Gute Laune #6
Claudia Holzinger

24. Juni 2021 • Text von

Wo Tragik und Komik sich besonders nah sind, wird es für Claudia Holzinger richtig interessant. Für die perfekte Pointe beturnt die Künsterin auch mal einen menschengroßen Katzenkratzbaum. Wir sprechen übers Radfahren mit Wut im Bauch und die Imitation von Echtheit.

Links: Baby Sinclair Puppe trägt Kopfhörer vor Jeans-Hintergrund. Mitte: Claudia Holzinger in einem türkisfarbenen Trainingsanzug. Rechts: Tonskulptur von Backstreet Boy Nick Carter.
Claudia Holzinger: “Baby Sinclair Denim”. Courtesy of the artist. // Porträt: Claudia Holzinger // Claudia Holzinger: “BSB Sculptures”. Courtesy of the artist.

gallerytalk.net: Was hat dich zuletzt amüsiert?
Claudia Holzinger: Ich musste über mich selber lachen. Ich saß auf dem Fahrrad, musste gegen den Wind fahren und war so sauer, dass ich irgendwann den Wind laut beschimpft hab. Ich hab gesagt: „Ja, wow, super, du bist stärker als ich uh.“ Ich war ziemlich krass wütend und in dem Moment, als ich vor mich hin geschimpft hab, war ich quasi das Gegenteil von amüsiert. Aber kurz danach, als ich zugelassen hab, mich so bissl von außen zu betrachten, musste ich ganz arg lachen. Ich finde, es ist eh oft so, dass scheinbar gegensätzliche Gefühle fast gleichzeitig auftreten, also in dem Fall erst Wut und dann ausgelassenes drüber Lachen.

So etwas passiert dir also regelmäßig?
Ja, neulich zum Beispiel, als ich mit meiner vierjährigen Freundin Charlie im Park gewesen bin. Da gibt es so einen aufgeschütteten kleinen Berg, von dem aus man über die ganze Anlage und den Spielplatz schauen kann. Da sind wir raufgegangen und dort oben am höchsten Punkt hat sie sich hingestellt und geschrien: „Wir mögen kein Corona, Corona geh weg!“ Und die kleineren Kinder um sie rum haben angefangen, das zu wiederholen und auch zu rufen. Da musste ich erst lachen und dann war ich aber gleichzeitig sehr berührt davon. Tragik und Komik liegen oft so nah zusammen. Ich finde, da wird’s interessant.

Die Künstler*innen Claudia Holzinger und Raphael Unger fläzen als Katzen verkleidet auf einem menschengroßen Kratzbaum.
Claudia Holzinger & Raphael Unger: “Giant Cats on Googie Cat Tree Compilation / Aww Animals”. Courtesy of the artists.

Mich amüsiert ja zum Beispiel, wie du gemeinsam mit Raphael Unger unlängst als Katze verkleidet einen riesigen Kratzbaum beturnt hast. Wie kommt man auf so etwas?
Angefangen hat alles 1987, als meine Mutter die erste Katze als offizielles Familienmitglied eingeführt hat. Seitdem gibt‘s in dem Haus meiner Eltern Katzen. Und seitdem ist Katzenspielzeug, also Kratzbäume, kleine Katzenzelte, neonfarbene Kugeln mit Glöckchen an peitschenähnlichen Stecken und elektrische Mäuse, Bestandteil der Inneneinrichtung. Ich fand diese Katzensachen nie besonders schön und alle Katzen, mit denen ich aufgewachsen bin, haben nie viel Interesse daran gezeigt. Sie waren keine reinen Hauskatzen und durften rausgehen. Statt Elektromäuse und Kratzbäume hatten sie echte, warum sich also mit den Imitationen davon beschäftigen?

Das hast du nun also übernommen.
Als Raphael Unger und ich im Lockdown sehr viel zu Hause waren, haben wir uns beide an diese Imitationen von Echtheit erinnert gefühlt. Zoom-Geburtstage, Online-Theaterveranstaltungen, -Vorträge oder -Museumsführungen, Performances auf Instagram und Clubhouse haben sich wie Katzenbaum angefühlt – halt nicht so ganz, wie es wirklich wäre, sondern nur so, wie es halt möglich ist in einer Wohnung und nicht draußen. Wir haben dann beschlossen, das 1:1 umzusetzen. Wir haben einen Katzenbaum in Menschengröße gebaut, der das einzige Territorium darstellt und auf dem deswegen alles passieren muss: schlafen, essen, arbeiten, Wut, Liebe. Und wir waren Wohnungskatzen, nur drinnen, nicht draußen, zwischen Spiel, Arbeit, Faulheit und Streit.

Claudia Holzinger & Raphael Unger: “Giant Cats on Googie Cat Tree Compilation / Aww Animals”. Courtesy of the artists.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Die Kunst ist meine gute Freundin und deswegen weiß ich, dass sie sehr, sehr viel Humor versteht. Es hilft ihr dabei, sie selbst sein zu können, und sie freut sich über jeden Lacher, der ihretwegen durch große, weiße Hallen mit graugestrichenen Böden ohne Fenster geht.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Fußball. Deutsche Küche. Oberbayern.

Wo hört der Spaß auf?
Wo Diskriminierung und Ausschluss, Verletzung und/oder gezielte Bösartigkeit anfangen. Lieber schon so bissl kurz davor.

Claudias Ausstellung „Claudia – The Vampireslayer“ könnt ihr online besuchen. Wir haben bereits hier darüber berichtet. Jüngst eröffnet hat „I never wanted to be a sex symbol“, ebenfalls online zu besuchen. Ab dem 11. August sind Claudias gemeinsame Arbeiten mit Lilly Urbat und Janina Zais in der Galerie Ladons in Hamburg zu sehen und im September ist sie gemeinsam mit Lilly Urbat Teil der von Spatzi Spezial (Sophia Süßmilch & Valentin Wagner) kuratierten Gruppenausstellung „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“ in der Galerie Krobath in Wien.

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