Rundgang an der Kunstakademie Düsseldorf
Diese sieben Künstler*innen solltet ihr euch merken

9. Juli 2023 • Text von

Es ist wieder Rundgangszeit an der Kunstakademie in Düsseldorf. Von Malerei über Bildhauerei bis Baukunst sind alle Klassen vertreten. Viele der Absolvent*innen haben nach Corona noch etwas weiter studiert und beenden in diesem Sommersemester ihre Zeit an der Akademie. Vereinzelte Sticker zur Wahl von Donatella Fioretti zeugen noch von den Querelen der vergangenen Monate, vom Protest während des Winterrundgangs und von der Neuwahl. Mit dem Ende des Sommersemesters präsentieren nun mehr Absolvent*innen denn je ihre Abschlüsse und übernimmt Fioretti die Leitung der Akademie.

GT Abschluss Mona Schulzek
Abschluss Mona Schulzek, “Spitting off the Edge of the World”, Klasse Gregor Schneider, Raum 004.

Mona Schulzek, Klasse Gregor Schneider

Eine Gitterkonstruktion teilt den Raum von Mona Schulzek in zwei Ebenen. Unten laufen Schläuche über den Boden, schlängeln sich von einem Generator aus hin zu zwei hölzernen Pfeifen. Sie sind Bestandteile einer alten Orgel, lassen die Töne c und g erklingen. Eine ganz besondere Kombination und wer ganz stillsteht, kann ihn nicht nur hören, sondern sogar spüren – den sogenannten Demutston. Das Gitter überträgt die Vibration der Quinte auf die Besucher*innen, lässt sie die schwarze Stele genauer besehen, welche das Gitter von unten her durchbricht, genauso wie die zweite, kleinere Pfeife, die als skulpturale Intervention an der Wand platziert ist.

Der Demutston klingt je nach Orgel anders. Beschreiben lässt er sich eher wie ein tiefes Dröhnen. Mit den Ohren kaum wahrnehmbar, kann man ihn mit dem Körper „hören“, ihn erfühlen. Mit einer Frequenz von 16 Hertz streift er die untere Grenze des menschlichen Hörvermögens, ist letzte Wegmarke vor dem Infraschall. 16 Hertz ist auch die Frequenz, welche durch Plattentektonik entsteht, die theoretisch hörbar wäre, wenn man auf einem anderen Planeten der Erde lauscht. Im Grunde ist es die Frequenz, welche die Welt im Inneren zusammenhält. Entsprechend hat Schulzek aus der Klasse Gregor Schneider ihrer Arbeit den Titel “Spitting of the Edge of the World” verliehen.

GT Abschluss Ryan Huggins
Abschluss Ryan Huggins, Klasse Tomma Abts, Fotos: Jana Buch.

Ryan Huggins, Klasse Tomma Abts

Da sind lichte Figuren, die wie Federn über die Leinwand schweben, als seien sie nicht wirklich existent, sondern nur aus Träumen bekannt. Der sich auf die Oberfläche legende Farbschleier schimmert wie Tiefseeperlen. Inmitten finden sich Menschen, die auf Schwanenbooten fahren, aus deren Glieder Flügel wachsen. Sie tummeln sich winzig in einem Schwimmbad, einem Zirkus, auf einer Party. Als Teil einer größeren Gruppe sind sie eingebettet in ihr Umfeld oder als Einzelfiguren auf schmalen, hohen Bildträgern hervorgehoben. All das ist melancholisch und aufregend zugleich, erfasst nicht wahrnehmbare Sphären. So entstehen sanfte, poetische Landschaften mit mythologischen Figuren.

Am liebsten möchte man in den Arbeiten von Ryan Huggins aus der Klasse von Tomma Abts versinken und tatsächlich weiten sich die Malereien, umschließen die Besucher*innen, sobald schwarze Vorhänge geheimnisvoll die Bilder umhüllen, die Bar in die Wirklichkeit transferiert wird. Es fühlt sich an, als seien die Besucher*innen mit Betreten des Raumes Gäste einer privaten Party, ein integraler Bestandteil des aus der Ferne sich zu bewegen scheinenden Bildpersonals geworden. Mit den Augen meint man, die Figuren sprechen zu „hören“, auch wenn diese trotzdem still verbleiben. Irgendwo zwischen Zeit und Raum ist nichts festgelegt, dürfen alle sein, was auch immer sie sein wollen, was sie in Wahrheit sind.

GT Abschluss Sebastian Ax
Abschluss Sebastian Ax, Klasse Maximiliane Baumgartner, Raum 217.

Sebastian Ax, Klasse Maximiliane Baumgartner

Seltsame Gebilde wie aus einer anderen Welt sind im Raum von Sebastian Ax aus der Klasse von Maximiliane Baumgartner verteilt. Insektoide Lebewesen, die nicht wirklich lebendig scheinen. Ein 3D-Druck aus Epoxidharz wurde auf zwei Spitzen aufgespießt, die Nahtstellen kaum sichtbar, das Material ungewöhnlich elastisch. Es erinnert an ein Exoskelett von technoiden Hybridgetieren. Wie getrocknete Spinnenfäden oder in der Luft festgefrorener Teer mutet die gedruckte Verwebung an. Die Vorlagen sind gezeichnet, werden ins Digitale übertragen und manifestieren sich schließlich Schicht um Schicht als Skulpturen wieder im Realen.

Ergänzt wird die Präsentation um einige Masken, die auf Spiegeln am Boden liegen und sich so allansichtig betrachten lassen. Gleich Kronen, deren schmuckhafte Verzierungen zu allen Seiten ausgreifen. Doch nicht nur im realen Raum, sondern auch digital lassen sich die Masken erfassen. So ist neben den Masken am Boden ein kleiner QR-Code platziert, der einmal gescannt direkt zu Instagram führt, sodass die Masken über die Frontkamera als Filter in den Gesichtern der Besucher*innen haften. Ax experimentiert mit den unendlichen Möglichkeiten von Formfindung, kreiert Zwischenwesen in Zwischenräumen und gibt auch den Besucher*innen die Möglichkeit zur Verwandlung.

GT Abschluss Karoline Schultz
Abschluss Karoline Schultz, “sensory appendanges”, Klasse Franka Hörnschemeyer, Raum 010, Foto: Jakob Schultz.

Karoline Schultz, Klasse Franka Hörnschemeyer

Bei Betreten des Raumes von Karoline Schultz ist Wasserrauschen zu vernehmen, noch bevor das durch einen weißen Vorhang verdeckte Wasser zu sehen ist. Durch viele kleine Röhren gluckert und rauscht es, sprudelt es in ein rechteckiges Becken. Die Konstruktion erinnert an einen Brunnen, mit dem sich auch der öffentliche Raum verschönern ließe. Dünne Stangen ragen aus dem Wasser, verästeln sich, muten an wie filigrane Wasserwesen von einem fremden Planeten. Es scheint, als würden sie sich mit metallischen Krallen fortbewegen, mit Fühlern in ihre Umgebung ausgreifen und in andere Sphären tasten. Inmitten finden sich große spiegelnde Scheiben wie flache Glasaugen, die nach innen und außen zu blicken scheinen.

Als Teil des Abschlusses der Künstlerin aus der Klasse Franka Hörnschemeyer finden sich neben dem Brunnen auch noch andere Ausstellungsstücke. So greift das fragil wirkende Gestänge auf die Wände über, finden sich florale oder seesternartige Einsätze. Dazu wird eine kopflose Silhouette von einem Stoffanzug umformt, der zur zweiten Haut des beulenbesetzen Körpers wird. Lichtprojektionen bringen Bewegung in das Ensemble, so wie verbaute Aluminiumkugeln, die den Figuren als Gelenke dienen. Ähnlich einem skulpturalen Objekt hoch oben an der Wand, das einen metallisch glänzenden Pferdekopf zu umschreiben scheint, aber auch an eine Giraffe oder ein Seepferdchen erinnert. Hybride Seinszusammenhänge münden bei Schultz in eine dystopische Zukunftsvoraussage.

GT Abschluss Salmo Albatal
Abschluss Salmo Albatal, “damascus room. the path of water”, Klasse Inge Vinck, Raum 009, Foto: Kai Werner Schmidt.

Salmo Albatal, Klasse Inge Vinck

Einen Raum im Raum erschafft der Künstler Salmo Albatal aus der Baukunstklasse. Er baut das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Düsseldorfer Damaskus-Zimmer nach, das vom damaligen Direktor des Düsseldorfer Kunstgewerbemuseums während seiner Orientreise 1890 erworben wurde. Die prächtig verzierten, holzgetäfelte Interieurs stammten aus vornehmen Wohnhäusern in Damaskus und gelangten im 19. Jahrhundert im Kontext einer steigenden Faszination für den Orient nach Europa. Letzteres schlug sich nicht nur in Mode und Einrichtung nieder, sondern führte auch zu beginnendem Tourismus, der das Interesse an den Zimmern wachsen ließ. Sie dienten dem Empfang von Gästen, waren aufwendig ausgestattet und zumeist in zwei Bereiche, einen ebenerdigen Eingangsbereich und einen Hauptraum, aufgeteilt.

Albatal rekreiert das Zimmer aus der Zeit um 1820 in Form von stählernen Versatzstücken. Für den oft in Damaskus-Zimmern auffindbaren Brunnen funktioniert der Künstler kurzerhand das Waschbecken um, lässt es wie eine Fontäne sprudeln. Ihr Rauschen können die Besucher*innen über Lautsprecher überall im Raum hören. Bei genauerem Hinsehen finden sich Fragmente der eigenen Biografie des aus Syrien stammenden Künstlers wie z.B. Landkarten seines ersten Wohnorts in Deutschland. Mit seinem Abschluss lädt Albatal im nachgebauten Damaskus-Zimmer zum Verweilen und zur Begegnung ein, wenn Performances und Zusammenkünfte innerhalb der luftigen Wände stattfinden. Das Zimmer zeugt wie alle seiner Art von der Damaszener Gastfreundschaft, die ein Zuhause bietet ohne das Erwarten einer Gegenleistung.

GT Abschluss Murat Önen
Abschluss Murat Önen, Klasse Yesim Akdeniz, Foto: Kai Werner Schmidt.

Murat Önen, Klasse Yesim Akdeniz

Zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changierende Körper, die sich zuweilen zu Knäulen akkumulieren. Menschen, die sich gegenüberstehen, maskiert und unmaskiert. Bilder, die von Zweisamkeit erzählen – und von Einsamkeit. All das findet sich in der Abschlussausstellung von Künstler Murat Önen. Mit seinen vielfigurigen Untersuchungen von Männlichkeit, Queerness und Subkulturen bekannt geworden, bespielte Önen erst kürzlich in einer Einzelausstellung die Räumlichkeiten des Neuen Aachener Kunstvereins. Ein paar der dort gezeigten Arbeiten finden sich nun auch in der Akademie wieder.

Die Malereien erinnern zuweilen an Tafelbilder, lassen sich doch Bezüge zu den Alten Meistern erkennen. Teils ausgehend von realen Begebenheiten, biografischen Ausgangssituationen beschäftigen sich Önens Arbeiten mit den großen Themen des Lebens, mit Isolation, Verlangen, Gewalt. So vermischt sich Privates mit Gesellschaftlichem. Die Gemälde bleiben jedoch offen, entziehen sich jeglicher Eindeutigkeit. Entsprechend dem Entstehungsprozess, in welchem Önen auf Skizzen verzichtet, keine genaue Vorstellung vom Endprodukt hat und die Bilder in mehreren Ebenen schichtet. Schmelzende, in Auflösung begriffene Körper brechen mit scheinbar unumstößlichen Tropen von Identität und Männlichkeit.

GT Abschluss Eunbi Oh
Abschluss Eunbi Oh, “The Frozen Station”, Klasse Dominique Gonzalez-Foerster, Raum 122.

Eunbi Oh, Klasse Dominique Gonzalez-Foerster

In einen dunklen Raum hat Künstlerin Eunbi Oh aus der Dominique Gonzalez-Foerster-Klasse ein grün leuchtendes Apartment eingerichtet. Ein Spülbecken ohne Armaturen findet sich neben einem geöffneten Kühlschrank, der sein in kühles Blau getauchtes Inneres preisgibt. Dort liegt ein scheinbar toter Tiefseefisch, der jedoch mit den Besucher*innen spricht. Durch die Küche führt der Weg in ein kleines Bad mit einer Badewanne. Dort liegt auf dem Grund neben dem Abfluss ein zusammengeschrumpfter Oktopus. Die schaurige Inszenierung ist Metapher für die Reise in die offenen Gewässer des Internets.

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WANN: Der Rundgang läuft bis Sonntag, den 9. Juli, von 10 bis 20 Uhr.
WO: Kunstakademie Düsseldorf, Eiskellerstraße 1, 40213 Düsseldorf.

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