Gute Laune #13
Max Sand

9. Mai 2022 • Text von

Zwischen Kartbahn und Kneipe, gern mit Bier. So sieht er aus, der freizeitgeschwängerte Alltag im hessischen Willingen – jedenfalls durch die Linse von Max Sand. Gerade ist seine Ausstellung “Euer Urlaub ist mein Rausch” im Nürnberger Atelier- und Galeriehaus Defet zu sehen. Mit gallerytalk.net spricht der Künstler über die Spice Girls, die Documenta Fifteen und einen kuriosen Besuch beim Arzt

In einer Kneipe steht ein Meter Bier.
Fotografie von Max Sand.

gallerytalk.net: Was hat dich zuletzt amüsiert?
Max Sand: Mich amüsieren kleine, alltägliche, dumme Dinge. Dekorationen, Kritzeleien an Bushaltestellen, Imagefilme von Kleinstädten, notdürftig reparierte Sachen, ein langsam laufender Hund und so viel mehr. Ich war heute beim Arzt und habe mich am Empfangstresen vorgestellt. Kurze Zeit später kam ein Herr mit Trolley, schicker dünner Jacke eines Golfclubs und einer Sherlock Holmes Mütze auf dem Kopf herein, stellte sich neben mich, begrüßte die Arzthelferin und furzte laut. Fünf Minuten später, ich saß gegenüber dem Tresen, kam wieder ein älterer Herr hinein, auch sehr schick gekleidet, aber nichts woran ich mich jetzt erinnere. Stellte sich an den Tresen – und furzte ebenfalls.

Man sieht einen Medien-Ausweis mit dem Bild von Max Sand neben einer Krawatte und einer Bolo Tie an einer Tür hängen.
Portät von Max Sand. Foto: Frank Brand.

Mich amüsiert ja deine Arbeit „immer wieder gern“. Was macht die Auffahrt der Sommerrodelbahn in Willingen zum dokumentationswürdigen Ereignis?
Es gibt dieses Genre der Onride-Videos auf Youtube, also einfach nur Fahrten mit Achterbahnen oder ähnlichen Attraktionen von Anfang bis Ende gefilmt, manchmal mit Kommentaren der filmenden Person. Ich habe mich dazu entschieden, nur die Auffahrten zu zeigen, weil die restliche Ausstellung mit Tapeten, Skulpturen, tapezierten Bildern und Leuchtkästen recht „laut“ ist. Wenn man nur mal kurz hinschaut, könnte man meinen, es wäre ein Standbild – ein sehr langweiliges.

Und langweilig ist gut?
Es steht symbolisch dafür, wie Willingen sein wird, wenn die Gemeinde tatsächlich den Sauf- und Partytourismus verbietet. Der Sound der Arbeit besteht aus einem Panflöten-Instrumental von „Viva Forever“ von den Spice Girls. Ein Abschiedslied mit unsicherem Wiedersehen, ein Wiedersehen in der Kneipe nach der „Prohibition“. Darüber spricht in dem Video ein betrunkener Besucher des Ortes und erzählt, was er dort so erlebt hat.

An einer Wand hängen zwei Fotos von Max Sand, an einer anderen ist ein Foto übergroß auf Holz montiert. Im Raum ein kleiner gekachelter Sockel, darauf ein Abguss eines Bierfasses.
Max Sand “Euer Urlaub ist mein Rausch”, Ausstellungsansicht, Atelier- und Galeriehaus Defet, 2022. Foto: Jürgen Schabel.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Viel. Humor ist ein wundervolles Stilmittel, um Kunst der breiten Masse zugänglich zu machen, das Kunstverständnis zu fördern und auch auf schwierige und ernste Themen aufmerksam zu machen, ohne direkt von oben herab belehrend zu wirken. Kunst, für die man zum Beispiel enormes Hintergrundwissen zum Werk der Künstler*in benötigt, oder Kunst, die schulmeisterhaft mit erhobenem Zeigefinger präsentiert wird, sorgt meines Erachtens bei manchen unserer Zeitgenossen für Unverständnis, Frustration und Wut. Hoffentlich wird die Documenta dieses Jahr lustig.

Ein Bierglas steht auf dem geschlossenen Deckel einer Toilette.
Fotografie von Max Sand.

Damit du als Kasseler was zu lachen hast, oder wieso?
In den Kommentarspalten der Artikel über die letzte Documenta wurde ohne Unterlass geschimpft, beleidigt, verhöhnt – schlicht mit Scheiße um sich geworfen. Es war kaum auszuhalten. Daher wünsche ich mir und den Social-Media-Mitarbeiter*innen der Kasseler Nachrichtenportale eine möglichst humorvolle Documenta 22 – vielleicht hilft es ja etwas.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Der Kunstmarkt. Ich wünschte, es gäbe eine Sitcom über all diese komischen Menschen in der Szene, die sich gegenseitig in den Hintern kriechen. Los geht es mit der Mappen-Beratung und dem Einklagen von Studienplätzen. Es treten Professor*innen und Kommiliton*innen auf. Dann geht es um erste Ausstellungen in kleinen Galerien, später eine große Show in New York – und am Ende wird man vom Malerfürst gerichtet.

Fotografien von Max Sand als Tapete, in Leuchtkasten und in einer Art Auslage.
Max Sand “Euer Urlaub ist mein Rausch”, Ausstellungsansicht, Atelier- und Galeriehaus Defet, 2022. Foto: Jürgen Schabel.

Wo hört der Spaß auf?
Jody Korbach, Max Sand.

WANN: Die Ausstellung “Euer Urlaub ist mein Rausch” von Max Sand läuft bis zum 5. Juni.
WO: Atelier- und Galeriehaus Defet, Gustav-Adolf-Str. 33, 90439 Nürnberg.

Die Publikation “Paris, London, Mailand, Willingen – Wandern ist nur Spazierengehen aber wütend” von Sebastian Hotz und Max Sand ist erschienen bei Starfruit Publications. Es empfiehlt sich auch ein Blick in den “ei-nzigartigen” Shop von Max Sand.

In unserer Interview-Reihe “Gute Laune mit” sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.

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