Art World Memes
Spurensuche zwischen Zugehörigkeit und Ausgrenzung

1. Juli 2020 • Text von

Wenn das Ökosystem Kunstwelt aufs Korn genommen wird, lacht die ganze Filterblase. Aber wer steckt hinter den Meme-Accounts, die auf Instagram den Kunstbetrieb demaskieren wollen? Und wie viele Klischees passen in ein Hundememe?

Collage verschiedener Memes mit Kunstbezug.

Bildmaterial: Instagram/jerrygogosian/freeze_magazine/thewhitepube/the_art_gorgeous. Collage: Julia Meyer-Brehm.

Ich schaue mir gerne Memes über die Marotten der Kunstwelt an. Damit bin ich nicht allein: Rund 14k Menschen folgen dem Account @freeze_magazine , @the_art_gorgeous hat ganze 30k Follower*innen und der mittlerweile private Account @jerrygogosian zählt 75k Anhänger*innen. Das Prinzip der Art World Memes ist relativ einfach: Durch die Kombination von Text und Bild wird ein Gemeinschaftsgefühl geschaffen und unser humoristischer Coping Mechanism stimuliert. Soweit alles super.

Vor kurzem arbeitete sich Mike Pepi auf Frieze dann an der These ab, Memes würden durch ihre Kritik an großen Institutionen bestehende Klassensysteme von innen heraus aufheben. Schon klar, Art-Memes sind super „woke“ und ziemlich lustig. Aber wie viel der ihnen zugeschriebenen gesellschaftlichen Power verdienen sie wirklich? Vielleicht hilft eine Einordnung der Perspektive, aus der sie erschaffen werden.

Zwei Memes auf dem Instagram-Account @jerrygogosian.

Courtesy of instagram/jerrygogosian.

@jerrygogosian zum Beispiel, ein fetziges Kofferwort aus den Namen des Kunstkritikers Jerry Saltz und dem Kunsthändler Larry Gagosian, bezeichnet sich selbst als „TMZ of the artworld“. Der Account trollt seit 2018 so ziemlich alle Beteiligten des Kunstgeschehens: von der alkoholisierten Galeristin bis zum bipolaren Künstler. Um die Identität der Initiator*innenen rankten sich zahlreiche Mythen, bis   die Kuratorin Hilde Lynn Helphenstein sich schließlich als Urheberin outete. Schnell wurde Kritik laut, sie sei, herrje, von Frieze bezahlt nach New York geflogen. Aber kann ein Meme-Account überhaupt seine Glaubwürdigkeit verspielen?

Zwei Memes auf dem Instagram-Account @freeze_magazine.

Courtesy of instagram/freeze_magazine.

Zumindest namenstechnisch werden die Riesen der Kunstwelt ordentlich aufs Korn genommen, so verballhornt der Account @freeze_magazine das Kunstmagazin Frieze. Auch hier bleibt der oder die Urheber*in anonym und versteckt sich hinter dem Pseudonym RichardSeltzer68. Der Unterton der „homemade art memes for pretentious VIPs“: Je tiefer du in der Kunstwelt verankert bist, desto schlechter geht es dir. Und wenn das nicht so ist, gehörst du dann überhaupt dazu?

Zwei Memes auf dem Instagram-Account @thewhitepube.

Courtesy of instagram/thewhitepube.

Wortspiel Nummer 3: Hinter @thewhitepube stecken Gabrielle de la Puente und Zarina Muhammad und ich muss sagen, ich bin Fan: Wer auf der Suche nach fundierter Institutionskritik ist, findet sie hier. Abgesehen davon, dass die Macherinnen seit 2015 offene Kritik an rassistischer und sexistischer Museumspraxis üben und auf Missstände hinweisen, machen die beiden kein Geheimnis aus ihrer Identität und ihren Jobs neben dem anstrengenden Instagram-Business. Von Vogue ehrenvoll als „Diet Prada der Kunstwelt“ betitelt, ist @thewhitepube der wohl glaubwürdigste Trollaccount in meiner Filterblase.

Zwei Memes auf dem Instagram-Account @the_art_gorgeous.

Courtesy of instagram/the_art_gorgeous.

@the_art_gorgeous wurde 2016 von Cordelia Noe gegründet, die bis dato schon als Art Advisor und Kuratorin gearbeitet hatte. Im Vordergrund stand ursprünglich der Fashion- und Stylegedanke, neben #GirlBoss, Premium-Membership und Community-Events gibt es mittlerweile auch eine Jobbörse für die „Sisterhood“ des Kunstbetriebs. Wer auf süße Tiere gepaart mit Klischeedenken steht, kommt hier auf seine Kosten. Eine Umverteilung bestehender Hierarchien erscheint bei Kollaborationen mit etablierten Galerien oder Selfies mit Jeff Koons aber eher zweifelhaft.

Es stimmt: Wer auch gerade gestresst an einer Deadline nagt und zum Abendessen eine Tüte Chips vertilgt, in dem wecken spitzzüngige Troll-Memes ein Zugehörigkeitsgefühl. Wenn zweifelhafte Kunstmarktprinzipien mit Britney-Clips illustriert werden und ein Hundewelpe in der Badewanne das eigene Seelenleben verbildlicht, wirkt der fiese Galerist schon nicht mehr ganz so bedrohlich. Was von Art-Meme-Accounts bekommen? Eine Menge Gossip, ein bisschen Trost und sehr viel Galgenhumor. Doch ihr Content ist keine Kampfansage an eine snobistische Elite.

Durch Memes wird der Kunstbetrieb weder egalisiert noch proletarisiert. Klischees werden hier lieber bedient als abgebaut: Schlaflose Kuratorinnen, bossy Sammler und eine Menge Probleme. Wenn auch etablierte Galerie-Accounts auf „Like“ klicken, verwässert die Institutionskritik. Und während eine winzige Elite über bestehende Strukturen lacht, versteht der Rest der Welt diese Art von Nischenhumor sowieso nicht.  Insiderwissen kommt nun mal von jahrelanger Erfahrung im Kunstbetrieb, anonym bleiben wollen einige Macher*innen vermutlich gerade WEIL sie noch etwas anderes erreichen wollen als Instagram-Follows. Gut gelacht ist nicht verändert und letztendlich dreht sich das Hamsterrad weiter. Apropos Hamster – kennt ihr schon den mit dem Langstock?

 

 
 
 
 
 
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