Arrangierte Vieldeutigkeiten
Stefanie Popp in der Galerie Norbert Arns

19. März 2024 • Text von

Stefanie Popps Frauenfiguren muten vertraut, doch fantastisch-bizarr an in ihrer Symbiose mit Fröschen, Schlangen, Schnecken oder Katzen. Sie geben sich einem Bedeutungsspiel hin, das in seinem Layering von reichen Symbolwelten und schillernden Gesten geprägt ist, als Projektionsfläche aber stets Autarkie bewahrt. (Text: Julia Martel)

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Stefanie Popp: Hierophant (Snahhan), 2023, 58 x 52 cm, Öl auf Leinwand. Foto: Julia Martel.

Vertraut doch bizarr wirken die weiblichen Körper und Tierdarstellungen in Stefanie Popps illusorischen Bilderrausch. In ihrer Ausstellung „Popp’s Palinopsia“in der Galerie Norbert Arns spielt die Künstlerin mit Symbolwelten aus Christentum, Mystik und Mythologie, die auf Comic-hafte Gestalten sowie popkulturelle Gesten und Bilder treffen. Im reichen Spiel mit Bedeutungen und in ihrer sinnlichen Präsenz bewahren die Bilder jedoch eine kühle Distanz und autarkische Momente.

Die titelgebenden Palinopsien gelten als Sinnestäuschungen im Gesichtsfeld, die unvermittelt auftreten können und einer unwillkürlichen Erinnerung gleichen. Sie umfassen ein besonderes Wahrnehmungsphänomen der Nachbilder und können durch Hirnanomalien, Migräne, Antidepressiva oder Psychodrogen wie LSD ausgelöst werden. Dieses wiederholte Sehen, so die wörtliche Übersetzung, liegt einer Verzögerung zugrunde, bei der visuelle Objekte, die vor Sekunden oder einiger Zeit wahrgenommen wurden, als Bild oder Detail wieder in die aktuelle Wahrnehmung eintreten und als augenscheinlich vorhanden erscheinen.

Wie im Titel „Popp’s Palinopsia“ angedeutet, kennzeichnet die Ausstellung eine Überlagerung von Bildern und Bedeutungen. Im Spiel des Konjunktivs trägt diese Virtuelles in ein reales Bild mit ein, hält es als physisch Reales präsent und verweist so auf andere Realitäten, die die Wirklichkeit durchziehen.

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Stefanie Popp, Mystagoge (Fröschelchen), 2022, 58 x 52 cm, Öl auf Leinwand. Foto: Julia Martel. // Stefanie Popp, Autoscopic Love Buzz, 2024, 58 x 52 cm, Öl und Graphit auf Leinwand. Foto: Julia Martel.

Die Arbeit “Mystagoge (Fröschelchen)” eröffnet die achteilige, gleichformatige Bilderserie, die von zwei Reliefs aus Porenbeton ergänzt wird. Aus dem Mystagogen wird bei Popp die Hohepriesterin mit Heiligenschein, aus dem Schlangenträger Ophiuchus eine Schlangenbeschwörerin. Auch das Blau indischer Gottheiten, die das Gift der Welt geschluckt haben und deren Farbe männliche Attribute wie Mut, Tapferkeit und Kraft symbolisiert, findet sich hier auf den weiblichen Körper appliziert.

Stefanie Popps Spiel mit Körperlichkeit und Sinnlichkeit vermittelt Nähe und Vertrautheit, bleibt aber stets hermetisch in der allegorischen Anmutung. Verstärkt wird das auch über die kryptische Titelgebung, die zugleich mit Diminutiv-Formen die spielerische Verniedlichung als souveräne Geste inszeniert.

Durch Komposition und Format im Halbporträt provozieren die Bilder einen frontalen Blick und mit ihm eine Spiegelhaftigkeit – daran lässt nicht zuletzt auch die immer gleiche Positionierung der Figuren und ihrer Slipkante denken. Die Arbeiten stellen Selbst-inszenierungen eines Bewusstseins dar, das sich hinter einer nicht zu entschlüsselnden Rätselhaftigkeit verbirgt und als Projektionsfläche zum Vexierspiel anregt.

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Ausstellungsansicht “Popp’s Palinopsia” in der Galerie Norbert Arns, Köln, 2024. Foto: Norbert Arns.

Auf der Flucht vor Ikonisierungen präsentieren sich Popps Arbeiten stets augenzwinkernd und reflektiert. Sie behalten ihr autarkisches Moment in dem emanzipiert künstlerischen Schöpfungsmythos, den sie gezielt zur Schau stellen.

Wiederkehrende Minislips mit Animalprint oder „Bunny“-Aufschrift zieren die weiblichen Körper in den hybriden Mensch-Tier-Darstellungen. Froschschenkelhalter, Cobra- und Schneckenhaus-BHs oder auch eine die Betrachter*innen verlachende Mimik eines Kätzchens werden zu Körper oder Gesicht verdeckenden und auch ausdrucksstiftenden Gesten. Tierische Augenpaare, teils auch multipliziert, übernehmen dabei die Funktion des Sehens.

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Stefanie Popp, Aufhocker, 2023, 58 x 52 cm, Öl auf Leinwand. Foto: Julia Martel. // Stefanie Popp, Tripudium (Bunny), 2023, 58 x 52 cm, Öl auf Leinwand. Foto: Julia Martel.

Macht demonstrierende Schlangenstäbe winden sich entlang weiblicher Körperfiguren und dekonstruieren die Phallussymbolik. Katzen schmiegen sich um Häupter und morphen zur Haartracht ebenso wie die halluzinogenen Substanzen magischer Frösche in ätherischem Rosa. Der emanzipierte Schöpfungsprozess hält sich bewusst im Bild, posiert über Victory-, Peace- und Hasenohr-Zeichen und erlaubt Anspielungen auf Häschen und Höschen, heilige Katzen oder omnipräsenten Cat-Content.

Die reichen Verweise dieses Bilderrausches scheinen in ihrem Layering kaum dechiffrierbar – und wenn doch, so verbleiben Betrachtende dennoch im Unklaren, ob die Chiffren und Anspielungen inhaltlich oder formal-ästhetisch motiviert sind. Wiederholt finden sich Rundungen zitiert, die sich nicht nur in Körperpartien von Schulterbögen bis Haartracht niederschlagen, sondern auch in den gebogenen Schlangenformen fortgeführt werden – und wie bei “Ghosts of Good Intention (Darksnake)” zu sehen, ihr Echo in einem Croissant finden. 

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Stefanie Popp, Ghosts of Good Intention (Darksnake), 2022, 58 x 52 cm, Öl auf Leinwand. Foto: Julia Martel

Dem Reichtum schillernder Symboliken und Motive setzt Popp jedoch eine kühl geordnete Distanz in der symmetrischen Bildkomposition gegenüber, die den Bilderrausch arrangiert. Diese Symmetrien wecken zuweilen Erinnerungen an die surrealen Filmbilder eines Alejandro Jodorowsky.

In Popps collagenhafte Bilder trägt sich über auffällig symmetrisch komponierte Bildanordnungen, konturierte Figuren und Malpartien oder freie Stellen der bloßen Leinwand eine Distanziertheit ein, die insbesondere die sinnlichen Darstellungen kontrastiert. Wenngleich die klaren Konturen den Figurenensembles eine sichere Haftung im Bildraum verleihen, wirken sie dennoch nicht weniger enthoben und bleiben losgelöst von der Realität.

WO: Die Ausstellung “Popp’s Palinopsia” ist noch bis Freitag, den 29. März, zu sehen.
WANN: Galerie Norbert Arns, Lindenstraße 19, 50674 Köln.

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