Apple, Apple, Apple
Vivian Greven über eine Frucht und ihre Ambivalenzen

21. Dezember 2020 • Text von

Im Kunstpalais in Erlangen ist zurzeit die Einzelausstellung „Apple“ der Künstlerin Vivian Greven zu sehen. Der Apfel als Sinnbild zieht sich als roter Faden durch die Werke und eröffnet Spielräume des Makellosen zwischen Bedrohlichkeit und Anziehung.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen auf türkisfarbener Wand.
Ausstellungsansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Der Apfel ist wie kaum eine andere Frucht mit zahlreichen Symboliken verbunden – die verhängnisvollste ist wohl die des Apfels als Metapher der Sünde aus dem Alten Testament. Die gegenwärtigste Verknüpfung hat allem Anschein nach die Marke Apple für sich entschieden, denn kaum jemand würde die Silhouette des angebissenen Apfels mit dem einzelnen Blatt nicht erkennen. „Apple“ ist auch der Titel der Ausstellung von Vivian Greven, für die die Künstlerin ebenfalls das Sinnbild des Apfels heranzieht, um ihren Gedanken über Gegensätze und Analogien der gegenwärtigen Zeit Ausdruck zu verleihen.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen, Detailansicht einer unteren Gesichtshälfte.
Detailansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Für die Ausstellungwurden die Wände des Erdgeschosses des städtischen Museums für zeitgenössische Kunst in verschiedenen Pastellfarben gestrichen, die teilweise komplementär zu den Malereien wirken. Verbunden sind die Räume mit niedrigen, für die Ausstellung eingebauten Rundbögen, sodass sie wie ein Arkadengang anmuten. Die Besucher*innen betreten einen Ort, der losgelöst scheint von jeglicher Einordnung in bestehende Raum- und Zeitgefüge, denn wirkt die Architektur in einem Moment anachronistisch, so ist man sich im nächsten nicht mehr sicher, ob die gezeigten Werke mit modernen Technologien digital produziert wurden. Diese ästhetische Ambivalenz ist nur das erste Beispiel aus einer Reihe von Dichotomien, die Vivian Greven auf multiplen Interpretationsebenen weiterführt. Was sich allerdings wie ein Grundmotiv durchzieht, sind verschiedene Darstellungen eines Apfels, auch Paradiesfrucht genannt.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen auf türkisfarbener sowie auf rosafarbener Wand.
Ausstellungsansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Auf den Gemälden sind Figuren zu sehen, die in ihrer Makellosigkeit an marmorne Skulpturen aus dem Klassizismus oder der Renaissance erinnern. Meist wird das Gesicht eher angedeutet, als dass auf eine individuelle Person referiert wird; sie könnten somit als Repräsentant*innen aus einem bestimmten kunsthistorischen Repertoire gelesen werden. Die Künstlerin beschreibt sie als stilisiert und gleichzeitig mutet ihnen in ihrer Perfektion etwas Unheimliches an. Allerdings sind sie nie in ihrer Gänze abgebildet, sondern nur Teile ihrer Körper, so als wolle Vivian Greven den Fokus auf bestimmte Gliedmaßen lenken und diese befragen. Der Apfel taucht immer wieder auf – mal als Attribut einer Figur, die als die Eva aus dem Alten Testament interpretiert werden kann und mal unverkennbar als das Emblem der Marke Apple.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen, Detailansicht eines nackten Oberkörpers, die Hand hält einen Apfel.
Detailansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Die Blicke der Betrachter*innen werden eindeutig immer wieder auf den Hals geleitet und die Künstlerin erzählt, dass die Bildreihe aus einer Auseinandersetzung mit dem Adamsapfel und seiner Legende begonnen hat. Diese besagt, dass es sich beim Schildknorpel, der biologisch betrachtet bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen, um einen Apfelbissen handelt, der dem biblischen Adam im Hals stecken geblieben sei, als er von der verbotenen Frucht aß. Dies führte Vivian Greven weiter zu zahlreichen Geschichten und Märchen, in denen der Apfel eine zentrale Rolle spielt. Die Gedanken gingen weiter zum Apfel als Symbol für die Wahrheit oder die Erkenntnis und so landete die Künstlerin schlussendlich wieder bei Adam und Eva. In der Bibel ist zwar nur von einer verbotenen Frucht die Rede, allerdings wurde diese seit dem Mittelalter in der europäischen Kunstgeschichte als Apfel dargestellt und somit setzte sich diese Konnotation durch. Vivian Greven greift hier ebenfalls auf ein breites Repertoire der Kunsthistorie und gleichzeitig zeitgenössische Symbolbilder zurück – eine weitere Gegensätzlichkeit, die die Künstlerin in einen Einklang zu bringen sucht.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen auf blauer Wand.
Ausstellungsansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Ist also der Apple-Apfel das heutige Sinnbild für den Baum der Erkenntnis? Was passiert, wenn wir uns ihm hingeben? Gibt uns das Internet, worauf wir mithilfe der Geräte von Apple zugreifen können und diese somit Verbindungselemente darstellen, unendliches Wissen, und gleichzeitig auch Erkenntnisse über Pole zwischen gut und böse? Kann gar eine Analogie zwischen der Bedeutung besagter Frucht bei Adam und Eva und der der Marke gezogen werden? Diese Abfolge an Überlegungen scheint vor allem dann aufschlussreich, wenn man parallel die dazu entstandenen Bilder von Vivian Greven betrachten kann. Es ist, als würde sich ihre Gedankenabfolge auf den Bildern manifestieren. Die Entwicklung ihrer Narration sei zu Beginn der Entstehung der Werkserie offen und intuitiv, so die Künstlerin. Was sich den Betrachter*innen offenbart ist eine Auseinandersetzung, die spielerisch zwischen etwas Groteskem und Makellosem schwebt.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen auf orangefarbener Wand.
Ausstellungsansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Farblich changieren die Werke zwischen einer leichten Farbpalette in Türkis- und Lilatönen bis hin zu knalligen Rottönen und sogar Dunkelblau. Der Begriff des Digitalen wurde nun schon angedeutet und der dieser Ausstellung inhärente Aspekt lässt sich folgendermaßen umschreiben: Die dargestellten Skulpturen könnten auch 3D-Grafiken sein, sie wirken fast bedrohlich plastisch, glatt und perfekt. Lediglich kaum auffallende pastose Farberhebungen stören diesen Effekt. Manchmal ist auch ein ganzer Apfel erhoben. Die Gegensätzlichkeit als Grundprinzip von Vivian Grevens Werke kehrt immer wieder. Die Dunkelblautöne wandeln die Malereien in ein Negativ um, so wie man es aus der Fotografie kennt.

Malerei von Vivian Greven im Kunstpalais Erlangen, Detailansicht eines Apfels.
Detailansicht “Vivian Greven. Apple”, Kunstpalais Erlangen, 2020. Foto: Kilian Reil.

Die Künstlerin interessiert sich auf ästhetischer Ebene dafür, was mit den Volumina der Körper geschieht, wenn sich die Farben verschieben und man sie austauscht. Vivian Greven zeigt in ihrer Ausstellung zwei Gemälde, die die Eva aus dem Alten Testament mit einem Apfel abbilden. Einmal positiv, und einmal negativ. Lässt sich diese Bezeichnung, die sich hier rein auf die Farbigkeit bezieht, auch übertragen auf dichotome Komponente der Erkenntnis oder sogar auf ein vorher und ein nachherim Hinblick auf den Verzehr des sündigen Apfels? Die anfängliche intuitive Entstehung der Bilder, die Vivian Greven als ihre Arbeitsweise beschreibt führte schlussendlich zu der konkreten Entwicklung einer homogenen Narration. Verschiedene Interpretationsebenen offenbaren sich den Betrachter*innen – der Apfel als roter Faden hält sie zusammen.

WANN: Die Ausstellung “Vivian Greven. Apple” läuft bis zum 14. Februar. Bis dahin wird die Ausstellung hoffentlich für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Parallel zu sehen ist die Ausstellung “Mike Bourscheid. Pisces and Capricorns”.
WO: Kunstpalais Erlangen, Marktplatz 1, 91054 Erlangen.

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