Kuscheln? Ja, bitte!
"I know what to do" von Sunny Pfalzer bei Neun Kelche

10. August 2023 • Text von

Wie bewegt sich eigentlich Andreas Gabalier in seinen Musikvideos? Und was passiert mit Körpern, wenn seine Bewegungen nachgeahmt werden? Sunny Pfalzer untersucht in “I know what to do” bei Neun Kelche Körperlichkeit, studiert Bewegungen und Choreographien, denkt Formen und Bewegungen in Performances, Skulpturen und Textil weiter. Das Ausstellungskonzept wird gleichermaßen erweitert: die Kunst darf hier nicht nur angeschaut, nein, es soll auch unbedingt mit ihr gekuschelt werden.

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“I know what to do” von Sunny Pfalzer bei Neun Kelche © ink Agop.

Der Projektraum Neun Kelche in Berlin-Weißensee zeigt mit “I know what to do” die erste Einzelausstellung von Sunny Pfalzer, die sich aus der gleichnamigen Videoarbeit, einer Serie von körpergroßen “Stretch Sculptures”, einem neuproduzierten Teppich und Requisiten der auf dem Bildschirm präsentierten Performance zusammensetzt. Eines steht in dieser Ausstellung ganz klar im Fokus: der Körper. Die künstlerische Praxis von Sunny Pfalzer geht stets von Körpern aus, erforscht Bewegungsabläufe, Formen und Farben im Miteinander. In der ausgestellten Videoarbeit “I know what to do”, eine Kooperation mit Lau Lukkarila und Slim Soledad, ahmen die Protagonist*innen Stars aus Musikvideos nach. Die Country- und Schlagerkultur à la Andreas Gabalier und Simone & Simaria wird performativ analysiert und neu inszeniert. Die deformierten Karo-Hemden und Kopfbedeckungen stellen ebenso eine Weiterführung der visuellen Sprache aus den Musikvideos dar.

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Aus “I know what to do” von Sunny Pfalzer © Joseph Kadow.

Entstanden ist die Videoarbeit unter der Europabrücke in Zürich. Die Performance wird begleitet von einem Voiceover aus gemeinsamen poetischen Texten der Performer*innen sowie von musikalischer Untermalung des R’n’B Musikers Marshall Vincent, der die Ausstellung ebenso mit berührenden Gesangseinlagen eröffnet hat. Die drei Performer*innen kommunizieren über ihre Körpersprache miteinander, gleichen die Bewegungen aneinander an, unterstützen sie oder führen sie weiter. Sie wiederholen gemeinsam Gesten, geben sich Halt, lernen die Bewegungen im Miteinander zu verstehen. Die Performance wirft immer wieder skulpturale Momente auf, wo die Protagonist*innen miteinander zu verschmelzen scheinen – im Zusammenspiel werden stets neue Formen gebildet.

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“I know what to do” von Sunny Pfalzer bei Neun Kelche © ink Agop.

Auch das Thema Freundschaft nimmt in der Ausstellung einen festen Platz ein. Es geht nicht ohne das Miteinander, das offenbart sich in den kollaborativen Werken von Sunny Pfalzer eindeutig. Motive von Umarmungen, Händchenhalten oder Küssen formulieren sich in den Werken. Die künstlerische Praxis von Sunny fußt auf Zusammenarbeit und Verbundenheit. “I know what to do” ist ein Ort der Begegnung und der Interaktion. Die “Stretching Sculptures”, die im Ausstellungsraum verteilt auf dem Boden liegen oder von der Decke hängen, laden die Besucher*innen zu Umarmungen und Kuscheleinheiten ein. Der eigens für die Ausstellung entworfene Teppich, der die Formen und Farben der weichen und beweglichen Skulpturen aufgreift, darf als Sitzplatz oder Kuschelwiese genutzt werden. Sunny Pfalzer kuschelt gerne, so heißt es im Begleittext, also darf sich auch das Publikum hier ein paar Kuscheleinheiten abholen.

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“I know what to do” von Sunny Pfalzer bei Neun Kelche © ink Agop.

Die klassischen weißen Ausstellungsräume strahlen in der Regel vieles aus, aber nicht in erster Linie Wärme. Sunny bringt ganz der Bedeutung des Namens nach die Sonne in den Raum von Neun Kelche. “I know what to do” erwärmt den White Cube, vereint Ruhe, Liebe und Zusammenhalt konzentriert auf kleinem Raum. Es ist eine Erinnerung daran, wie wichtig menschliche Nähe und Körperkontakt zum Überleben sind und gleichzeitig daran, wie wir uns durch Körpersprache und gemeinsamer Interaktion unterstützen und weiterbringen können. Die Bewegungsabläufe, die uns hier präsentiert werden, zeigen auf, wie schön es ist, Wege gemeinsam zu gehen, sich nicht alleine im Nirgendwo, in der Konfrontation mit gesellschaftlichen Normen, Lebenskonzepten oder stereotypischen Geschlechterrollen, zu verlieren. Wer Lust hat auf zusammen sein, auf ein bisschen kuscheln – Sunny Pfalzer lädt uns herzlich ein, mitzumachen.

WANN: Die Ausstellung läuft bis Sonntag, den 27. August. Am 26. August wird die Performance “I know what to do” während der Laufzeit einmalig von den KW Institute for Contemporary Art gezeigt.
WO: Neun Kelche, Pasedagplatz 3-4, 13088 Berlin.

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