Alles in Ordnung
Tomomi Yamakawa im W.M.P

5. März 2024 • Text von

In “Tomomi’s group show (still art)” im W.M.P. zeigt Tomomi Yamakawa situative Installationen, Skulpturen und Performances, die aufmerksam die Nuancen des Alltäglichen verhandeln. Dabei fokussiert sich die Künstlerin auf ihre Heimat Japan. Indem sie die kleinen, oft übersehenen Details hervorhebt, schafft sie Beachtung für die unsichtbaren Konventionen, die den privaten und öffentlichen Raum strukturieren.

Tomomi Yamakawa, Tempo-tissuekubari, 2024, Film still.

“Tisshukubari” ist eine Form von Guerilla-Marketing in Japan. Dabei werden zu Marketingzwecken auf offener Straße Taschentücher ausgeteilt, die verschiedene Produkte bewerben. In Anlehnung an diese Werbestrategie machte sich Tomomi Yamakawa Anfang des Jahres in einem roten Windbreaker auf, um in den geschäftigen Straßen Osakas Taschentücher zu verteilen.

Im Gegensatz zum Vorbild nutzte Yamakawa für ihre Videoarbeit “Tempo-tissuekubari” gewöhnliche Taschentücher der Marke Tempo. Durch die Reduktion auf das Produkt selbst löst sie die Handlung von ihrem eigentlichen Zweck. Was bleibt, ist eine kurze Sekunde der Verbindung, in der die unsichtbare Konvention in Erscheinung tritt.

Tomomi Yamakawa, Tomomi’s group show (still art), Exhibition view, W.M.P., Hamburg, 2024.

In “Tomomi’s group show (still art)” im W.M.P. macht Yamakawa immer wieder kurze, unsichtbare Momente des Informationsaustauschs sichtbar – ein Ansatz, den sie auch in der Präsentation und Vermittlung ihrer Arbeiten verfolgt: Der im Fenster angebrachte Raumplan mit handschriftlichen Notizen der Künstlerin zeigt sowohl Aufnahmen der Werke, als auch weiterführendes Bildmaterial zur Veranschaulichung.

Eines dieser Werke, das wie eine Verbindungslinie funktioniert ist “Sound princess (pee)“. Es entstand in Anlehnung an ein Gerät, das sich auf öffentlichen japanischen Toiletten wiederfindet. Auf Knopfdruck kann dieses ein rauschendes Geräusch abspielen, das eine Wasserspülung imitiert. Mit Bleistift transferierte Yamakawa auf die linke Wand des Ausstellungsraums eine ins Englische übersetzte Version der Gebrauchsanweisung, die sich auf dem Gerät befindet.

Tomomi Yamakawa, Sound princess (pee), 2024, Installation view, Tomomi’s group show (still art), W.M.P., Hamburg, 2024.

Durch die weiterführenden Informationen, die Yamakawa mittels des Raumplans bereitstellt, entsteht immer wieder ein interaktiver Moment: Ein Moment der erweiterten Rezeption zwischen den Betrachtenden und den Werken, der gleichzeitig dazu einlädt, den Arbeitsprozess der Künstlerin nachzuvollziehen.

Subtil und mit Humor werden tradierte Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem gelockert sowie der Weg von der Idee zur Entstehung des Kunstwerks transparent gemacht.

Tomomi Yamakawa, mission, 2024, Installation view, Tomomi’s group show (still art), W.M.P., Hamburg, 2024.

Mit “mission” erzählt Yamakawa von dem Transport einer einzigen Sōmen-Nudel – einer typisch japanischen Nudelart – von Japan nach Deutschland. Aus mehreren Reihen Heftklammern baute die Künstlerin eine Art schützenden Sarg, indem sie sie sicher transportieren konnte. Eine einzige fehlende Klammer in der Mitte gibt den Blick auf die Nudel frei.

Es sind flüchtige Begegnungen, die Yamakawa in ihrer Ausstellung immer wieder zu manifestieren versucht. Für “silverfish and Simon’s tatami” platzierte sie einen kleinen Tatami-Teststreifen im Ausstellungsraum. Tatami ist ein typisch japanischer Bodenbelag, der aus gewebtem Stroh besteht und traditionell in japanischen Häusern verwendet wird. Mit der Arbeit erzählt die Künstlerin von ihrer Sichtung eines kleinen Silberfisches, der sich unter einer solchen Strohmatte verkrochen hat. Sie ist als Einladung für die kleinen Krabbeltiere zu verstehen, denen sie so einen Rückzugsort im Ausstellungsraum anbieten möchte.

Tomomi Yamakawa, The recipe was filling the time gap, 2024, Installation view, Tomomi’s group show (still art), W.M.P., Hamburg, 2024.

Schließlich sind noch neun Keramik-Erbsen im Raum verteilt, die wie winzige Flugobjekte einige Zentimeter über den Köpfen der Besuchenden zu schweben scheinen. Als kleinste Malereien schaffen sie eine Verbindung zwischen den Arbeiten im Raum. Während sie in Referenz auf ihr Vorbild aus einem übergeordneten System entnommen worden sind, haben sie als Skulpturen die Fähigkeit, den Ausstellungsraum zu strukturieren.

Yamakawa nutzt den wiederkehrenden Ausstellungstitel „Tomomi’s group show“, um auf verschiedene Versionen ihrer künstlerischen Praxis Bezug zu nehmen. Mit “still art” macht sie auf ihre eigene Beständigkeit als Künstlerin seit Beginn ihrer Praxis aufmerksam, unter anderem durch die Wiederholung der „Tisshukubari“-Performance, die sie in ähnlicher Ausführung bereits vor einigen Jahren durchgeführt hat. Während es durch digitales Marketing immer weniger solcher Werbemaßnahmen auf den Straßen Japans gibt, bleibt sie ihrer detailverliebten Praxis treu.

WANN: Die Ausstellung “Tomomi’s group show (still art)” läuft noch bis Samstag, den 16. März.
WO: W.M.P., Holstenstraße 26, 22767 Hamburg.

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