Muss das mit Hakenkreuz sein?
Tannhäuser Kreis in der Galerie Anton Janizewski

28. März 2022 • Text von

Wo alles angefangen hat, geht es – jedenfalls für den Moment – nicht weiter. Der Instagram-Account Tannhäuser Kreis mit Nazi-Memes und Werkansichten junger Künstler*innen ist verschwunden. An einem Abend weggemeldet; sicher auch, weil zu viele Cool-Kids aus Art-Bubble und Internet auf einmal ihre Instagram-Story mit Verweisen auf die erste Ausstellung der Gruppe geflutet hatten. Wie viel rechte Bildwelten wollen wir aushalten?

Installationsansicht Tannhäuser Kreis: “Schuldiger Realismus”, Galerie Anton Janizewski Berlin, 2022. Benni Kakert, Konstitutiv der Moöglichkeiten, Jody Korbach, Nicolai Saur, Anica Seidel, Marta Vovk (v.l.n.r.). Foto Hans-Georg Gaul.

Der Tannhäuser Kreis mit seiner schwarz-rot-goldenen Krawall-Ästhetik spaltet. Auf Instagram wurden Onkelz, Beuys und Lebensrunen collagiert zu einem vagen Versprechen, dass sich irgendwann schon offenbaren würde, wieso deutlich im linken Lager einzureihende Künstler*innen so demonstrativ mit deutschtümelnder Symbolik flirten. Mittlerweile ist der erste Schritt gen Auflösung getan. Die Berliner Galerie Anton Janizewski zeigt mit „Schuldiger Realismus“ eine Gruppenausstellung, die Positionen von 18 Mitgliedern des Tannhäuser Kreises vereint.

So viel vorab: Ja, man kann da ein Hakenkreuz erkennen. Mehrere sogar. Dazu braucht es nicht einmal den besten Willen. „Deutschland GmbH I (Geh mal Bier hol’n, du wirst schon wieder hässlich)“, eine Arbeit von Jody Korbach, besteht aus Biermarken in Hellgrün und Grau. Sie ergeben ein Muster, das mit viel Wohlwollen ans Uralt-Game Snake, vor allem aber an das Motiv der Swastika erinnert. L. B. hat für „Spaziergang am Fluss“ während eines eben solchen mit dem Brecheisen Gehwegsteine gesammelt, die die sächsische Provinz ganz selbstverständlich mit einem Muster überziehen, das zumindest hierzulande eigentlich Aufsehen erregen sollte.

Jody Korbach, Deutschland GmbH I (Geh mal Bier hol’n, du wirst schon wieder hässlich) (2022), Collage aus Biermarken. Foto: Sascha Hermann. // Marie Meyer, pattern no. 1 (2022), Schleichtiere, Plexiglas, Spiegelfolie, Stahlkette. Foto: Sascha Hermann.

Von auf die Fresse bis um die Ecke decken malerische, installative und fotografische Positionen so ziemlich alles ab, was dem Tannhäuser Kreis zuzumuten wäre und ganz offensichtlich zuzurechnen ist: ein komatöser Schumi als deutsche Ikone gerahmt von den Farben der Landesflagge (Andreas Cretin), eine umgestoßene Kneipentheke mit entblößtem Unterleib (Konstitutiv der Möglichkeiten), ein problematischer Autor oberkörperfrei als Bravo-Starschnitt (Nicolai Saur), die analog glitchende Weihnachtswunschliste der heranwachsenden „gehobenen Mittelschicht“ in Form sorgsam aufgereihter Schleichtiere in den Farben Schlamm, Kastanie, Vivani-Schoko (Marie Meyer).

Installationsansicht Tannhäuser Kreis: “Schuldiger Realismus”, Galerie Anton Janizewski Berlin, 2022. Andreas Cretin, Konstitutiv der Moöglichkeiten, Christian Kölbl, Anica Seidel, Natalia Schwappacher (v.l.n.r.). Foto Hans-Georg Gaul.

Zu viel des Guten? „In Deutschland wird der Nationalismus inzwischen so ungezähmt gespielt, dass man mit dem Thema genauso ungezähmt umgehen kann – oder umgehen muss“, verteidigt Kurator Julian Volz die riskante Gratwanderung zwischen produktiv-cleverem Kommentar und provokativ-zynischer Affirmation. Das Wagnis kann aufgehen, sofern die Schlagkraft der einzelnen künstlerischen Positionen nicht im bloßen Sichtbarmachen omnipräsenter Umstände begründet ist. Wer eine Ausstellung wie „Schuldiger Realismus“ besichtigt, wird vermutlich mitbekommen haben, dass Deutschland ein Nazi-Problem hat. Da muss mehr geboten werden.

Benni Kakert, „Mein Onkel war im Widerstand” (2021), Acryl, Onkelsschal und Fotos auf Leinwand. Foto: Sascha Hermann.

Benni Kakert hat seine Bildsprache zunächst aus einer Anti-Haltung heraus entwickelt. „Linke Kunst kommuniziert oft in Babysprache: ‚Das ist richtig, das ist falsch.‘ Das stört mich“, sagt er. „Es kommt zwar gut an, aber ist auch ein bisschen einfach.“ Kakert will Verantwortung übernehmen für Geschichte und Gegenwart. Es reicht ihm nicht, sich in Abgrenzung von „den Bösen“ auf der Seite der Guten zu wissen. Deswegen findet er in seinen Arbeiten auch immer im wahrsten Sinne des Wortes statt.

Kakerts Malerei „Mein Onkel war im Widerstand“ zeigt naiv abstrahiert die brennende Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen. Der Künstler hat sie mit einem Fan-Schal der Band Böhse Onkelz verziert – und mit 13 Passfotos von ihm. „Ich bin 1994 geboren. Ich kann also mit dem Anschlag von 1992 nichts zu tun haben“, erklärt Kakert seine mehrfache Präsenz m Bild. „Nun bin ich aber Deutscher und darum muss ich mich damit auseinandersetzen. Ich kann mich da nicht rausziehen.“

Istihar Kalach, poly tik, poly amor & poly zei: die dreifaltigkeit (2021), Öl auf Leinwand. (Detail) // Installationsansicht Tannhäuser Kreis: “Schuldiger Realismus”, Galerie Anton Janizewski Berlin, 2022. Istihar Kalach, Jonas Hoeschl, Konstitutiv der Möglichkeiten (v.l.n.r.). Foto Hans-Georg Gaul.

Ein großer Teil der Mitglieder des Tannhäuser Kreises ist deutsch oder könnte als „deutsch“ gelesen werden. Die Verstrickung der eigenen Familie in die Verbrechen des Nationalsozialismus ist sicherlich ein Grund für eine intensive Auseinandersetzung mit rechten Bildwelten. Doch es gibt auch Künstler*innen in der Gruppe, die Rassismus erleben und sich deswegen an Kennzeichen und Codes der rechten Szene abarbeiten. Oder Künstler*innen, die eben nicht als Großstadtkinder, sondern in kleinstädtischen Milieus unter Rechten politisiert wurden. Dass ein unbedarfterer Umgang mit Nazi-Symbolik vor allem von denen gepflegt werden kann, die die Bedrohung als abstrakt erleben, scheint allerdings denkbar.

Wie verschieden Motive auf unterschiedliche Rezipient*innen wirken, hat auch Anica Seidel beobachtet. Ihr Windspiel „Telling it real“ bringt Baseball-Schläger aus Aluminium zum Klingen. „Die meisten hinterfragen das gar nicht“, erzählt die Künstlerin. Die Leute würden die Baseballschläger nicht groß beachten und sich schlicht am unerwartet lieblichen Klang der Skulptur erfreuen. Es lässt sich selbstverständlich sorgenfreier am Knüppel klimpern, wenn man noch nie mit einem vergleichbaren Exemplar bedroht worden ist. Seidel preist diese Überlegung mit ein. „Mir geht es um unseren Umgang mit Symbolen der Gewalt“, sagt die Künstlerin. „Aus Neugierde wird Spaß – und schon ist man irgendwo reingerutscht.“

Anica Seidel, Telling it real (2020), Baseballschläger, Metallketten, Stahlkabel, Holz, Lack. Foto: Sascha Hermann. // Nicholas Warburg, Titelbild 11 (2022), Acryl auf Leinwand. Foto: Sascha Hermann.

Am Anfang war das Interesse, die gute Absicht und, ja, bestimmt auch ein bisschen Spaß. Die Künstler*innen des „Schuldigen Realismus“ sind politisch, ihre Arbeiten sind es ebenfalls. Sie retten den Humor in die Ernsthaftigkeit und riskieren dabei, vor den Kopf zu stoßen, wer nicht bereit ist, sich auf das Konzept Tannhäuser Kreis einzulassen. Volz sagt über die Mitglieder: „Sie nehmen rechte Ästhetiken auf, um sie zu brechen.“ Ihre Arbeiten können also Einladung zu mehr Ambivalenz in einer oftmals wenig nuanciert geführten Debatte sein. Aber man muss ihre Mittel aushalten wollen – oder aushalten können.

Die Ausstellung ist vielleicht nicht so skandalös, wie der Ruf, der ihr vorauseilt, gerade im Vergleich zum Instagram-Content des Tannhäuser Kreises. Jedoch erschließen sich nicht alle Arbeiten über den Werktitel allein und wer mit der Arbeit der vertretenen Künstler*innen nicht ohnehin vertraut ist, könnte Mühe haben, mit ihnen umzugehen. Ja, Kunst muss für sich stehen können. Aber gerade bei jungen Künstler*innen lassen sich Hintergrund, Motivation und Absicht nicht mal eben ergooglen. Diese Werke dürfen zwar kontextlos sich selbst überlassen werden, verboten ist das nicht. Doch wenn Instagram-Nutzer*innen zusammenhangslos Hakenkreuze in die Story gespült werden, wirkt die Kunst vielleicht nicht in ihrer durchdachtesten Weise.

Installationsansicht Tannhäuser Kreis: “Schuldiger Realismus”, Galerie Anton Janizewski Berlin, 2022. Max Sand, Antonia Alessia Virginia Beeskow (v.l.n.r.). Foto Hans-Georg Gaul.

Die Uneindeutigkeit ist die große Stärke des Tannhäuser Kreises und gleichzeitig sein größter Schwachpunkt. Es genügt ja bekanntlich nicht, das Richtige zu wollen, also zum Beispiel Nazis und PC-Linke auf die Palme bringen, wenn am Ende erheblich Kollateralschäden zu verzeichnen sind, etwa weil sich Rezipierende von dieser Art der Inszenierung verletzt fühlen. Rechte Symbolik kann für Personen mit Rassismuserfahrung retraumatisierend wirken und mit entsprechender Verantwortung gilt es, sich an ihr abzuarbeiten.

Man muss davon ausgehen, dass es der Tannhäuser Kreis ganz grundsätzlich niemandem einfach machen will. Sonst hätte man zu Instagram-Zeiten vielleicht Memes gebaut, die sich für eine Mehrheit auch ohne Sekundärliteratur hätten decodieren lassen. Die Arbeit der Gruppe soll wehtun. Man kann diesen Schmerz kathartisch durchwandern – möglicherweise ist diese Erfahrung allerdings nicht universell übertragbar. Kritische künstlerische Positionen zum Nationalismus sind allerdings immer und in Anbetracht der geplanten Aufrüstung der Bundeswehr ganz besonders unabdingbar. Der Tannhäuser Kreis macht ein unvergleichbares Angebot, entlang ganz unterschiedlicher Arbeiten Haltung zu schärfen.

WANN: Die Gruppenausstellung „Schuldiger Realismus“ des Tannhäuser Kreis läuft bis Samstag, den 30. April. Mit Arbeiten von L. B., Antonia Alessia Virginia Beeskow, Bureau AEIOU, Andreas Cretin, Jonas Höschl, Benni Kakert, Istihar Kalach, Christian Kölbl, Konstitutiv der Möglichkeiten, Jody Korbach, Marie Meyer, Max Sand, Nicolai Saur, Natalia Schwappacher, Anica Seidel, Marta Vovk und Nicholas Warburg.
WO: Galerie Anton Janizewski, Goethestraße 69, 10625 Berlin.

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