Ein Dutzend rote Rosen Belia Zanna Geetha Brückner im Kunstverein Gastgarten
28. Februar 2024 • Text von Katrin Krumm
Blumen für die Frau, Spielzeug für die Kinder: In “Hard to say I’m sorry” im Kunstverein Gastgarten präsentiert Belia Zanna Geetha Brückner kommodifizierte Gesten der Entschuldigung und Versöhnung in romantischen Beziehungen. Versteckt hinter pompösen, aber am Ende leeren Gesten verschleiern die angehäuften Waren strukturelle Missstände, denen Betroffene von Gewalt ausgesetzt sind.
Während der Pandemie wurde besonders deutlich, dass das Zuhause nicht für alle ein sicherer Ort ist. Ausschließlich auf den eigenen Wohnraum beschränkt zu sein, bedeutete für viele auch Gefahr: Eine Auswertung des Bundeskriminalamtes vermerkte für das Jahr 2021 etwa 432 gemeldete Fälle intimer Partnerschaftsgewalt in Deutschland.
Die Rechtsanwältin Asha Hedayati informiert in ihrer Publikation “Die stille Gewalt” über seelische und körperliche Gewalt in Intimbeziehungen. Betroffene finden sich dabei häufig in einem Kreislauf aus Lovebombing, Manipulation, Kontrolle und Isolation wieder und sind extremen Schwankungen zwischen Herabwürdigung und überschwänglicher Liebesbeweise ausgesetzt.
In Belia Brückners Ausstellung “Hard to say I’m sorry” in den Räumlichkeiten des Kunstverein Gastgarten präsentiert sich zunächst eine häusliche Szene: eine an die Wand gestellte Holzkommode, ein Bett in der Mitte des Raums und ein Vorhang, der die Szene einrahmt. Am Boden steht außerdem eine Nähmaschine, gegenüber liegt ein kleiner Stapel Kuschelrock-CDs hinter einer der Säulen versteckt, daneben ein unbenutztes Fahrrad.
Zunehmend fällt auf, dass sich bestimmte Objekte häufen: Papiertüten teurer Luxusmarken stehen aneinandergereiht auf dem Boden, unzählige Geschenkkarten sind in kreisrunder Formation auf dem Bett platziert; sie befinden sich neben kleinen Schokoladenpackungen, die wie aus dem Regal gegriffen wirken und samtenen Schmuckdöschen. Zum Geruch des Lilienstrauchs, der neben vielen anderen auf dem Bett liegt, gesellen sich langgezogene, bedrohliche Akkorde, die eine Gefahr erahnen lassen.
Inspiration für die Geschenke sammelte Brückner in persönlichen Erfahrungsberichten auf der Online-Plattform Reddit. Dort erzählen Betroffene davon, was sie anstelle einer Entschuldigung erhalten haben. Besonders manipulativ sind die Geschenke an die Kinder, die sich in dem Schrank am Anfang des Raums sammeln. Ganz nach dem Motto “je mehr, desto besser” quillt die kleine Holzkommode fast über an Spielzeugen, auf ihr steht außerdem ein ausladender Buntstiftfarbkasten, dessen Stifte jedoch unberührt sind.
So überschwänglich die Gesten der Entschuldigung sind, so potenzieren sich Belia Brückners Ansammlungen von Objekten, die stellenweise wie in einer Auslage platziert sind. Teilweise mit überdimensionierten Schleifen bedeckt, betonen sowohl die Präsentation als auch die Objekte selbst ihren jeweiligen Warenwert und werden damit zu austauschbaren und universalen Bedeutungsträgern.
Während die Waren als Metapher der Gewalt verstanden werden können, wird im Laufe der Ausstellung eine zweite Perspektive sichtbar, die sich im Versteckten und Heimlichen abspielt. Hinter dem blickdichten Vorhang, der nur über die Hälfte der Fensterlänge reicht, stecken drei Publikationen, sorgfältig aber unauffällig platziert zwischen Heizung und Fenstersims. Alle drei behandeln das Thema der häuslichen Gewalt auf unterschiedliche Weise.
Die Installation entlarvt die Versöhnungsgeste als Machtdemonstration: Während sie in den Hintergrund tritt, rückt die Tat in den Vordergrund und die Objekte werden zu Beweisstücken. Weiterhin wird der Vorhang zum doppeldeutigen Symbol zwischen dem Wunsch nach Schutz und Versteck, gleichermaßen jedoch der Isolation und Scham, die durch die Erfahrung von häuslicher Gewalt einhergeht.
Strukturell bedingte Ungleichheit fördert die Existenz von strafrechtlich nicht erfassten Taten, indem sie durch Verstrickung von finanzieller Abhängigkeit, körperlichem und psychischem Machtmissbrauch vieles im Dunkeln lässt.
Mit “Hard to say I’m sorry” thematisiert Brückner, wie Betroffene von Gewalt in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft aus Hilfsstrukturen fallen und auf sich selbst gestellt sind. Würde man den Raum von allen Geschenken befreien, wäre dort nur noch die Angst: das leere Bett, der drohende Sound, die hinter dem Vorhang versteckten Bücher zur Selbsthilfe. Wie verwesende Lilien, deren süßlich-schwerer Geruch sich bald verändern und stechend wie Urin im Raum ausbreiten wird, können auch die vielen Geschenke nicht über die Gewalt hinwegtäuschen, die sie zu kaschieren versuchen.
WANN: Die Ausstellung “Hard to say I’m sorry” läuft noch bis Sonntag, den 3. März.
WO: Kunstverein Gastgarten e.V., Nordkanalstraße 53, 20097 Hamburg.
Hinweis: Falls ihr selbst betroffen seid oder weitere Informationen zum Thema benötigt, findet ihr hier einige Anlaufstellen.