SOLID GOLD #7
Anne Duk Hee Jordan

23. September 2020 • Text von

Zwischen Robotern, einem riesigen pinken Seeschwein aus Stoff, Zeichnungen und kinetischen Skulpturen nimmt uns Anne Duk Hee Jordan mit auf eine Reise durch ihr künstlerisches Schaffen. Die Künstlerin, die am Institut für Raumexperimente in Berlin bei Olafur Eliasson studierte, lässt sich auf kein Genre festlegen. Sie baut maschinelle Skulpturen, züchtet für prozesshafte Installationen im eigenen Garten Pflanzen und spricht in Filmen über Queerness von Meeresbewohner*innen. gallerytalk.net erzählt sie, was das alles mit David Bowie zu tun hat und warum ihre Arbeiten aktuell auf einem Neuköllner Friedhof zu sehen sind.

Künstlerin Anne Duk Hee mit rosafarbenem Plüschobjekt.
Studiovisit bei Anne Duk Hee Jordan, Foto: Meike Kenn.

gallerytalk.net: Wie bist du zur Kunst gekommen?
Anne Duk Hee Jordan: Eigentlich wollte ich Malerei in Düsseldorf studieren – das hat zum Glück nicht geklappt. Ich bin ja Bildhauerin und ich glaube, ich bin durch die Beeinflussung durch meinen Vater dazu gekommen, weil der Bauingenieur war. So bin ich auf einem ganz großen Spielplatz aufgewachsen, dem Bauplatz.

Kannst Du dieses Umfeld beschreiben?
Da waren die ganzen Geräte und Maschinen. Von Kindesbeinen an habe ich gebaut. Ich habe die Maschinen bedient, bin Kran gefahren oder habe die Bauplätze mit dem Gabelstapler umdekoriert. Erst sehr viel später habe ich Kunst studiert, ich denke, weil ich einfach ganz lange nicht wusste, was ich machen möchte. Bei mir gab es immer so viele Interessenskonflikte, sodass ich noch Tausend andere Sachen gemacht habe.

Metallobjekt von Anne Duk Hee.
Detail, Studiovisit bei Anne Duk Hee Jordan, Foto: Meike Kenn.

Wie zum Beispiel eine Taucher*innen-Ausbildung im Alter von zwölf Jahren?
Ja, da habe ich angefangen, zu tauchen und meinen ersten Tauchschein gemacht. Ich habe das über die Jahre hinweg weiterverfolgt. Ich habe Freitauchen gemacht und dann Deep-Dive – zwischen 70 und 80 Meter bin ich da runter. Das würde ich inzwischen auch nicht mehr machen. Damals war ich Anfang 20.

Das Meer spielt auch in Deinem Film „Ziggy and the Starfish“ eine Rolle. Du bist unter Wasser unterwegs und erforscht, wie sich Fische „umgendern“ …
Ja, da geht es um die Sexualität, Adaptionsfähigkeit und um die natürlichen Grundlagen, wie die Umwelt funktioniert, aber auch um die biochemischen Grundsätze, dass viele Fische oder Schnecken von Natur aus eine sich verändernde Sexualität haben. Zum Beispiel haben manche Meeresbewohner fünf Penisse. Sie können einen nach dem anderen abschießen und dann lassen sie sich neue wachsen. Es gibt den Penis-Fencing-Dance der Plattwürmer, die sind Hermaphroditen. Denen wächst der Penis aus dem Kopf heraus und die fechten dann so lange, bis der eine den anderen quasi besiegt.

Bis er ihn weggepimmelt hat?
Ja genau, weggepimmelt hat (lacht). Und der Verlierer muss dann die Eier tragen und gebären.

Anne Duk Hee Jordan: Ziggy and the Starfish. Foto: Helene Toresdotter/Moderna Museet.

Die Metapher zu David Bowie ist schön. Alle seine Bühnencharaktere changieren zwischen Geschlechtern. Du beziehst Dich auf die Figur Ziggy Stardust.
Genau, weil David Bowie in den 70er-Jahren den Umgang mit Geschlecht revolutioniert hat. Er hat diesen Marsianer gespielt, der von oben aus dem Weltall kommt, um die Menschheit zu retten, aber selbst daran zerbricht, weil er Drogen, Alkohol und den ganzen menschlichen Gelüsten verfällt.

Anne Duk Hee auf der Terasse ihres Ateliers.
Im Garten, Studiovisit bei Anne Duk Hee Jordan, Foto: Meike Kenn.

Ist es Dir wichtig, mit Deiner Kunst auf gesellschaftliche Missstände, aktuelle Themen oder Kontroversen aufmerksam zu machen?
Das ist mir wichtig. Aber ich bin keine, die die Dinge so oberpolitisch ausbreitet. Mir ist es eher wichtig, die Aussagen sehr subtil zu halten, sodass jede*r den eigenen Kopf benutzen kann, um dahin geführt zu werden. Ich versuche, über Humor daranzugehen. Über Humor kann man Menschen bekommen.

Made von Anne Duk Hee, rechts: Die Künstlerin mit Barbara Green.
„Maggy“ 2007 by Anne Duk Hee Jordan / Anne Duk Hee Jordan und Barbara Green im Baumhaus der Künstlerin Fotos: Meike Kenn.

Gibt es einen Interessenschwerpunkt in Deiner Arbeit?
Ich möchte Ökosysteme kreieren. Bei meinen Ausstellungen ist es immer so, dass ich ein Environment kreiere, sodass da nicht einfach nur eine Skulptur steht. Für mich gehören die Dinge zusammen. Die Silikon-Made, die hier im Busch liegt, die habe ich 2008 noch in Weißensee gemacht. Aus dieser ganzen Beobachtung der Made bin ich dann zum Zerfall gekommen und habe mich viel mit dem Tod beschäftigt. Interessant ist: Kompost ist das einzige Element, was vom Tod wieder ins Leben erwacht. Ich fand diese Zyklen spannend und habe daraufhin viel mit toten Tieren, Skeletten, Knochen gearbeitet.

Was möchtest Du optimaler Weise bei Betrachter*innen erreichen?
Mich interessiert, wie ich die Leute zu einer Achtsamkeit und Behutsamkeit bekomme, wie man mit Dingen und lebendigen Pflanzen umgeht und was es bedeutet, in dieser Welt zu sein.

Links: Anne Duk Hee, rechts: Skulpturen.
Studio Visit bei Anne Duk Hee Jordan // Clapping clams (2018) Fotos: Meike Kenn.

In Brandenburg hast du noch ein weiteres Atelier. Dort kreierst du Roboter.
Genau. Das mache ich in Kollaboration mit Andreas Marckscheffel, der wohnt da und da ist auch die Werkstatt. Ich bin öfters vor Ort, um die Roboter mit ihm zu entwickeln. Ich nenne sie AS, Artificial Stupidity. Die sind so blöde, dass sie schon wieder gut sind. Es heißt ja auch nicht, dass sie, nur weil sie blöde sind, keine Berechtigung haben. Was heißt denn schon Aritficial Intelligence? Ohne Artificial Intelligence würde keine Artificial Stupidity bestehen.

In Berlin-Neukölln ist momentan die Ausstellung „A Handful of Dust“ in der Ehrenhalle zu sehen. Was erwartet einen?
Die Zuschauer*innen laufen auf dem Friedhof auf die Ehrenhalle zu. Zuerst kommen sie in die Krypta. Dort ist eine wichtige Recherche-Arbeit vorzufinden, die die Kuratorinnen Pauline Doutreluingne und Petra Poelzl ausfindig gemacht haben. Es handelt sich um Briefe von Frauen, die in die Nationalsozialistische Partei eingetreten sind. Die Frauen beschreiben, warum sie dieser Gesinnung gefolgt sind. Im Inneren der Krypta ist die erste von drei Klanginstallation zu hören, die ich konzipiert habe. Es handelt sich um ein klangliches Triptchyon “Fragmente von dem Lied der Erde” – von Gustav Mahler 1911 uraufgeführt und jetzt durch Mikatsiu neu komponiert.

Außenansicht der Neuköllner Ehrenhalle.
Hallen-Haut-Halle (2020), Viron Erol Vert, Foto: Si Wachsmann.

Das erste Fragment in der Krypta spürt man zuerst …
Genau, es ist in der Frequenz von 432 Herz aufgenommen. Die 432 Hz gelten als natürliche Grundstimmung und hatte schon in der Antike ihren Vorläufer. Viel später, sagte man, hätte Goebbels die 440 Hz für seine Radio- und Fernsehmedien genommen, da diese Frequenz aggressiver und zugänglicher sei. Ich halte für diese Aussage nicht meine Hand ins Feuer, das sind Geschichten, die stimmen können – müssen aber nicht. Was stimmt, ist, dass die 440 Hz europäisch zentriert sind. In Asien gibt es dieses Konzept gar nicht. Der erste Teil des Fragments ist sozusagen ganz körperlich spürbar und ganz nah am Herzen.

Von der Krypta läuft man dann zur Ehrenhalle. Was ist da zu sehen?
Aus der Ferne sieht man die Mauerwerk-Flaggen “Halle-Haut-Halle” von Viron Erol Vert, auf denen die Steine der Ehrenhalle abgebildet sind. Neben den Fahnen hört man aus zwei Propaganda-Megafonen, das zweite Fragment von dem Lied der Erde, was von Mmakgosi Kgabi eingesprochen wurde. Dieses expandiert sich in eine 4-Channel-Klanginstallation in der Ehrenhalle als dritter Teil. Die Konklusion manifestiert sich live als eine Metal-Performance durch das Drum-Cello-Duo Mikatsiu und Sara Neidorf komponiert und aufgeführt am zwei Momenten während der Ausstellung.

Ausstellungsansicht Anne Duk Hee in der Neuköllner Ehrenhalle.
Lösch Mir Die Augen Aus (2020), Anne Duk Hee Jordan und Viron Erol Vert, Foto: Si Wachsmann.

Und im Innenraum?
Tritt man nun ein, türmt sich die große, leuchtende Installation “Lösch mir die Augen aus” (nach einem Gedicht von Rainer Maria Rilke) vor einem auf, die ich zusammen mit Viron Erol Vert gemacht habe. Zu sehen sind Teile von Körpern wie Augen und Lippen sowie Fetisch-Elemente. Dazwischen bewegen sich ein Putzwagen und ein Buchsbaum, der immer wieder versucht, autistisch seine Grenze zu ziehen. Meistens schafft er es nicht und versagt in seiner Banalität. Der Buchsbaum ist ein neues Mitglied meiner Artificial Stupidity Serie. Abschließend riecht man viel Weihrauch und andere Räuchergemische. Am Ende ist es ein Gesamtkunstwerk von uns vieren geworden.

Die Ehrenhalle wurde im Auftrag von Albert Speer errichtet und diente der Heldenverehrung für gefallene deutsche Soldaten. Was ist das Besondere daran, an einem historisch besetzten Nicht-Kunstort eine Ausstellung zu zeigen?
Am Anfang war das eine besondere Herausforderung, da alles was gedacht und überlegt wurde erstmal gar nicht ging. Wie geht man mit so einem Ort um? Die Energie war überaus zu spüren, zumeist schlechte. Das alles ging nur über eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ort, der Geschichte und dem Jetzt. Wir sind ja alle gar nicht so weit weg von der ganzen Dummheit, die schon mal passiert ist. In Zeiten wie diesen, wo viele Ängste und Verschwörungen und die Banalitäten geschürt werden, sind Pogrome leider hautnah zu spüren. Das ist beängstigend, wenn dann Rechtsfront, Querfront, Linksfront, Esotheriker*innen, Demeter-Hippies und Freizeitnazis Hand in Hand zusammen demonstrieren gehen und endlich mal gemeinsam für etwas kämpfen dürfen.

Mit SOLID GOLD öffnen wir für euch eine Schatzkammer: Kunsthistorikerin und Kuratorin Barbara Green wirft einen Blick hinter die Kulissen des Kunstbetriebs und besucht außergewöhnliche Künstler, Kuratoren und Galeristen in ihren Produktionsstätten. Ob aufregende junge Talente oder etablierte Ausstellungsmacher – das neue Interviewformat stellt Euch spannende Persönlichkeiten des Kunstbetriebs vor.

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