Weiblicher Humor gegen männliche Dominanz
"Fun Feminism" im Kunstmuseum Basel

7. Oktober 2022 • Text von

Künstlerinnen fehlen in der Sammlung. Das geht den meisten Institutionen so, dem Kunstmuseum Basel auch. Die Ausstellung “Fun Feminism” ist ein Beitrag, der unzureichenden Repräsentation von Frauen in der Kunst entgegenzuwirken. Sie beleuchtet feministische Themen mit Humor. (Text: Sophie Louisa Reischies)

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Kirsi Mikkola. Ausstellungsansicht, Fun Feminism, Kunstmuseum Basel | Gegenwart. Courtesy the artist and Galerie Nagel Draxler Berlin/Cologne/Munich. Photo Credit: Gina Folly.

Die Ausstellung „Fun Feminism“ ist eine feministische Intervention mit „weiblicher“ Kunst: Das Kunstmuseum Basel zeigt 40 künstlerische Positionen von Frauen verschiedener Generationen, von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart. Damit befreien die vier Kuratorinnen die Kunst vom Begriff des „Männlichen“ und die Frauen aus ihrer gewohnten Marginalisierung. Gleichzeitig beweist die Ausstellung, dass Feminismus nicht immer ernst sein muss, sondern Selbstironie und Humor eine Strategie von Künstlerinnen sein kann, mit ihrer Benachteiligung in der Kunstwelt umzugehen.

Besonders anschaulich zeigen die ausgestellten Plakate der Guerilla Girls die Sprengkraft humorvoller Proteste gegen den im Kunstbetrieb herrschenden Sexismus und den damit verbundenen strukturellen Ausschluss von Künstlerinnen. „Do women have to be naked to get into the Met. Museum? Less of 5 % of the arists in the Modern Art Sections are women, but 85 % of the nudes are female.“ So prangerten die Guerilla Girls in den 1980er-Jahren die unfaire Diskrepanz der Geschlechter in Museen an und lösten ein erstes Umdenken in der Ausstellungspraxis aus.

Auch die kritische Durchleuchtung der Sammlung des Kunstmuseums Basel habe ergeben, dass Werke von Künstlerinnen „bis heute untervertreten sind“, heißt es seitens der Institution. Aus dieser Erkenntnis entstand demnach das Bedürfnis, genau diese Ausstellung zu machen.

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Rosemarie Trockel: Ohne Titel, 1987, Siebdruck auf Baumwolltuch; Ed. 2/2, 110 x 285 cm; 116 x 291 x 8 cm Plexihaube. © bei der Künstlerin / the artist & ProLitteris, Zürich, Kunstmuseum Basel, Ankauf mit Mitteln der Petzold-Müller-Stiftung. Photo Credit: Martin P. Bühler.

Die ausgestellten Werke zeigen Talent und „weibliche“ Kreativität in allen Medien: Performance, Video, Malerei, Skulptur und Fotografie. Sie sind frech, bunt, freizügig und humorvoll. Dabei wird unbekannteren Künstlerinnen ebenso Raum eingeräumt wie den feministischen Ikonen der 1970er-Jahre, etwa Rosemarie Trockel, Martha Rosler und Cindy Sherman. Den sehr heterogenen Werken ist gemein, dass sie sich um medial vermittelte Genderstereotypen oder tradierte Geschlechterrollen drehen und diese reflektieren.

Wer durch die Ausstellung läuft, muss schmunzeln, etwa bei „Pickelporno“ von Pipilotti Rist oder Aline Stalders weißer Kletterwand aus nach der Natur geformten Keramikbrüsten in allen Größen und Formen; der Titel des Werks, das Schönheitsideale des weiblichen Körpers thematisiert, enthält die Aufforderung: „Touch me – get high“. Ähnlich viel Humor zeigt das Video-Triptychon „Ciao Bella“ (2001) von Tracey Rose. Die Künstlerin hat ihr Werk in der Form eines letzten Abendmahls arrangiert, selbstironisch tritt sie in vielen Klischeerollen von der Meerjungfrau über die Kuchen essende Marie Antoinette bis hin zum Playboy-Bunny auf.

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Cindy Sherman: Untitled (# 299), 1994, Farbfotografie, Ed. 5/6, Bild: 124.5 x 84 cm; Rahmen: 129 x 87.7 x 6.3 cm. © bei der Künstlerin / the artist, Emanuel Hoffmann-Stiftung, Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung Basel. Photo Credit: Julian Salinas. // Kawita Vatanajyankur: “The Scale”, 2015, HD Video, 2min 2 sec, 2min 2sec. © bei der Künstlerin / the artist Creditline: Courtesy of the artist and Nova Contemporary, Bangkok.

Auch Martha Rosler, die wie in einer Kochsendung den amerikanischen Hausfrauenalltag persifliert, spielt humorvoll mit den über Werbung und Popkultur vermittelten Rollenklischees. Fast schaurig erscheinen dagegen Cindy Shermans modellierte Inszenierungen weiblicher Figuren, die mit einer starken Überzeichnung der Rollen arbeitet, wodurch die Porträtierte depersonalisiert wird.

Diese Mustersammlung parodistischer Werke weiblicher Bilder vermag beim ersten Anblick und Wiedererkennen der Rollen zum Lachen reizen. Aber bei längerer Betrachtung machen die Arbeiten nachdenklich in Anbetracht des Status quo der Frau und ihren Kampf um Sichtbarkeit und Anerkennung, der bis heute andauert.

Auch zeitgenössische Werke wie die Videoarbeit der 1987 geborenen Performancekünstlerin Kawita Vatanajyankur, mit der sie auf den Wert von Haushaltsarbeit – eine klassische Frauendomäne – aufmerksam macht, zeigen ein aktuelles Bedürfnis nach einer Rollenkritik. Der Humor und die Leichtigkeit dieser künstlerischen Positionen lassen beinahe vergessen, dass Judy Chicago, eine der berühmtesten Vertreterinnen feministischer Kunst noch in den 1970er Jahren verkündete: „Frau sein und Künstlerin zu sein bedeutete nichts anderes als Schmerz.“

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Aline Stalder & Nadine Cueni & Katharina Kemmerling & Katrin Niedermeier. Ausstellungsansicht, Fun Feminism, Kunstmuseum Basel | Gegenwart. Photo Credit: Gina Folly.

Humor, so scheint es, ist das beste Mittel kreativer Frauen, diesem Schmerz die Stirn zu bieten und weibliche Selbsterkundung in der Kunst zu betreiben. Gerne schaut man den Künstlerinnen dabei zu.

Neben der Auseinandersetzung mit Rollenklischees zeigt die Ausstellung den weiblichen Blick auf den eigenen Körper und das weibliche Geschlecht. Die Darstellung einer riesigen Vagina von Ebecho Muslimovas Kunstfigur „Fatebe Specere Mural“ umschließt ein Fenster, das den Blick auf den Rhein freigibt. Womöglich eine Hommage an Niki de Saint Phalles monumentale liegende Frauenskulptur „Hon“, die im Moderna Museet in Stockholm über die Vagina betreten und wieder verlassen werden konnte.

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Ebecho Muslimova. Ausstellungsansicht, Fun Feminism, Kunstmuseum Basel | Gegenwart. Photo Credit: Gina Folly.

Auf besondere Weise steht Lynda Benglis ausgestelltes Porträt einer nackten Frau mit Dildo zwischen den Beinen für die Konfliktgeladenheit des weiblichen Körpers. 1974 veröffentlichte das Kunstmagazin „Artforum“ ein Porträt über die Künstlerin, weigerte sich jedoch, Benglis provokantes Aktbild mit dem Artikel abzudrucken. Die Künstlerin bezahlte daraufhin ein Inserat im Anzeigenteil des Magazins und verhalf ihrem Werk somit selbst zur Sichtbarkeit – Skandal inklusive. Das Motiv gilt seither als Ikone feministischer Aktionskunst, welches einen Beitrag zur sexuellen Befreiung der Frau leistete.

„Fun Feminism“ bedient mit seinem Ausstellungsformat einen gegenwärtigen Hype um „weibliche“ Kunst. Jede Kunstinstitution, die derzeit etwas auf sich hält, zeigt die „weibliche“ Perspektive in der Kunst, große Retrospektiven von wiederentdeckten Künstlerinnen oder Gruppenschauen des „weiblichen“ Blicks.

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Lynda Benglis: “Foxtrot”, 1974–1975, Aluminiumdraht, Baumwollgaze, Gips, aufgespritztes Zinn und Zink, 129 x 53 x 38 cm. © ProLitteris, Zürich, Kunstmuseum Basel, Ankauf. Photo Credit: Martin P. Bühler.

Die Werbung mit dem Label Feminismus sendet der Gesellschaft das Signal, Missstände in der Kunstwelt erkannt zu haben und progressiv zu sein. Doch wo Feminismus en vogue scheint, bekommt er den Beigeschmack eines Konsumartikels, der sich gut vermarkten lässt und ein junges, aufgeklärtes Publikum anlockt.

Das Format derartiger Ausstellungen bleibt fragwürdig, denn „weibliche“ Kunst erscheint als Sonderkategorie, da heterogene Arbeiten verschiedenster Medien geschlechtsspezifisch ausgestellt werden. Vielleicht ist es nur eine Modeerscheinung, vielleicht ein Versuch der Museen, ihr Image in der Öffentlichkeit aufzubessern, das durch feministische Interventionen angekratzt wurde.

Dineo Seshee Bopape kunstmuseum basel gallerytalk
Dineo Seshee Bopape: “Flowers of the Revolution”, 2022, Stickers; dimensions variable. Courtesy of the artist & Sfeir-Semler Gallery Beirut/Hamburg.

Doch im besten Fall stehen Ausstellungen wie „Fun Feminism“ für ein echtes Umdenken der Museen, die hoffentlich künftig ihre Sammlungen mit Kunstwerken genialer Frauen aufstocken. Denn nur durch das Sammeln und Zeigen kann Kunst von Frauen endlich aus dem Jenseits des Sichtbaren befreit werden. Ein Besuch der Ausstellung im Kunstmuseum Basel lohnt in jedem Fall, da die ausgewählten Werke wunderbare Beiträge zur Kunst sind und zeigen, was Frauen schon lange denken: „Let’s take back our space“ – und das nicht verbissen, sondern mit viel Humor.

WANN: Die Ausstellung „Fun Feminism“ läuft bis zum 19. März 2023.
WO: Kunstmuseum Basel, St. Alban-Graben 8, CH-4010 Basel.

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