Künstlicher Künstler
Ben Elliot bei Flat Markus

9. Oktober 2023 • Text von

Ben Elliot zeigt sich in seinen Fotografien als Avatar. Es handelt sich um Selbstporträts, zu sehen ist jedoch ein künstlicher Körper. Auch die Gemälde des französischen Künstlers basieren auf einer computergenerierten Formensprache. Sie sind digital und analog zugleich, computergeneriert und selbstgemacht in einem. Die bei dem Zürcher Art Space Flat Markus ausgestellten Arbeiten hinterfragen künstlerische Autorschaft und setzen sich mit sozioökonomischen Phänomenen zeitgenössischer Bildkultur auseinander.

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Ben Elliot: Avatar, 2020-ongoing. Installation view Flat Markus. Courtesy by Ben Elliot, Flat Markus and Felix Jungo.

Ein junger Mann liegt auf einer Wiese. Seine Augen sind geschlossen. Er scheint einem Tagtraum nachzuhängen. Der auf seinem T-Shirt gedruckte Slogan „Anti Social Social Club“ beschreibt ihn als introvertierten „Digital Native“. Als bevorzugtes Mittel der Kommunikation liegt sein Smartphone in unmittelbarer Nähe.

Auf den ersten Blick erscheint das Porträt wie eine Fotografie, doch etwas an dem abgebildeten Körper ist seltsam. Seine Haut ist ungewöhnlich glatt, die Schatten darauf zu weich und der Kontrast zum Umraum zu groß. Es handelt sich nicht um die Fotografie eines realen Körpers, sondern um das bearbeitete Bild eines daraus generierten Avatars. Ben Elliot benennt seine Werkserie, der die beschriebene Arbeit angehört, entsprechend „Avatar“.

Ein Avatar ist eine virtuelle Figur mit anthropomorphem Aussehen, die eine*n Internetnutzer*in im digitalen Raum repräsentiert. Durch die computergenerierte Übersetzung eines physischen Körpers in einen grafischen entsteht eine optische Identifikationsfigur, die sich im virtuellen Raum bewegen und kommunizieren kann. Sie fungiert als Stellvertreter.

Ben Elliot nutzt diesen virtuellen Stellvertreter nicht nur in den Sozialen Medien, sondern auch in seinen Bildwerken. Die Übergänge zwischen Internetpräsenz, Eigenmarketing und Kunstproduktion sind fließend. Als Vorlagen der bei Flat Markus ausgestellten Arbeiten nutzt Elliot fotografische Selbstporträts, die er in der Manier eines sogenannten „Selfies“ anfertigt. Elliots Avatar zeigt sich im Kapuzenpullover zuhause oder mit Sportkleidung im Grünen. Das Smartphone, das zugleich die Kamera und das Mittel zur Bildbearbeitung bereitstellt, wird dabei ebenfalls sichtbar. Es wirft einen Schatten auf ein weißes T-Shirt oder liegt neben ihm im Gras.

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Ben Elliot: Perfect Painting (Grey, White) 2022. Print, Acrylic Paint, 170 x 140 cm. Courtesy by Ben Elliot, Flat Markus and Felix Jungo.

Selfies sind Mittel der Selbstinszenierung. Sie zeigen einen Moment der bewussten Eigenrepräsentation, in dem zumeist zahlreiche nacheinander geschossene Aufnahmen entstehen. Diese werden ausgewählt, bearbeitet, mit einem Filter versehen und über die Sozialen Medien geteilt. Die Künstlichkeit dieser Bildkreationen überträgt sich in Elliots Fotografien auf die gezeigten Körper selbst. Ihre Oberflächen sind weichgezeichnet, ihre Volumina wirken seltsam irreal und synthetisch, ja fast unheimlich – Prädikate, die sich auf die Verzerrung von Realität durch Mittel der digitalen Bildbearbeitung übertragen lassen.

Die Präsentation einer geschönten Optik erreicht in Phänomenen wie etwa dem Influencer Marketing eine sozioökonomische Dimension. Für Elliot handelt es sich um eine wichtige Einflussgröße, die er auch im Kunstmarkt verortet. Mit der Gemäldereihe „Perfect Paintings“ setzt er sich mit der Überlappung digitaler und realer Ausstellungsräume auseinander. 

Alle Bilder der Reihe sind computergeneriert. Erzeugt hat sie ein Algorithmus auf der Basis von Informationen über die erfolgreichsten Kunstverkäufe der letzten Jahre. Elliot druckte die entstandenen Grafiken auf Leinwände und bearbeitete sie mit Pinsel und Farbe nach.

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Ben Elliot: Perfect Painting (Black, Grey) 2023. Print, Acrylic Paint, 33 x 28 cm. Courtesy by Ben Elliot, Flat Markus and Felix Jungo.

„Perfect Painting (Grey, White)“ ist ein großformatiges Gemälde von 170 x 140 cm, das an eine bewegte Wasseroberfläche erinnert. Das Motiv ist ästhetisch ansprechend, neutral, minimalistisch. „Perfect Painting (Black, Grey)“ weckt Assoziationen zur fotografischen Nahaufnahme eines mechanischen Objekts. Die hellgrauen und schwarzen Farbflächen erzeugen den Eindruck einer metallisch spiegelnden Oberfläche. Der Farbauftrag des Gemäldes ist pastos. Elliots Pinselstriche sind sichtbar.

Elliot referiert mit seinen Arbeiten immer wieder auf digitale Technologien und die Mechanismen ihrer Verbreitung. Doch es ist keine reine Konzeptkunst, die Elliot bei Flat Markus zeigt. Er schafft reale Objekte, die sich entweder in ihrer Motivik oder ihrer Machart mit den Möglichkeiten künstlicher Bildgenerierung, digitaler Bildkultur und virtuellen Marktmechanismen auseinandersetzen. Elliot zeigt sich als Avatar. Seine Fotografien und Gemälde bezeugen allerdings auch eine händische Machart der Kunstproduktion dieses vermeintlich künstlichen Künstlers.

WANN: Die Ausstellung „Ben Elliot“ läuft bis Samstag, den 28. Oktober.
WO: Flat Markus, Seestrasse 42, 8802 Kilchberg/Zürich.

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