Kann sein, dass die Welt untergeht
Nina Nadig im Artist-Run-Space Eulengasse

15. März 2024 • Text von

Die Ausstellung “2 Fast 2 Safe” im Frankfurter Artist-Run-Space Eulengasse behandelt die Ambiguitäten des Erwachsenwerdens und ergründet Orte der Selbstentfaltung. Dabei begleitet die Künstlerin Nina Nadig die Suche nach Identität von Frankfurter Teenager*innen, deren Safe-Space abgebrannt ist. (Text: Theresa Weise)

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Nina Nadig, 2 Fast 2 Safe, 2024, Foto: Dalwin Kryeziu.

Eines Abends im Sommer 2023 brannte in der Nähe von Frankfurt ein Jugendzentrum ab, und somit ein Safe-Space von Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren. Damit fiel plötzlich ein Ort weg, an dem das Jugendlichsein gemeinsam bestritten wird. Ursprünglich konzipiert für den Projektraum fffriedrich und kuratiert Dalwin Kryeziu und Emily Pretzsch, wird in der Soloausstellung “2 Fast 2 Safe” von Nina Nadig das Aushandeln und Überschreiten der Grenze vom Kindsein zum Erwachsenenalter abgetastet. Gleichzeitig geht die Künstlerin der Frage nach, was passiert, wenn soziale Räume fehlen, und welche Bedeutungen diesen innewohnt. 

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Nina Nadig, 2 Fast 2 Safe, 2024.

An einem Stahlgerüst sind drei Screens installiert, die die tonlose Single-Channel-Video-Installation “2 Fast 2 Safe” zeigen. In einem Loop folgt eine Go-Pro-Kamera einer jugendlichen Person beim Gokartfahren. Runde um Runde wird das kleine Fahrzeug durch die Parcours gesteuert. Das Fahren kann als Herausforderung für junge Menschen gelesen werden, sich selbstständig durch das komplexe Geflecht ihrer Identität zu manövrieren. Auf der Suche nach Orientierung und einem Ziel gibt es nur eine Richtung: nach vorn – gleichwohl das Ziel durch die Repetition immer neu definiert werden kann.

Das Spiel, genauso wie das Leben, tritt man alleine an. Dabei kann der Wettkampf in dem Spiel sowohl der Suche nach Unabhängigkeit gleichgesetzt, als auch als ein Versuch gedeutet werden, gemeinsam gut durchs Rennen zu kommen.  Im Rennen gegen- und miteinander entsteht ein Moment kollektiver Teilhabe – ein Raum, den man teilt. 

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Nina Nadig, Untitled (Interview with L.), 2024, Foto: Dalwin Kryeziu.

Auf zwei Screens, die Hochkant nebeneinander an einer Stahlstange lehnen, wird schriftlich ein Interview gezeigt, das Nadig mit einem der Jugendlichen geführt hat. Dabei fungieren die Bildschirme als Körper der beiden Personen und erinnern in der Präsentation an eine Chat-Konversation. Das bewusste Weglassen der Audiospuren führt zu einer intensiven und sehr aufmerksamen Auseinandersetzung mit der Arbeit.

Der 16-jährige L. reflektiert im Gespräch mit der Künstlerin über den verlorenen Raum, über persönliche Träume, Ängste sowie über aktuelle Krisen, Politik und die Zukunft. In der Arbeit “Untitled (Interview mit L.)” wird die Jugend als Hoffnungsträger beschrieben: “Wir sind die Zukunft. In uns liegt die Zukunft und wir sollten die nicht vermasseln”. Gleichzeitig wird auch ein Zustand von Angst offengelegt: “Es kann auch sein, dass die Welt untergeht”. 

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Nina Nadig, Heart with Tubing, 2023; Nina Nadig, Keep me under your spell, 2024; Found Object, Foto: Dalwin Kryeziu.

Die beiden Videoarbeiten werden in Nadigs Ausstellung durch einen Feuerlöscher, zwei Zeichnungen und eine Fotografie ergänzt. Dabei erinnert das Ready-Made aus dem Jugendzentrum an das Feuer und den Verlust eines Raumes. In den Zeichnungen “Heart with Tubing” und “Keep me under your spell” greift Nadig bewusst jugendlichen Esprit auf, baut Rechtschreibfehler ein und wird somit selbst für einen Moment wieder Teenagerin. 

Nadigs Arbeiten verdeutlichen die Wichtigkeit der umgebenden Räume beim Heranwachsen. Gleichzeitig sind diese Räume nie beständig – fallen weg, verändern sich, oder man selbst wächst heraus und sucht neue Räumlichkeiten für die Entwicklung des Selbst. Dabei erinnert der ephemere Raum an einen Gedanken des französischen Schriftstellers George Perec aus seinem Buch “Träume von Räumen” auf: “Der Raum ist ein Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen; er gehört niemals mir, er wird mir nie gegeben, ich muss ihn erobern”. 

WANN: Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, den 17. März, zu sehen.
WO: Ausstellungsraum EULENGASSE, Seckbacher Landstraße 16, 60389 Frankfurt am Main.

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