Gute Laune #7
Lena Schrammm

22. Juli 2021 • Text von

Was haben Tesla, Chanel und Apple gemeinsam? Mal abgesehen davon, dass es sich dabei um international denkbar populäre Marken handelt, hat man die Logos in Ecstasy-Tabletten gepresst. Lena Schramm hat der Party-Droge ihre Abschlussarbeit gewidmet. Wir sprechen über Widersprüche des Spaßkonsums und die Künstlerin als Pfau.

Links: Ein Kinderbesen neben Sägespähnen, darin liegen übergroße Ecstasy-Tabletten aus Keramik. Rechts: 8x6 gemalte Ecstasy-Tabletten auf schwarzem Grund.
Lena Schramm: Kleine Schwemme 31 Keramiktabletten, Späne & Kinderbesen Maße variabel, 2021. Courtesy of the artist and Galerie Kai Erdmann. // Lena Schramm: Detail Ecstasy Tafel II B. Courtesy of the artist and Galerie Kai Erdmann.

Was hat dich zuletzt amüsiert?
Der lachende Armin Laschet. Schön mit Gummistiefeln im Schlamm Pluspunkte sammeln und sie gleich wieder versenken.

Mich amüsiert ja zum Beispiel der Schwung Ecstasy-Tabletten, der in deiner Master-Präsentation an der HfbK Hamburg zu sehen war. Ich hab mal versucht, zu zählen: 571 auf Leinwand, 32 in Keramik? Wieso sich mit so viel Hingabe Teilen widmen?
Das ist jetzt zwar Erbsenzählerei, aber genau genommen sind es 570 beziehungsweise 572 Tabletten, denn von Nummer 125 gibt es a, b und c, weil es sich um die drei Affen (nichts hören, sehen, reden) handelt und diese sind als ein Eintrag im Ecstasy-Lexikon, das es zu den Tafeln gibt, zusammengefasst. Es gab ein straffes Gerüst, denn ich habe mich der Droge pseudowissenschaftlich genähert. Die Menge ergab sich letztlich aus einem historischen Blickwinkel, denn alle im Lexikon und auf den Tafeln abgebildeten Tabletten zeigen vor allem Wohlstandsymbole und Logos wirtschaftlich erfolgreicher Firmen der letzten 30 Jahre. Die Tabletten sind somit Miniaturen unserer vermarktungsorientierten Zeit.

Links ein Selfie von Lena Schramm, rechts eine gelbe Smiley-Ecstasy-Tablette gemalt auf weißem Grund.
Lena Schramm. Foto: privat. // Lena Schramm: 57 Jahre Heiterkeit Öl auf Leinwand 150 x 120 cm, 2020. Courtesy of the artist and Galerie Kai Erdmann.

Wie meinst du das?
Sich ein Tesla-, Chanel- oder Apple-Teilchen einzuwerfen, um sich anschließend zu vergessen und allen um den Hals zu fallen, ist ein aus meiner Sicht bildwürdiger Widerspruch. Dass die Malerei allerdings in so etwas wie Zahntechnik und Sgraffito ausgeartet ist – die Tabletten sind detailliert mit kleinem Spachtel und Haarpinsel in dick aufgetragener Ölfarbe rein gekratzt – hat mir in der Tat einige Stunden geraubt, aber es musste sein. Bei den Keramiken sind es übrigens 31. Dafür gibt es jedoch keine besonderen Gründe, offenbar hatte ich irgendwann einfach aufgehört. Im Gegensatz zu den streng an der Realität orientierten Tafeln sind dort auch ein paar erfundene Tabletten dabei wie ein Weleda-Ecstasy, eine Albrecht Dürer Tablette oder eine mit dem Logo meiner Galerie. Die Späne wiederum dienten in Kneipen zum Aufsaugen von Flüssigkeiten. Es handelt sich um eine Party-Reste-Ecke, sozusagen dem Endpunkt der Heiterkeit.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Scheinbar nur sparsam dosiert. Es gibt da diese Angst bei mir, als witzig zu gelten. Wobei das mit der Angst gut ist, da kann man schön reingehen, ohne sie wird es sonst schnell langweilig. Ich denke, die Kunst verträgt so wenig Humor, weil er mit dem Inhalt verwechselt wird, aber Humor ist lediglich ein Werkzeug, ein Stilmittel. Manchmal ist Humor auch die kleine, nervige Schwester von Ernst, die ständig heult.

Links ein gemaltes buntes Seepferdchen auf schwarzem Grund. Rechts: mehrere übergroße Ecstasy-Tabletten aus Keramik in Sägespähnen.
Lena Schramm: Das Männchen. Öl auf Leinwand, 87,5 x 62,5 cm, 2021. Courtesy of the artist and Galerie Kai Erdmann. // Detail-Ansicht Lena Schramm: Kleine Schwemme 31 Keramiktabletten, Späne & Kinderbesen Maße variabel, 2021. Courtesy of the artist and Galerie Kai Erdmann.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Ich mich selbst, wenn ich brutal miese Laune habe oder mich dabei ertappe, ein Pfauenrad zu schlagen.

Wo hört der Spaß auf?
Im eigenen Sarg, dann ist Schluss mit Witzchen machen.

Am Freitag, den 23. Juli, eröffnet um 19 Uhr Lena Schramms Solo-Show “Weltenausstellung” bei R52L in Berlin. Außerdem sind aktuell Arbeiten von ihr im Rahmen von “FRANKFURTER 4 PLUS 3 GESPRÄCHE” in Frankfurt zu sehen, eine Kooperation der Hamburger Galerie Kai Erdmann und der ortsansässigen Galerie Hanna Bekker vom Rath.

In unserer Interview-Reihe “Gute Laune mit” sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.

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