Perlenschnüre wie Jugendjahre Maggie Lee in der Kunsthalle Zürich
22. Februar 2024 • Text von Anja Grossmann
Mit “Magazine” zeigt die Kunsthalle Zürich eine Einzelausstellung von Maggie Lee. Die amerikanische Künstlerin bespielt den Ausstellungsraum multimedial. An den Wänden finden sich Zeichnungen, Graffiti und collagierte Leinwandarbeiten; im Raum verteilt sind mehrere Installationen und eine Videoarbeit ausgestellt. In der Zusammenschau von insgesamt 36 Arbeiten wird ein vielteiliges Magazin erfahrbar – ein Konzept, das sich schon lange durch Lees künstlerische Arbeit zieht.
Ein Magazin lagert, ordnet, archiviert oder publiziert. Dies alles sind künstlerische Praktiken von Maggie Lee. Der Titel ihrer Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich “Magazine” ist ein Spiel mit dem Namen der Künstlerin Maggie, zugleich bezeichnet es ein Magazin.
Die amerikanische Künstlerin fertigt ihre Collagen, Installationen, Videos und Klangarbeiten nach der Technik des Magazinierens. Assoziatives Arrangieren, Bekleben, Bekritzeln, Kopieren und Verbreiten von Bildern und Text sind Teil davon. Bereits als Teenagerin fertigte Lee eigene Zines. Seit 2005 bloggt sie, unter anderem auf Blogspot unter dem Pseudonym suede87.
Die Schau in der Kunsthalle Zürich möchte den Worten des Kurators Otto Bonnen zufolge „wie eine begehbare Version dieses geträumten Magazins“ von Lee gelesen werden. Im abgedunkelten Ausstellungsraum werden 36 Arbeiten gezeigt. Die Titel, die Lee ihren Werken gibt, lesen sich dabei wie Popsongs: “Sleep Talking”, “Disco Batz”, “Hey Baby” oder “Moments like this” vermitteln eine träumerische Atmosphäre, die sich durch die gesamte Ausstellung zieht.
Vier Plastikperlenvorhänge in bunten Farben hängen von der Decke und unterteilen den offenen Ausstellungsraum wie transparente Raumtrenner. Tische, mehrere Steh- und Schreibtischlampen werden gezeigt. Ein Videorekorder und bunte Glühbirnen liegen am Boden. Ein Fledermausmobile schwingt an der Decke.
Beim Begehen des Raums sind mehrere Soundinstallationen aus verschiedenen Richtungen zu hören. Hinzu kommt die großformatig präsentierte Videoarbeit “Pink Horror“. Es handelt sich um einen psychologischen Thriller, der sich der Ästhetik von Indie- und Alternative-Filmen bedient. Das Video wirkt wie eine Coming-of-Age-Story, die zunächst ein vermeintlich romantisches Date zwei junger Menschen zeigt. Letztlich führt die Geschichte jedoch in ihr dunkles Unterbewusstsein, verkörpert von einem verschneiten Wald bei Nacht.
Ist der von Lee gestaltete Raum selbst als eine in Dunkel getauchte Spiegelung unterbewusster Wünsche und Impulse zu begreifen? Eindeutige Bezüge zwischen dem Film und den ausgestellten Gegenständen und Requisiten lassen sich nicht herstellen. Viel eher scheint die improvisierte Machart, beziehungsweise eine Ästhetik des Selbstgemachten für Lee im Zentrum der gezeigten Arbeiten zu stehen.
Die mit Lichtkegeln beleuchteten Wandarbeiten lassen Magazinseiten assoziieren. Zu sehen sind mit Farbe und Glitzerkleber bemalte Leinwände. Darauf hat Lee Textausschnitte, Fotografien, Sticker, Mandalas und Stoffreste collagiert. An die Wände hat sie einzelne Worte und pinke Sterne gekritzelt. Die Fenster des Ausstellungsraums sind mit Graffiti-Sprayfarbe verdunkelt.
In der Mitte des Raums steht ein Schreibtisch, an dem das imaginierte Heft zu entstehen scheint. Eine helle Schreibtischlampe beleuchtet die darauf verteilten Utensilien: Brille, Stift, Papier und Tacker, Aschenbecher mit Zigarettenstummeln neben einer Pistole. Die Szenerie wirkt wie dem Set eines Film noir der 60er Jahre entnommen. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Waffe als Feuerzeug, die bedrohliche Szenerie damit als Attrappe.
Lees Arbeiten wirken verträumt, nostalgisch, selbstgemacht. Sie vermittelt den Eindruck des imaginierten Zimmers eines*r Heranwachsenden, in dem sich eigene Erinnerungen, Bilder konsumierter Medien, Melancholie und romantische Zukunftsvisionen zu einem kreativen Sammelsurium fügen. „All of my work is diaristic“, hat Lee einmal in einem Interview mit Artforum erzählt – „meine Arbeiten sind alle mit dem Tagebuchschreiben vergleichbar“. Die Ausstellung „Magazine“ zeigt Erinnerungen von Lee, die die Besuchenden nicht direkt greifen können. Ihr Ausstellung gewordenes Magazin vermittelt einen Prozess von Selbstfindung und kreativem Ausdruck.
WANN: Die Ausstellung „Magazine“ ist noch zu sehen bis Montag, den 20. Mai.
WO: Kunsthalle Zürich, Limmatstrasse 270, 8005 Zürich.