Gute Laune #12 Sonja Yakovleva
20. April 2022 • Text von Anna Meinecke
Orgiastische Eskapaden in Papier geschnitten – Sonja Yakovleva arbeitet ausgefallene Stimulationsszenarien akribisch ins Großformat. Im Interview erzählt die Künstlerin, warum sie gerade wenig lacht und wieso sie potenzielle Geschlechtspartner lieber auf Vernissagen als auf Tinder sucht.
gallerytalk.net: Was hat dich zuletzt amüsiert?
Sonja Yakovleva: Recht wenig leider. Es gab gar nichts zu lachen, seit mein Herkunftsland die Ukraine überfallen hat. So langsam schält sich die Wahrheit heraus, dass es nicht Putins Krieg ist, sondern zahlreiche Russ:innen das Ganze befürworten. Man findet sich in der frustrierenden Lage wieder, gegen eine Wand zu sprechen, falls man die Zombies umstimmen will. Mir fällt aber ein, dass mich trotz dieser deprimierenden Lage neulich beim sinnlosen Instagrammen die Arbeiten von Dominika Bednarsky amüsiert haben.
Wieso?
Zum einen, weil sie aufzeigen, dass Menschen auch in der Lage sind, schöne Dinge zu tun, und zum anderen, weil die überladenen und gleichzeitig hoch ästhetisch bleibenden Keramiken in ihrer Absurdität ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Mich amüsiert ja deine Arbeit “Trying to figure out who I gonna fuck this week”. So viele Optionen – so wenig Optionen. Verstehe ich das richtig?
Haha ja, so ungefähr. Seit sich durch Corona das Sextummelbecken ins Digitale verlagert hat, sind die Optionen natürlich aufs Zehnfache gestiegen. Zwischen all dem Trash eine Auswahl zu treffen, ohne zu wissen wer sich am Ende daraus materialisiert, ist so eine Mischung aus Ü-Ei und Zirkuszelt.
Wie meinst du das?
Wenn Dir jemand, topmotiviert schreibt, er würde gleich vorbeikommen, müsse aber noch kurz warten, weil er durch den hart gewordenen Beweis der Männlichkeit die Hose nicht zu kriegen würde, stellt sich doch konkret die Frage: Ist es wirklich das, was man sich vorgestellt hat? Vielleicht war es eher ein kurzes Verlangen, eine Sehnsucht, die sich in der Sehnsucht selbst auch wieder auflöst. Aber glücklicherweise gibt es ja wieder Vernissagen – wenn man Eisprung hat oder notgeil ist, dann ist es nicht mehr so belastend, sich auszumalen, wen genau man die Woche flachlegen könnte.
Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Naja, wäre die Kunst nicht von Künstler:innen abhängig, gäbe es wahrscheinlich keine Grenzen. Wenn Humor in der Kunst sichtbar werden will, muss man wahrscheinlich als Künstler:innentyp Clown-Skills mitbringen oder sich das Humorvolle aneignen. Ich habe den Eindruck, dass in der Gegenwartskunst nicht das Alberne, sondern das Coole dominiert. Wahrscheinlich ist eher die Frage, wieviel Humor Künstler:innen bereit sind, in ihren Arbeiten zuzulassen.
Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Alle, die Angst haben etwas falsch zu machen. Kurator:innen, Direktor:innen, Museumswärter:innen, Künstler:innen, Kunstunis, Ausschreibungen – ach, im Grunde ist doch irgendwie alles vom Ernst durchtränkt. Vor allem sind da nach wie vor die ganzen Malerdeppen, die wochenlang versuchen, mit einem Pinselstrich und vermeintlich einzigartigem Gedankenblitz die eigene Pseudo-Genialität zur Diskussion zu stellen.
Wo hört der Spaß auf?
Für mich hört der Spaß bei wannabe-witzigen Naziästhetik-Kunst-Memes auf – oder bei pseudo-schlauen kritisch-lustigen Performances, die um tausend Ecken herum so tun, als würden sie sich mit deutscher Geschichte auseinandersetzen. Irgendwie soll dann alles so Augenzwinker-mäßig und sarkastisch sein. Funktioniert aber null. Die vermeintlichen Kunst-Nazi-Memes sehen am Ende trotzdem so aus, als ob irgendwelche Tattoo-90er-Sonnenbrillen-Berghain-Kids der Naziästhetik und der nicht ausgelebten deutschen Kultur hinterher trauern – als hätten sie sich auf der Suche nach irgendeiner verlorenen Zeit in der Zielsetzung verirrt. Als jemand, der jüdische Wurzeln hat, finde ich das einfach zero lustig und auch gefährlich.
Inwiefern?
Es ist revisionistisch und der Kunst gegenüber armselig. Es bringt auch nichts, dass die Autor:innen in den Memes oder Kunstaktionen die ganze Zeit mit dem Finger auf Christoph Schlingensief oder Jonathan Meese zeigen. Anders als diese Künstler, sind sie selbst nicht in der Lage, etwas komplett Eigenes zustande zu bringen. Die Verwebung von Naziästhetik mit Kitsch, Trash, Performance und einer Verortung in der heutigen Zeit muss so absurd gestört sein, dass Rezipient:innen kurz über das Grausame lachen können und dadurch in die Lage versetzt werden, erneut hinzusehen und sich der Vergangenheit zu stellen.
Am Donnerstag, den 21. April, eröffnet die Einzelausstellung “TANGA TANGA” von Sonja Yakovleva in der Galerie Robert Grunenberg. Sie läuft bis zum 4. Juni.
In unserer Interview-Reihe “Gute Laune mit” sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.
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