Gute Laune #1
Marcel Walldorf

4. Januar 2021 • Text von

Marcel Walldorf ist ein lustiger Typ. Drum ist es nur vernünftig, ihn zu befragen, wenn es um Kunst und Humor gehen soll. Er hat ein Portemonnaie frittiert, den Tierschutz alarmiert und eine sehr gute Katzengeschichte zu erzählen.

Frittiertes Portemonnaie von Marcel Walldorf.
Marcel Walldorf: Porton Bleu, 2020, paniertes und frittiertes Leder-Portemonnaie. Foto @palazzo_photography.

In unserer neuen Interview-Reihe „Gute Laune mit“ sprechen wir mit Künstler*innen, deren Arbeit uns Freude macht, weil sie clever und humorvoll ist – vor allen Dingen nicht so unangenehm egal, wie vieles, dass wir vor Publikum mit wissendem Nicken bedenken und privat zum Gähnen finden.

gallerytalk.net: Was hat dich zuletzt amüsiert?
Marcel Walldorf: Ui, da kann ich mich gar nicht so recht entscheiden, welche der beiden Situationen ich in letzter Zeit lustiger fand. Da wäre zum einen die kleine Anekdote über meinen Nachbarn von oben drüber. Er ist Rentner und lebt alleine mit seinem Kater. Er hatte eine Zeit lang häufigen Besuch einer Dame, die dort regelmäßig verweilte. Seitdem pinkelte ihm nachts im Schlaf der eifersüchtige Kater auf den Kopf. Sie ist dann ins Ausland gezogen und damit hörte auch das Pinkeln auf. Seit Neustem besitzt mein Nachbar ein Tablet und die beiden skypen zusammen. Und auf einmal hat auch das nächtliche Auf-die-Glatze-Pinkeln wieder angefangen. Wer hätte gedacht, dass ihre Stimme, wenn sie aus dem digitalen Endgerät ertönt, solch ein archaisches Protestharnen beim Kater auslöst.

Und die zweite Situation?
Die andere Absurdität, die mich amüsiert hat, war, dass der Vater des toten Hanauer Attentäters der rassistischen Morde vom 19. Februar 2020 die Tatwaffen und die Munition vom Staat gerichtlich zurückfordert.

Frittiertes Portemonnaie von Marcel Walldorf.
Marcel Walldorf: Porton Bleu, 2020, paniertes und frittiertes Leder-Portemonnaie. Foto @palazzo_photography.

Mich amüsiert ja deine Arbeit „Porton Bleu“. Frittieren, was nicht frittiert gehört, ist nach gängiger Imbissbudenlogik sehr, sehr lustig. Außerdem gibt’s den Wortwitz obendrauf. Welche subversive Botschaft ist mir vielleicht entgangen, während ich mich deines Werkes erfreut habe?
Bei dieser Arbeit handelt es sich um ein konventionell paniertes und frittiertes Lederportemonnaie. Ich versuche bei meinen Arbeiten häufig, die Deutungsebenen offenzulassen. Aber die Aussage eines Kunstwerkes lässt sich ja meist beliebig zusammenbasteln und an die Gegebenheiten anpassen. So könnte man darin sehen, dass sich existenzbeweisende Ansammlungen an einem Ort horten und jemandes gesamte Daseinsberechtigung einen Wertverlust erfährt und zu einem fettigen Snack verkommt. Aber auch bei Hungersnot oder Schiffbruch ist Leder eine gern gesehene Mahlzeit. Und am Ende „werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann“, aber ein Portemonnaie schon.

Wie viel Humor verträgt die Kunst?
Ich verhandele in meiner Kunst gerne gesellschaftlich relevante Themen, oft mit Witz und Gewitztheit. Prekäre Alltäglichkeiten lassen sich durch Humor leichtfüßiger transportieren. Der anfänglich vermeintlich plump daherkommende Gag sollte letztendlich immer einen gewissen Tiefgang haben und eine Diskussion eröffnen können. Bei humorvoller Kunst begegnet mir oft eine Art von Homage-Humor, die oft nur Künstler und Kunstkenner verstehen. Das interessiert mich nicht. Mein Witz soll dynamisch bleiben. Ich fange an, ihn zu erzählen, aber die Pointe soll dabei dem Betrachtenden überlassen sein.

Der Künstler Marcel Walldorf in seinem Studio.
Marcel Walldorf. Foto @palazzo_photography.

Wie meinst du das?
Ich mag es, wenn sowohl die RTL2-Couch als auch die ehrfürchtigen Mitglieder des Vereins der Freunde- und Förderer der Kunstakademie meine Kunst verstehen. Damit Kunst nicht nur die eigene Bubble bedient, darf die Kunstwelt sich ruhig stärker humorvoll aufladen. So erschließen sich auch komplexere und vielleicht auch wichtigere Themenwelten. Andernfalls wird nur wie am Fließband viel zu viel belanglose Kunst-für-Künstler-Kunst produziert.

Wer oder was nimmt sich zu ernst?
Viele Sparten des Kulturmilieus und vor allem Künstlerpersönlichkeiten nehmen sich meiner Wahrnehmung nach häufig selbst zu wichtig und zu ernst. Bei dem ganzen Elitarismus und der Selbstbeweihräucherung geht da schon mal die Selbstironie flöten und das spiegelt sich dann auch in der Kunstlandschaft wider. Aber auch viele Kunstkonsumenten nehmen sich zu ernst und werten Dinge mit einem hohen seriösen Anspruch. Da man sich ja heutzutage als Künstler:in intensivst auf sozialen Medien nackig machen soll, deswegen jeden klitzekleinen Arbeitsschritt der Öffentlichkeit präsentiert und fertige Arbeiten so oft schon vor den eigentlichen Ausstellungen zu sehen sind, kommt es aber auch zu heiteren und absurden Situationen durch die Kommentatoren-Community.

Hund in Porzellan von Marcel Walldorf.
Marcel Walldorf: Sankt Bernetto, 2020, ital. Porzellan, präparierter Hund, 95x30x40 cm. Foto @palazzo_photography.

Zum Beispiel?
Zu meiner Arbeit „Sankt Bernetto“ haben sich neulich dutzende querdenkende Tierschutzfanatikerinnen zusammengerottet und zum beshitstormen meiner Accounts aufgerufen, da sie dachten, bei der Arbeit sei ein lebendiger Hund im Porzellan eingebettet worden und darin qualvoll verendet.

Wo hört der Spaß auf?
Gewiss hätten es einige Personen verdient, dass man sich über sie lustig macht. Aber ich ziehe es in meiner Arbeit vor, mich kritisch mit Lebensumständen und Gesamtverhältnissen auseinanderzusetzen. Bis jetzt habe ich noch keine lebenden Einzelpersonen direkt behandelt.

Mehr von Marcel Walldorf gibt es auf seiner Website oder auf Instagram. Und dann hätten wir hier noch großformatig Frittiertes für euch.

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