Mensch und Pferd Nanhee Kim und Jaewon Kim im Westwerk
6. Februar 2024 • Text von Katrin Krumm
In der Duo-Ausstellung “Keen to Kim” im Westwerk werden Nanhee Kims assoziative, surrealistische Malereien gezeigt. Diese stellen die Bühne für Jaewon Kims spielerische Keramikskulpturen. In seiner künstlerischen Praxis untersucht er traditionelle Handwerkstechniken und übersetzt sie mittels moderner Fertigungsmethoden.
Ob explodierende Wut, erdrückende Scham oder einnehmende Begeisterung: In den Gemälden von Nanhee Kim kämpfen extreme Gefühlszustände miteinander. Ihre Figuren – oft menschlich oder zumindest menschenähnlich – setzt sie in gnadenlose, traumhafte Szenarien.
In ihrem Werk “Salvation” ist beispielsweise die Vorahnung eines Flugzeugabsturzes spürbar. Inmitten lodernder Flammen steht eine Flugbegleiterin mit angelegter Rettungsweste. In ihren Augen spiegelt sich das flackernde Feuer wider, ihr Blick ist manisch und verheißungsvoll ins Leere gerichtet, als würde sie den Moment des Aufpralls herbeisehnen. Das erkennbare Muster ihres Halstuchs verweist auf eine bestimmte Fluggesellschaft und ist nur eine von vielen kleinen Referenzen, die Kim in ihre Malerei integriert.
Als immer wiederkehrendes Motiv zeigt sie Gesichter. Als Vorbild dient der Künstlerin ihr eigenes Gesicht, die Situationen jedoch sind sowohl Auseinandersetzungen mit extremen, viralen Ereignissen oder Trends, als auch Annäherungen an persönlich erlebte Situationen, aus Alltag und Arbeit, die sie malerisch versucht zu umkreisen und ihnen persönlichen Sinn zu geben.
Dieser Logik folgend präsentieren sich ihre Motive als viele kleine, in sich abgeschlossene Erzählungen, die wie collagierte Momentaufnahmen wirken. Die unterschiedlichen Zustände ihrer Charaktere werden durch die Platzierung auf verschiedenen Bildebenen verstärkt. Diese Gegenüberstellung von Gefühlen findet sich kompositorisch in einem spielerischen Umgang mit Perspektive wieder, indem sie verschiedene Vorder- und Hintergrundebenen collageartig kombiniert.
Oft wirkt die ausdrucksstarke Mimik der von Kim porträtierten Charaktere auch wie eine schützende Grenze, die sie vor den Betrachtenden abschirmt. “Phobia” zeigt diese Introversion. Auf einem kleinformatigen Gemälde, das an einer schmalen Wand am Ende des Raumes platziert ist, sind zwei Köpfe zu sehen, die durch in Farbe und Form an Kastanien denken lassen. Ihr Blick ist beinahe demütig, während sie mit leicht gesenkten Lidern nach oben schauen.
Nanhee Kims Gemälde bilden die Bühne für ein surreales Ausstellungserlebnis, in dem sich Jaewon Kims Keramikskulpturen einfügen. In der Mitte des Raumes sind vier Kutschenreifen platziert, wobei nur die obere Hälfte aus dem leicht abgeschrägten Betonboden ragt.
Umzäunt von Absperrband wirken die Objekte fast wie ein archäologischer Fund – ein Eindruck, der durch ihre Fragmenthaftigkeit verstärkt wird. An der Wand verweist eine auf Keramik übertragene Fotografie auf den Ursprung der Installation. Darauf zu sehen ist die Admiralitätstraße im Jahr 1882, deren Gehweg von Kutschen gesäumt ist. Die Abbildung zeigt auch das Tor, welches die Besuchenden heute in den Ausstellungsraum leitet.
Direkt neben dem breiten Eingangstor des Westwerks liegt ein Paar Stiefel, das fast beiläufig platziert wirkt. Ihre schichtartige Haptik weist auf den Herstellungsprozess hin, der ein wichtiger Teil von Kims künstlerischer Praxis ist. Seine Werke sind Fortsetzungen einer fortlaufenden Untersuchung, in der er traditionelle Handwerkstechniken in moderne Verfahren übersetzt. Obwohl es sich um ein sehr präzises Verfahren handelt, weist die Keramik kleine, ungleichmäßige Unebenheiten in den exakt programmierten Schichten auf. Die theoretische Makellosigkeit des technischen Prozesses wird bewusst unterwandert, wodurch das Ergebnis sich in etwas Handgemachtes, sorgfältig Hergestelltes zu verwandeln beginnt.
Während Nanhee Kims kontrastreiche Kompositionen das Menschliche abbilden, untersucht Jaewon Kim von Menschen geschaffene Artefakte. In der Gegenüberstellung der beiden Positionen entsteht ein transaktionaler Prozess: Jaewon Kims Werke werden menschlicher und Nanhee Kims werden abstrakter. Vereint werden die beiden Positionen durch das Beobachten und Sezieren von Objekten und Szenen – die sie jeweils rearrangieren.
WANN: Die Ausstellung “Keen to Kim” läuft noch bis Sonntag, den 11. Februar.
WO: Westwerk, Admiralitätstraße 74, 20459 Hamburg.