Enorme Verformungen "SQUISH" in der Efremidis Gallery
25. Februar 2020 • Text von Julia Meyer-Brehm
Die Gruppenausstellung „SQUISH“ in der Efremidis Gallery zeigt Lautmalerei in Form von Kunstwerken. Arbeiten von Teresa Solar, Jens Kothe, Lindsay Lawson, Carlotta Bailly-Borg und Christiane Blattmann evozieren Assoziationen zu Organischem, Matsch und Wackelpudding. Am Ende möchte man jemanden drücken.
„Squishable“, das sind quetschbare Objekte, gummiartige Gebilde und sonstiger Wabbel. Marshmallows zum Beispiel sind „squishy“, ein feuchter Händedruck oder das schmatzende Geräusch beim Stapfen durch Morast. Das Wort „Squish“ ist so lautmalerisch, dass es Assoziationen auslöst, die mal angenehm, mal dubios befriedigend und manchmal auch ein bisschen eklig sind. Diese Mehrdeutigkeit veranschaulichen die Werke durch materielle und formale Annäherung. Gleichzeitig provozieren sie unser Bedürfnis, Dinge zu drücken, zu verformen und haptisch wahrzunehmen.
Die Besucher*innen von “SQUISH” werden im Eingangsbereich der Efremidis Gallery von Teresa Solars Arbeit „Everything is OK“ begrüßt. Ein keramischer Darm, dessen glänzende Oberfläche nass und lebendig erscheint, schlängelt sich durch den Raum. Einem zerteilten Wurm ähnlich, liegen einzelne Stücke des Gebildes auf dem Boden verstreut. Die an dieser Stelle produzierte Vorstellung von organischer Körperlichkeit überträgt sich von hier aus auf die gesamte Ausstellung, man sucht nahezu nach ihr. So regen die daneben lehnenden Formen zum Nachdenken an: Handelt es sich um eine Niere? Einen Lungenflügel?
Im schummrigen Licht von Lindsay Lawsons Stillleben lassen sich nur mit Mühe die obskur beleuchteten Objekte erahnen. Auf der Suche nach allumfassender „Squishyness“ erkennt man eine Muschel, einen runden Po und eine flauschige Farbrolle. Das mit Beinen versehene Wasserbecken „Interior Sphinx“ scheint wie ein Tier vor uns davonzulaufen. Aus der Zigarette auf seiner Oberfläche sprudelt Wasser, dessen Gurgeln und Plätschern die Atmosphäre der Galerie stimmungsvoll untermalt – ein weiteres Indiz für die implizierte Lebendigkeit der Objekte.
Jens Kothes Wandobjekte erinnern an elastische Polstermöbel, federnde Matratzen und speckige Membran. Die glänzenden Partien, die wie Wunden aus der Betonbank „O.T. bench III“ klaffen, sehen gleichsam appetitlich und verstörend aus. Wie ausgestellte Wurstwaren scheinen sie aus der Form zu quellen. Unbehagen und Neugier stellen sich gleichermaßen ein und es bleibt ungewiss, ob wir die voluminöse Fleischigkeit wirklich anziehend finden dürfen.
Mittlerweile scheint der gesamte Raum zu atmen, sich unmerklich zu verformen und zu bewegen. Die gedehnten Körper und verzerrten Gesichter in Carlotta Bailly-Borgs Malerei und Objekten lassen sich am eigenen Leib wahrnehmen, Schmerz und Berührung kommen einem nahezu real vor. Um Letztere geht es hier viel: Die Objekte, so scheint es, müssen angefasst und gedrückt, die Texturen auf der Haut gespürt werden. So auch Christiane Blattmanns Wandskulpturen, deren Flechttechniken und lose Stränge haptisch wahrgenommen und mit den Fingern umspielt werden wollen. Mit biegsamen Materialien wie Rattan und Jute knüpft die Künstlerin filigrane Strukturen, deren Fasern sich zu verselbständigen scheinen.
Insgesamt sind die Objekte so lebendig, dass es erstaunt, dass sie nicht atmen oder ihren eigenen Duft verströmen. Nur schwer lässt sich der innere Drang unterdrücken, sich tastend von ihrer Starrheit zu überzeugen oder eigenhändig umzuformen. Ob das ein kindlicher Spieltrieb oder eine geheime, sexuelle Obsession ist, bleibt vage Vermutung. Am Ende steht einem jedoch der Sinn nach einer festen Umarmung oder einer Portion Pudding.
WANN: Die Ausstellung „SQUISH“ läuft noch bis zum 18. April 2020.
WO: Efremidis Gallery, Ernst-Reuter-Platz 2, 10587 Berlin.
Mehr Lesestoff? Bei uns ist bereits ein Interview mit der Künstlerin Lindsay Lawson erschienen.