtesy of Cem A. aka @freeze_magazine.

Einerseits hast du mit @freeze_magazine als Meme-Creator quasi Kultstatus bei Kunst-Afficionados erlangt, andererseits bist zu selbst Künstler. Wie verhält sich das zueinander?
Ich würde nicht so weit gehen und behaupten, dass ich Kultstatus erlangt habe, aber es ehrt mich, dass du das sagst. Ehrlicherweise war ich ein Meme-Künstler, bevor ich ein Künstler geworden bin. Das Künstler-Sein ist also etwas, dass ich Tag für Tag lerne. Die Ausstellung jetzt ist da ein wichtiger Schritt für mich.

Ich habe auf deiner Patreon-Seite gelesen, dass du ein einzelnes Meme nicht für ein Kunstwerk hältst. Was ist mit dem gesamten Instagram-Kanal @freeze_magazine?
Was an digitaler Kunst so reizvoll ist, ist, dass es schwerfällt, darauf schlicht die Terminologie physischer Kunst anzuwenden. Der Account könnte ein Kunstwerk sein, eine Ausstellung oder sogar eine Performance?

Wenn ich so frech fragen darf: Kannst du von @freeze_magazine allein leben?
Gerade kann ich davon noch nicht leben, aber daran arbeite ich gerade.

Mehrere Screens in einem White Cube zeigen Fragmente eines "They-Don't Know"-Memes.
Cem A. aka @freeze_magazine: “The Party”, Installationsansicht, Weserhalle, 2021. Courtesy of Cem A. aka @freeze_magazine.

Jetzt haben wir deine Solo-Show „The Party“ in der Weserhalle schon mehrfach erwähnt, ohne die eine wichtige Frage zu stellen: Was bedeutet es eigentlich, Memes offline auszustellen?
Das haben wir uns gefragt, seit wir angefangen haben, eine Offline-Ausstellung überhaupt in Erwägung zu ziehen. Es ist einfach, ein Meme auszudrucken oder zu malen und so physisch zu präsentieren, aber das hat sich für mich nicht richtig angefühlt. Wir wollten stattdessen probieren, dass Meme-Template auseinanderzunehmen. Das ist in einem digitalen Setting nicht wirklich möglich. Und dann bietet die Ausstellung natürlich die Möglichkeit, Memes einem neuen Publikum zugänglich zu machen, was mit Meme-Kultur als solcher vielleicht noch nicht so vertraut ist.

Und wer ist zur Party eingeladen?
Alle – das versteht sich von selbst.

WANN: Die Ausstellung “The Party” von Cem A. aka @freeze_magazine läuft noch bis Freitag, den 27. August.
WO: Weserhalle, Weserstr. 56, 12045 Berlin.

Mehr von @freeze_magazine gibt es auf dem allseits bekannten Instagram-Account oder auf der Website.

In unserer Interview-Reihe DOUBLE TAP zeigen wir euch, in welche Instagramer wir uns beim Scrollen im Bett verguckt haben.

#20 Urara Tsuchiya
#19 Hannah Epstein
#18 Qualeasha Wood
#17 Bianca Nemelc
#16 Peter Frederiksen
#15 Maja Djordjevic
#14 Emma Pryde
#13 Rene Wagner
#12 Erin M. Riley
#11 Lydia Blakeley
#10 Jill Senft
#9 Arno Beck
#8 Tim Berresheim
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