Bin ich schön genug?
Gretchen Andrew in der Galerie Falko Alexander

12. Mai 2022 • Text von

In der pastellfarbenen Scheinwelt von Instagram-Werbeanzeigen stellen schöne Menschen schöne Dinge vor. Mit süßen Worten suggerieren sie eine vermeintliche Notwendigkeit der präsentierten Produkte, vermitteln das Gefühl, niemals genug zu sein. Gretchen Andrew stellt sich dieser Logik entgegen, platziert ihre eigene Botschaft suchmaschinenoptimiert in den Tiefen des personalisierten Internets. Ihre Kernaussage aber ist so ganz anders, so gänzlich ungewohnt in Zeiten des schier endlosen Konsums. In der Kölner Galerie Falko Alexander lautet sie: “I already have everything I need to be beautiful”.

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

Künstliche Blumen, die üppig aus pastellfarbenem Bildgrund wuchern. Blüten, deren Blätter sich als kleine Kissen aus der Leinwand winden. Der Blumensträuße Stiele in hohe, schmale Vasen eingepfercht. Leuchtende, durchscheinende Farben sind es, die in der Galerie Falko Alexander gemalte Kosmetik zeigen und aus der Wimperntusche dreidimensional eine hübsche, gelbe Rose erwächst. Auch Körper sind zu sehen, ohne Gesicht, aber in modische, wohlproportionierte Kleidung eingehüllt. Um ein tailliertes Kleid schlingen sich Bänder einer Schleife, sind vorn ganz haptisch nun gebunden, legen sich über das gemalte Bild bis sie über es hinauslaufen und sich vor der weißen Wand verlieren. Sorgsam lackierte Nägel an gepflegten Händen tragen goldene Ringe, die Armbanduhr in zeitlosem Design umfasst das schmale Handgelenk. Schwungvoll umschmeicheln breite Pinselstriche all die schönen Dinge, die das Leben so zu bieten hat. In hübschen Kleidern stecken wohlgefällige Körper, wohlgefällige Objekte schmeicheln dem Auge auf dem in Szene gesetzten Kosmetiktisch.

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

Es sind Bilder wie aus Instagram oder Facebook entnommen. Bilder einer stillen, bunt gedämpften und sorgenfernen Welt. Im wahrsten Sinne Stillleben, die übergroße Kommodenutensilien zeigen mit Wimperntusche, die in ihrer Größe Blumenvasen gleicht. Goldene Uhren, Ringe, Schleifen, alles wohl drapiert, fürs Foto säuberlich herausgeputzt. Neben gemalten prangen echte Gegenstände, weisen die Plastik-Blumen das Gezeigte als Scheinwelt aus, in der nichts als die Produkte in der arrangierten Bildästhetik wirklich sind. Und tatsächlich ploppt ein Fenster auf, als hätten neugierige Fingerspitzen das verlockend bunte Bild berührt. Dort findet sich in kleinen Blasen – als würden es die stummen Dinge sagen – der Titel dieses Werks, der Serie, wiederholt sich in geschwungenen Lettern erneut im nächsten Bild: “i already have everything i need to be beautiful” und “i already have everything i need”.

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

Das hört man nicht sehr oft in diesen Tagen. Ganz im Gegenteil. Die Werbung verspricht uns, immer schöner, immer besser sein zu können, als sei es irgendwie auch unsere Pflicht. Auf Instagram werden diese schönen Menschen mit noch schöneren Dingen ungewollt in die eigene Timeline gespült, mit Verlockungen, die sie vertrauensvoll ans Herz uns legen, mit süßen Worten untermalt. Bis all die Mode und Kosmetik nicht mehr reicht, vor allem bei jungen Menschen die Nachfrage nach Schönheitsoperationen in den letzten Jahren weiter steigt. Selfie-Dysmorphie beschreibt den Zustand, sein echtes Aussehen als hässlich, gar entstellt zu empfinden und den Willen, das eigene Ich zum mit Filtern veränderten Abbild zu “optimieren”. 

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

“Ich hab bereits alles, um schön zu sein” ist somit Balsam für die Seele, eine willkommene Abwechslung, Urlaub vom nie endenden wollenden Streben nach Selbstverbesserung. Gut für die Seele ist auch gut für die Umwelt, schränkt es doch das fast manische Konsumverhalten westlicher Gesellschaften ein. Wenn ich alles besitze, das ich brauche, bin ich gegen kapitalistische Auswüchse wie Fast Fashion und all die angepriesenen, zumeist völlig nutzlosen Tinkturen der Kosmetikindustrie immun. Wenn sogar Blumen aus den Bildern wachsen, muss doch etwas dran sein an der Botschaft, die es aus den Bildern ruft.

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

Die Einzelausstellung “Everything I need to be beautiful – Affirmation Ads” speist sich aus dem zweiten großen Werkzyklus der amerikanischen Künstlerin Gretchen Andrew. Bekannt für ihre Assemblagen und Vision Boards bedient sich Andrew Mitteln personalisierter Werbung, um ihre Botschaften im Internet zu platzieren. Die gezielte Suchmaschinenoptimierung anhand von Schlüsselwörtern lässt ihre Bilder in bestimmten Suchkontexten mittlerweile schon ganz oben rangieren. Unter Suchbegriffen wie “Cover of Art Forum” oder “The next American President” werden bei Suchmaschinen wie Google überraschend Andrews Bilder empfohlen als erste Wahl.

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

Wer kennt es nicht? Das Gefühl, wenn einen Produkte verfolgen. Wenn der Mauszeiger sich minder absichtsvoll oder doch nicht ganz versehentlich auf einen Link, auf ein Bild, verirrt und es einem daraufhin bis in die Weiten oder Tiefen des Internets an den Fersen hängt. Personalisierte Werbung nennt sich das Phänomen, welches das Verhalten potenziell Konsumierender analysiert und mittels ausgeklügelter Weiterleitungs-Systeme, sog. Funnels, zum Kaufabschluss drängt. Die technisch versierte Künstlerin macht sich über ihren eigenen Online-Shop der für diese Art der Verfolgung verantwortlichen Tracking-Codes zunutze, bekämpft große Tech-Konzerne mittels ihrer eigenen Logik von innen heraus. Sobald Interessierte die in der Ausstellung präsentierten Bilder in den digitalen Warenkorb legen, werden sie von eben jenen durch das gesamte personalisierte Internet verfolgt. Nicht aber etwas kaufen sollen die Anvisierten, sondern Andrew versucht, mit ihren oben genannten Botschaften gezielt vom Gegenteil zu überzeugen.

Ausstellungsansicht Gretchen Andrew, “Everything I need to be beautiful –Affirmation Ads”, Galerie Falko Alexander, 2022.

Gretchen Andrew gibt uns mit ihren Arbeiten ein Stück weit Selbstbestimmtheit zurück. Wenn wir eigenhändig entscheiden können, welche Art der Botschaften uns immerzu im virtuellen Raum umgeben. Denn auch, wenn vielen Menschen wohl bewusst ist, wie schädlich sich Social Media auf die eigene mentale Gesundheit sowie das Konsumverhalten auswirken kann, beeinflusst es doch unterbewusst eine jede und einen jeden von uns. Andrews Werke ahmen Vorlagen aus der bunten Welt der Werbeästhetik auf Social Media nach, zeigen den schönen Schein und verkehren ihn gleichsam durch technisches Know-How in seiner Funktionsweise von innen heraus ins Gegenteil.

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Samstag, den 11. Juni.
WOGalerie Falko Alexander, Venloer Str. 24, 50672 Köln.

Wenn ihr mehr über Gretchen Andrew erfahren wollt, findet ihr hier ein Interview, das Anna Meinecke vor einem Jahr anlässlich einer Solo-Ausstellung in der Londoner Galerie Annka Kultys mit der Künstlerin führte.

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