Auf Spurensuche Akinori Tao im Kunstverein Harburger Bahnhof
22. Januar 2024 • Text von Katrin Krumm
In den Vitrinen des Kunstverein Harburger Bahnhof entfalten sich rätselhafte Szenen. Die Skulpturen und Installationen von Akinori Tao handeln vom Spannungsfeld zwischen spielerischer und realer Bedrohung in der Jagd, wobei der Ausgang dieser Situationen offen bleibt. Seine Werke verbinden dabei skulpturale Balance, phantastische Transformationen und subtile Hinweise.
Eine Schwalbe befindet sich im Sturzflug auf ihre Beute. Transformiert in den zweidimensionalen Raum einer Spielkarte bleibt sie allerdings gefangen im ewigen Moment der Pirsch.
Der erlösende Zeitpunkt des tatsächlichen Fangens scheint weit entfernt in Akinori Taos szenischen Installationen. Seine Arbeiten zeigen sich als subtile Interventionen im öffentlichen Ausstellungsraum. Sie befinden sich zwischen den Gleisen am Harburger Bahnhof, präsentiert in den vier Vitrinen des Kunstverein Harburger Bahnhofs.
Ein zentrales Motiv ist das der Jagd. Dieses zeigt sich beispielsweise in Taktiken der Täuschung, wie sie auch in der Tierwelt vorkommen, um eine potentielle Beute zunächst in Sicherheit zu wiegen. So lehnt in einer der Vitrinen ein Bodenwischer, dessen Stiel an einer Keramiktasse endet. Knallgelb und durchsetzt mit Löchern erinnert ihre Oberfläche an Käse.
In einem Zustand des Stillstands verharrend, wartet das Fanggerät ewig auf seine Beute. Doch diese ist längst verschwunden. Lediglich die Hinterlassenschaften am Boden weisen auf eine vergangene tierische Präsenz innerhalb der Szene hin.
Neben tierischen sind auch menschliche Spuren sichtbar, was in dieser Szene durch den Aufbau des Fanggeräts nahegelegt wird. Die Installation deutet damit sowohl auf die vorangegangene Errichtung der Konstruktion, als auch auf deren zukünftig erwarteten erfolgreichen Einsatz hin.
Trotz der impliziten Gewalt, die den Szenen inneliegt, weisen sie keine Brutalität auf. In einem Spiel der Hierarchie und Physik wird zwischen Mensch und Tier, sowie Tier und Tier um die Oberhand gerungen. Dieses spielerische Element findet sowohl in der Inszenierung selbst, als auch in der fließend wechselnden Darstellung zwischen symbolischer und detailliert naturalistischer Bildsprache statt.
So sind beispielsweise einige von Taos tierischen Charakteren als kunstvolle Replikas in feiner Bronze umgesetzt, während sich das Motiv der Fliegenklatsche als markanter grafischer Druck auf einer Karte präsentiert.
Kurz scheinen die Tiere über den Menschen zu triumphieren: Die Mäuse sind der Falle entwischt und laufen noch frei herum, die Fliege nimmt überlegen auf den auf dem Vitrinenboden liegenden Karten Platz. Ein vermeintlich mit dem Finger auf die angehauchte Glasscheibe gezeichnetes Herz erinnert daran, dass es sich hierbei nur um einen flüchtigen Moment handelt – wie Spuren im Schnee, die auf längst Vergangenes hinweisen und bald verschwinden werden.
Sowohl in der Spurensuche als auch in der Jagd ist das Verfolgen wesentlicher Bestandteil. Ähnlich einem Dialog, der sich über Zeit erstreckt, entfalten sich dabei vielfältige Momente der Begegnung, die sowohl von Neugierde geprägt sein können als auch von Taktik, List und Instinkt angetrieben werden.
Akinori Taos Installationen verweilen an diesem kritischen Wendepunkt. Seine rätselhafte Arbeiten bieten subtile Anspielungen, vermeiden jedoch eine definitive Auflösung. Dadurch lassen sie die Betrachtenden selbst zu Spurensuchenden werden.
WANN: Die Ausstellung “Jagdspuren” läuft noch bis einschließlich Sonntag, den 25. Februar.
WO: Kunstverein Harburger Bahnhof, Hannoversche Straße 85, 21079 Hamburg.