Plakative Körperbilder Plakate und Objekte der Alltagskultur im Museum für Gestaltung
30. Januar 2024 • Text von Anja Grossmann
Plakate sind im öffentlichen Raum vielerorts sichtbar. Die zu Werbezwecken produzierten Bilder sollen ihre Botschaften auf einen Blick vermitteln, um zum Konsum der damit beworbenen Produkte anzuregen. Immer wieder kommen dabei Bilder von menschlichen Körpern zum Einsatz. Welche Körper werden gezeigt? Und auf welche Weise werden diese Körper sichtbar? Mit “Talking Bodies. Körperbilder im Plakat” zeigt das Museum für Gestaltung Zürich eine kulturanalytische Ausstellung, die diesen Fragen nachgeht. Die Präsentation lädt zur Reflexion über Machtstrukturen in und außerhalb des Ausstellungsraums ein.
Bilder von Körpern im öffentlichen Raum wirken als machtvolle Zeichen. Sie prägen Vorstellungen von Schönheit, von Gesundheit und von Geschlecht. Zumeist handelt es sich um ganz bestimmte Körper, die zu Werbezwecken gezeigt werden. Weiße, junge, gesunde, von eindeutig als Frau oder Mann ausgewiesenen Personen werden primär ausgewählt. Nur in wenigen Fällen werden Körper von Peoples of Color, älteren und non-binären Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigung sichtbar. Damit ist das Plakat als ein Raum zu beschreiben, der einschließt und ausgrenzt, der Leitbilder prägt, zu visueller Tabuisierung und Diskriminierung beiträgt.
Bereits im Ausstellungstitel beschreibt die Kuratorin Bettina Richter Körper als “sprechende” Zeichen. Allerdings sind es nicht die Körper selbst, sondern ihr konstruiertes Bild, das normative Körper- und Schönheitsvorstellungen vermittelt. In der Ausstellung werden Machtverhältnisse beschrieben, die sich häufig in Repräsentationsmechanismen von Medienkulturen wie im Plakat manifestieren.
In der Ausstellung „Talking Bodies“ werden sechs Kategorien entworfen, um das reiche Bildmaterial zu ordnen: “Normierte Körper”, “Male Gaze“, Männlichkeiten“, “Black Bodies Matter”, “Diversity” und “Unschuldsvermutung”. Dazu gezeigt und beschrieben werden nicht nur zahlreiche Plakate, sondern auch Werbespots, Objekte der Alltagskultur, historische Bilder und zeitgenössische Kunst. Die Ausstellung funktioniert wie eine Mindmap, in der sich interessante Verknüpfungen und Querverweise auftun.
Die Ausstellungsarchitektur ist größtenteils aus Gitterwänden gebaut. Darauf sind häufig mehrere Plakate gleichzeitig visuell zu erfassen. Diese Präsentationsform scheint angelehnt an die sich überlagernde Sichtbarkeit von Plakaten im öffentlichen Raum. Auf einer Gitterwand gezeigt werden zum Beispiel die Werbung für eine Onlineboutique, ein historisches Plakat aus dem 19. Jahrhundert, eine Modefotografie der Marke Sisley, eine Werbung für Imperial Airways aus dem 20. Jahrhundert und ein Plakat der kunstfeministischen Aktivist*innen Guerrilla Girls.
Allein diese spezifische Plakatauswahl zeigt insgesamt neun Körper: Einen Mann in Lederjacke und mit freiem Oberkörper sowie eine junge Frau, die mit gespreizten Beinen hinter ihm sitzt. Daneben zu sehen ist ein übergewichtiges Mädchen und zwei kleiner dargestellte Frauen, die sie erstaunt betrachten. Dem Plakattext zufolge handelt es sich um die fünfzehnjährige Herta, die im Kontext einer sogenannten “Menschenschau” ausgestellt wurde. Auf der Modefotografie daneben krabbelt eine Frau in kurzem Rock und weit ausgeschnittenem Top über den Boden.
“Imperial Airways” wirbt mit einer möglichst schnellen Reiseroute durch Afrika und präsentiert dabei eine beinahe unbekleidete “Afrikanerin” mit Tonkrug auf dem Kopf und einen kleinen Jungen, der mit einem Tiger spielt. Das Plakat der Guerrilla Girls zeigt einen unbekleideter Frauenkörper mit einer Gorillamaske. Der Text dazu lautet: “Do women have to be naked to get into Music Videos? While 99 % of the guys are dressed?”, also “Müssen Frauen nackt sein, um in Musikvideos zu kommen, während 99 Prozent der Typen bekleidet sind?”. Das Künstlerinnenkollektiv macht damit auf patriarchale Machtstrukturen im Kunstbetrieb aufmerksam.
Die Ausstellung macht Machtstrukturen deutlich, die Körper auswählen, zu kapitalistischen Zwecken ausstellen und markieren. Zumeist handelt es sich um einen weißen, männlichen und heterosexuellen Blick, der weibliche Körper entblößt und Schwarze Körper rassifiziert. Durch das Zeigen dieser Bilder im Ausstellungsraum werden folglich auch sexistische und rassistische Inhalte sichtbar.
Den Ausstellungsmacher*innen ist dies bewusst. Bereits vor dem Betreten der Ausstellung treffen die Besucher*innen auf ein Schild in roten Lettern: “Hinweis. Die Ausstellung lädt zur kritischen Auseinandersetzung mit der Darstellung des Körpers in Geschichte und Gegenwart ein. In diesem Kontext werden auch rassistische, sexistische und in anderer Weise diskriminierende Bilder und Objekte gezeigt.” Ein begleitendes Glossar erläutert problematische Begriffe und Inhalte.
Wiederholt werden diese Inhalte hier dennoch. Eine einzelne Markierung und Kommentierung, etwa extrem rassistischer Darstellungen Schwarzer Körper, findet nicht statt. Der Blick der Besucher*innen wird weder gelenkt noch verstellt, um eine distanzierte Rezeptionshaltung dieser Bilder zu begünstigen. Im Ausstellungstext wird durchaus zu einer kritischen Reflexion der Bilder eingeladen. Dafür wurde jedoch eine Typographie gewählt, die sich nach unten hin verflüchtigt, dünner und blasser wird. Dem Wort wird somit visuelle Bedeutungsmacht entzogen.
“Talking Bodies” zeigt eine Bilderflut, die in ihrer Masse und durch ihre Inhalte für die europäische Medienkultur steht und visuelle Strukturen darin sichtbar macht. Dabei werden auch diskriminierende Inhalte gezeigt, denen eine eindeutige Markierung und Kontextualisierung fehlt. Die Reflexion über plakative Darstellungen von Körpern im öffentlichen Raum findet statt; die Reflexion über Machtstrukturen und Blickführungen im Ausstellungsraum weniger.
Wann: Die Ausstellung “Talking Bodies. Körperbilder im Plakat” läuft bis Sonntag, den 25. Februar.
Wo: Museum für Gestaltung, Ausstellungsstrasse 60, 8005 Zürich.