Das letzte Refugium der Kunst
Wie die Akademie Galerie ihre Fensterfront zur Ausstellungskulisse werden lässt

20. Januar 2021 • Text von

Was tun, wenn ohne Aussicht auf baldige Öffnung immer noch jegliche Ausstellungsinstitutionen geschlossen bleiben? Manche von ihnen verfügen über große Fensterfronten. Da könnte man ebendiese doch als eine Art Bildschirm, Ausschnitt oder Guckloch von außen nach innen verwenden? So macht es aktuell die Akademie Galerie der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg im Rahmen mehrerer Film-Screenings.

Martin Karl Kufieta: “The future was better in the past” (2019). Courtesy of the artist.

Über einen Zeitraum von fünf Wochen, seit dem 15. Januar und noch bis Sonntag, den 21. Februar, wird in der Akademie Galerie ein wechselndes Kurzfilmprogramm mit Arbeiten von zehn Studierenden gezeigt. Über die typischen bodentiefen und oben abgerundeten Fenster, wie man sie in der Nürnberger Altstadt häufig antrifft, ist es einsehbar. Der besondere Twist: Sogar der Sound zu den Filmarbeiten wird hörbar gemacht! Es entsteht eine Kombination aus einer experimentellen Nutzung des Ausstellungsraumes und einem Programm, das in den öffentlichen Raum gebracht wird.

Die gezielt kommenden Besucher*innen oder auch spontan vorbeischlendernden Passant*innen können jeweils über einen Zeitraum von sechs Tagen die Arbeiten zweier Studierender der AdbK sehen. Dann wird rotiert und es werden die nächsten zwei Kurzfilme gezeigt. Gewissermaßen eine Einladung, die Akademie Galerie in sein wöchentliches Spazierprogramm einzubauen – clever! Da sich der Ausstellungsraum direkt am Nürnberger Hauptmarkt auf dem Weg in Richtung Burg befindet und dies eine beschauliche hübsche Strecke ist, lohnt sich ein quasi analoger Ausstellungsbesuch gleich doppelt.

Martin Karl Kufieta: “The future was better in the past” (2019). Courtesy of the artist.

Eine der beiden im Loop gezeigten Arbeiten, die den Auftakt des Film Screenings darstellen, ist der Film „The future was better in the past“ (2019) von Martin Karl Kufieta. Er wirkt wie die Dokumentation einer performativen Situation, in der ein Protagonist mit einem schlafsackartigen Textilstück verschiedene Anwendungsarten austestet. Diese Szenen wechseln sich ab mit Kamerafahrten, die an einen Lehrfilm aus der Kindheit erinnern, bei denen man den roten Blutkörperchen auf ihrem Weg durch die Venen und Adern folgt. Vermutlich handelt es sich allerdings um Aufnahmen des Inneren des Schlafsacks. Kufieta nimmt mit „The future was better in the past“ also im Wechselspiel mit dem Performer eine ausführliche Analyse dieses Objekts vor. Die Arbeit ist über einen Screen an der gegenüberliegenden Wand eines der großen Fenster einsehbar und das Besondere ist hierbei die begleitende jazzige Soundkulisse. Deren Ursprung ist am Anfang zwar irritierend wahrnehmbar  – aber sobald sich bemerkbar macht, dass in den Lüftungsschächten im Boden vor den Fenstern Lautsprecher installiert sind, changierte dieser clevere Kniff zu einem  Highlight des Projektes.

Rebecca Schwarzmeier führt die Betrachter*innen mit ihrem Film „Frankencenter/Easy Street“ durch das Parkhaus und andere Kulissen des Einkaufszentrums Frankencenter im Nürnberger Süden. Die kurze, wie ein Musikvideo anmutende zweikanalige Videoinstallation wird per Beamer an eine Wand auf der um die Ecke liegenden, anderen Seite des Raumes projiziert. Auf der rechten Seite des zweigeteilten Bildschirms ist ein Text zu lesen, der wie beim Karaoke singen farblich unterlegt mitläuft. Bei längerem Zuschauen fällt auf, dass sich einzelne Textfragmente wie ein Refrain wiederholen. Somit entsteht schnell der Eindruck eines Liedes – nicht zuletzt aufgrund der farblichen Karaoke-Unterlegung.

Rebecca Schwarzmeier: “Frankencenter/Easy Street”. Courtesy of the artist.

Aus der Kamerafahrt durch und um das eher nicht so schicke Einkaufszentrum herum wird ein Spaziergang, der atmosphärisch genauso gut aus einem sommerlichen Musikvideo mit gutem Soundtrack sein könnte. Was damit gemeint ist: Jedes Element der Zweiteilung für sich gesehen hat eine ganz bestimmte Ausstrahlung und Konnotation. Sieht man aber beide Szenen zusammen wie bei der Arbeit „Frankencenter/Easy Street“, bekommen sie eine ganz neue Aura und es entsteht eine Situation, in der man zu den Songs mitsingen würde und der Text der Arbeit scheint auch irgendwie entspannt und der Titel „Easy Street“ verstärkt dieses Gefühl. Was der eigenen Imagination überlassen wird, ist die tatsächliche Melodie zu dem Lied, aber diese kann kaum anders als fröhlich sein: „Right here on easy street, it’s our moment in the sun and it’s only just begun, it’s time to have a little fun.”

Da vergisst man fast die winterlichen Minusgrade und die eingefrorenen Füße. Das Gute ist: Kaum eine der zehn Arbeiten dauert länger als zehn Minuten, sodass Besucher*innen nicht lange in der Kälte ausharren müssen, um in den Genuss von Kunst außerhalb von Viewing Rooms oder jeglichen anderen Onlineangeboten zu kommen. Die Initiative der Akademie Galerie, ihre Räumlichkeiten zu nutzen, ein Filmprogramm zu zeigen und dieses gezwungenermaßen in den öffentlichen Raum zu holen, wirkt wie ein Lichtblick am Ende des Tunnels. Hier kann man endlich einmal wieder coronakonform Kunst im physischen Raum erleben. Den begleitenden Sound in den Ohren durch die beschauliche Nürnberger Altstadt spazieren – das Projekt hat Potenzial zum Ausstellungshighlight des Monats.

WANN: Die Film-Screenings laufen noch bis Sonntag, den 21. Februar. Neben den Arbeiten von Martin Karl Kufieta und Rebecca Schwarzmeier sind Arbeiten von Julius Jurkiewitsch, Stefanie Ziegler und Lisa Wenk, Otakar Skala, Maximilian Gessler, Anna Steward, Sören Gohle und Franziska Koppmann zu sehen. Das Programm findet ihr auf der Website der AdbK.
WO: Akademie Galerie der AdbK Nürnberg, Hauptmarkt 29, 90403 Nürnberg.

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