Gute Laune #8
Jody Korbach

3. September 2021 • Text von

Noch 929 Jahre CDU. Will man sich das vorstellen? Die Frage drängt sich auf – jedenfalls in der Auseinandersetzung mit Jody Korbach und ihrer Ausstellung bei Mouches Volantes. Wir sprechen mit der Künstlerin über Alkoholkonsum, einen Papagei und über das angebrachte Maß an Radikalität.

Ein Holzschrank, auf den "1000 Jahre CDU" in roter Farbe gesprüht ist.
Jody Korbach: „1000 Jahre CDU“, Sprühlack auf Holzmöbel, 200x300x45 cm, 2021. Foto: Jana Buch.

Was hat dich zuletzt amüsiert?
Letztens haben ein Freund und ich vor einem Museum gewartet und ein Mann mit einem Papagei auf der Schulter hat uns um eine Zigarette angeschnorrt. Als er hörte, wir seien Künstler, erzählte er uns davon, dass er bei Karlheinz Stockhausen studiert und später auch für ihn assistiert habe. Er habe unglaublich viel gelernt, aber der Stockhausen sei unerträglich gewesen und dann hätten sie sich verworfen und er sich distanziert.

Ich vermute mal, das war’s noch nicht …
Nein. Als der Stockhausen dann nämlich 9/11 als das größte Kunstwerk in der Geschichte der Menschheit bezeichnet hatte, habe er ihm sofort einen Brief geschrieben und ihm wieder seine Aufwartung gemacht. Das habe ihn zu ihm zurückgebracht. Ich fand das erstens sehr schön, weil ich ein großer Fan von Vergebung bin und zweitens auch hilarious, dass man sich nach so einer Aussage denkt: “Siehste! Der ist ja doch gar kein Arschloch, sondern total toll!” One of us quasi. Relatable. Der Papagei war dann noch das i-Tüpfelchen.

Links: Die Künstlerin Jody Korbach sitzt auf einem Holzstuhl mit Armlehnen vor einer Holzschrankwand, die sie mit Farbe besprüht hat. Rechts: Rosafarbene und beigefarbene Papiermarken für Sekt beziehungsweise Mineralwasser sind zu einem Kachelmuster angeordnet.
Jody Korbach. Foto: Jana Buch. // „Sekt oder Selters (Man kriegt ja schließlich nichts geschenkt)“, Collage aus Wertmarken, 40×30 cm, 2021. Foto: Jana Buch.

Mich amüsiert ja zum Beispiel, mit welcher Hingabe du dich an der CDU abarbeitest. Was hast du durch die Auseinandersetzung mit der Partei über sie und ihre Bedeutung an Erkenntnissen gewonnen?
Wer die CDU wählt, wählt Halle. Wer die CDU wählt, wählt Hanau. Dank der CDU kann man Walter Lübcke nicht mehr wählen. Sie macht also nicht mal Politik für ihre eigenen Wähler:innen. Meine persönliche Erkenntnis ist wohl, dass noch nichts radikal genug war, um die CDU zu stoppen. Ich weiß nicht, ob Kunst das geeignete Mittel ist, aber sie hat auf jeden Fall die Narrenfreiheit, ein paar Thesen erstmal auszutesten, bevor man sie in echt ausprobiert. Ich lasse mich auch gerne einspannen, wenn jemand anderes eine gute Idee hat. Gerade überlege ich eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Klaus Staeck, bitte melden Sie sich.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
1000, 2000, 3000 – ich will irgendwann mal die 4000 austesten. So weit ist meines Wissens nach noch niemand gegangen.

Ein kitschig gerahmter Spiegel mit verschiedenen Augklebern. In der Mitte in Schwarz-rot-gold der Schriftzug "Angie".
Jody Korbach: „Angie (Ein Leben lang)“, Window Color, Aufkleber, Spiegel, 78×98 cm, 2021. Foto: Jana Buch.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Alle. Aber besonders Menschen, die ihr Leiden mit dem Anderer messen. Und Leute, deren Hobby eine Alkoholsorte ist. Gin des Lebens und so. Bitte seid doch so ehrlich und sauft euch das Leben schön so wie alle anderen auch. Von der bürgerlichen Mitte, zur Titte, zum Sack – zack, zack!

Wo hört der Spaß auf?
Max Czollek hat mal nen ziemlich guten Holocaust Witz erzählt.

WANN: Die Ausstellung “1000 Jahre CDU”, kuratiert von Maurice Funken, eröffnet am Freitag, den 3. September. Sie läuft bis Samstag, den 2. Oktober.
WO: Mouches Volantes, Ebertplatz 3, 50668 Köln.

Mehr von Jody Korbach gibt es ab Donnerstag, den 30. September, im Kunstlabor2 in München. Dort gestaltet die Künstlerin unter dem Arbeitstitel “Feierabend (wo wart ihr Silvester?)” einen Raum und verhandelt in der fortlaufenden Ästhetik des “1000 Jahre CDU”-Themas das Scheitern deutscher Verwaltung in der Aufarbeitung von Terror.

In unserer Interview-Reihe “Gute Laune mit” sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.

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