Best of DC Open Köln 2023 Diese Ausstellungen solltet ihr nicht verpassen
28. August 2023 • Text von Team
Wohin zuerst, wenn alle Ausstellungen gleichzeitig eröffnen? Das Kunstwochenende DC Open wartet mit üppigem Programm in Galerien und Off-Spaces auf. Wir starten mit Köln und empfehlen die Schauen bei Petra Martinetz, Mauer, Nagel Draxler, Mouches Volantes, Falko Alexander, JUBG und Berthold Pott.
Petra Martinetz: Jody Korbach
Ein Sohn aus gutem Hause versucht sich an diesem anderen Leben, wird Clown, wird verlassen, wird ein trauriger Clown, greift zur Flasche. Jody Korbach hat also Heinrich Böll gelesen. Die zentrale Figur seines Romans “Ansichten eines Clowns” steckt im Titel ihrer Ausstellung bei Petra Martinetz: “Hans Schnier spielt nur noch Stadtteil-Feste”. Der Topos des saufenden Unglückskünstlers erweist sich in der Realität eben selten als sonderlich romantisch. Beim Blick in den Spiegel verlangt der Schwäbisch-Hall-Fuchs Selbstverortung. “Sag mir wo du stehst” lautet der Titel der Arbeit. Inmitten von Biermaken, Vor-Wende-Unterhaltung und dem Aufstiegsversprechen Bausparvertrag im konkreten Fall. Die Festzeltgarnitur kann man sich dazudenken.
WANN: Die Ausstellung “Hans Schnier spielt nur noch Stadtteil-Feste” von Jody Korbach eröffnet am Freitag, den 1. September, von 18 bis 22 Uhr. Sie läuft bis zum 13. Oktober.
WO: Martinetz, Moltkestr. 81, 50674 Köln.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Mauer: Christiane Blattmann
Eine Skulptur, die in unterschiedlichen Größenverhältnissen Wiederholung findet, gleicht einem Kleidungsstück ohne Körper. Trotzdem nimmt es eine körperliche Pose ein, ist zugleich mit einem Architekturmodell verbunden. Im Off-Space Mauer versucht Christiane Blattmann Beziehungen und deren mögliche Unausgewogenheiten auszuloten. In der Ausstellung “A New Balance” lösen sich die Grenzen der Disziplinen auf, stellen deren Autonomie auf die Probe. Die gezeigte Skulptur kann auch als Modellskala gelesen werden. Sie macht ein Verhältnis auf, das zu schwanken scheint, ähnlich der Wahrnehmung der vom Kleidungsstück eingenommenen Körperhaltung durch die Besucher*innen.
WANN: Die Ausstellung “A New Balance” eröffnet am Donnerstag, den 31. August, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 8. Oktober.
WO: mauer, Gereonswall 110, 50670 Köln.
Der Tipp kommt von Julia Stellmann.
Nagel Draxler: Alex Wissel
Frei, aber einsam. Wild, aber ungesund. Aus derlei Adjektiven speist sich der Begriff des Künstlergenies. Alex Wissel identifiziert ihn als einenden Aspekt tragischer Schicksale aus seinem Umfeld. Wird der Mythos bis heute gelebt? Welche Vorstellungen von Männlichkeit sind damit verbunden? Und wie fügt er sich in ein neoliberales Verständnis von Erfolg und Scheitern? Solche Fragen stellt Wissel seiner Ausstellung “Andropause” in der Galerie Nagel Draxler voran. Dafür denkt er sich zurück in seine, wie er es nennt, “Rolle als ‘Impressario’ und ‘Manager'” des partizipativen Veranstaltungsraums und Kunstprojekts Single Club der frühen 2010er-Jahre und inszeniert Relikte aus dieser Zeit im Jetzt.
WANN: Die Ausstellung “Andropause” eröffnet am Freitag, den 1. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 27. Oktober.
WO: Galerie Nagel Draxler, Elisenstraße 4-6, 50667 Köln.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Mouches Volantes: Monika Grabuschnigg
Ein Herz schlägt im Ruhezustand etwa 60-mal pro Minute. Vielleicht aber steigt der Puls angesichts zergliederter Kühlschranktüren, die sich im Off-Space Mouches Volantes anlässlich der Ausstellung “60 bpm” befinden. Sie sind Fragmente eines Kühlapparates, der frische Lebensmittel konserviert, sie ein wenig länger vor der Vergänglichkeit bewahrt. Doch jeder Herzschlag rückt sie näher ans Verderben. Der Kühlschrank ist eigentlich vertrautes Gerät aus den eigenen vier Wänden, aber Monika Grabuschniggs Arbeiten aus der Werkserie “Single Fridge” sind ihrer ursprünglichen Funktion enthoben. Augentropfen, Serum-Blister, Tollkirschen fallen ins Auge, lassen Gefahr aus dem alltäglichen Küchengerät blitzen, erzeugen vielleicht sogar ein ambivalentes Unbehagen beim nächsten Blick ins Kühlfach.
WANN: Die Ausstellung “60 bpm” eröffnet am Freitag, den 1. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 30. September.
WO: Mouches Volantes, Ebertplatz Passage 1, 50668 Köln.
Der Tipp kommt von Julia Stellmann.
Falko Alexander: Andy Kassier
Andy Kassier ist vieles gewesen: erfolgreich, reichweitenstark, reich im Allgemeinen, ausgebrannt, achtsam und dabei immer Repräsentation eines Zeitgeists. Da scheint es nur konsequent, dass die fotografische Selbstinszenierung auf Instagram zuletzt KI-generierten Abbildern des vermeintlich Erstrebenswerten gewichen ist. Künstler, Kunstfigur, Avatar hat den Anzug-Job hinter sich gelassen, über den Rand eines Infinitypools geblickt, in Glitzer gebadet, am Kohl geschnüffelt und am Ende der Reise die Identitätskrise am Spiegelbild performt. Jetzt ist er zurück. Vollverchromt mit algorithmisch geglätteter Stirn erstrahlt das vertraute Antlitz in der Galerie Falko Alexander unterm Cowboyhut. Der Titel der Ausstellung ist selbsterklärend: Zeit für “A new Beginning”.
WANN: Die Ausstellung “A new Beginning” von Andy Kassier eröffnet am Freitag, den 1. September. Sie läuft bis zum 14. Oktober.
WO: Falko Alexander, Venloer Straße 24, 50672 Köln.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
JUBG: KAYA (Kerstin Brätsch & Debo Eilers)
Wer ist KAYA? Ein Teenager, eine mittlerweile junge Frau, um welche die Arbeiten von Malerin und Bildhauer kreisen. Ten Azu, der 2013 ein Praktikum in einer Galerie absolvierte und gemeinsam mit Daniel Chew den Text zur Ausstellung “KAYAHÖLLEKÖLLE” bei JUBG verfasst hat, berichtet von den Erfahrungen mit Kaya. Der seit Jahren laufende Versuch von Kerstin Brätsch & Debo Eilers Disziplinen aufzubrechen, bot den beiden Autoren die Inspiration, selbst ein Kollektiv zu gründen und den menschlichen Körper aktiv in die Kunst einzubeziehen. Die Ausstellung kann als Plädoyer für den Zusammenschluss von Künstler*innen zu einem Kollektiv gelesen werden, das durch Mehrstimmigkeit der Kunst ihre Exklusivität zu nehmen vermag.
WANN: Die Ausstellung “KAYAHÖLLEKÖLLE” eröffnet am Freitag, den 1. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 30. September. Bei der Eröffnung findet eine Performance inklusive Versteigerung von Arbeiten der Ausstellung statt.
WO: JUBG, Albertusstrasse 13-17, 50667 Köln.
Der Tipp kommt von Julia Stellmann.
Berthold Pott: Jens Kothe
Nur ein kleines bisschen Haut trennt das menschliche Innen vom weltlichen Außen. Narben und Risse zeugen von Verletzungen, was der Attraktion der Oberfläche keinen Abbruch tut. Jens Kothe überspannt den hölzernen Kern seiner Arbeiten so organisch mit Textil, dass Betrachtende die Kunstwerke, wenn schon nicht berühren, dann doch unbedingt mit den Augen abtasten werden. Sie besitzen die Vertrautheit von Polstermöbeln, den Reiz fremder Körper. Kothes Ausstellung “Fency Bodies” bei Berthold Pott legt eine behutsame Annäherung an die Kunst nahe – als sei sie tatsächlich lebendig.
WANN: Die Ausstellung “Fency Bodies” von Jens Kothe eröffnet am Freitag, den 1. September, um 19 Uhr. Sie läuft bis zum 11. Oktober.
WO: Berthold Pott, Widdersdorfer Str. 185, 50825 Köln.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Das gesamte Programm zu DC Open gibt es online.
Transparenzhinweis: Julia Stellmann hat die Texte zu den Ausstellungen bei Berthold Pott und Falko Alexander geschrieben. Die Ausstellung bei Mouches Volantes hat Anna Meinecke kuratiert.