Multiple Identitäten
Alexander Basil in der Galerie Nagel Draxler

2. August 2021 • Text von

Alexander Basil malt sich selbst – nackt und in mehrfacher Ausführung. Da liegen, hocken, hängen sie also, die Fragmente seines Selbst. Aktuell sind die Arbeiten bei Nagel Draxler in Berlin zu sehen. Wir sprechen mit dem Künstler über private Räume und fleischliche Präsenz.

Badezimmerszene mit fünf Figuren in unterschiedlicher Größe, die im Raum fläzen.
Alexander Basil: Untitled, 2021, Oil on canvas, 190 × 240 cm. Photo: Simon Vogel.

gallerytalk.net: Mit deinen Bildern lädst du Betrachter*innen ein, dir ins Private zu folgen – ins Bad, in den Kleiderschrank, ins Portemonnaie. Gewährst du damit intime Einblicke oder präsentierst du eher ein surreales Alter Ego in scheinbar vertrauten Environments?
Alexander Basil: In meinen Kompositionen nutze ich aktiv vertraute und überwiegend private Umgebungen, um sie zu unterwandern. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die Figuren Alter Egos sind, sondern eher Fragmente davon. Ihre Komposition ist insofern surreal, als die Psyche keine lineare oder unverzerrte Struktur ist.

Was bedeutet Privatsphäre für dich und wie wichtig ist es dir, sie zu schützen?
Ich denke, es wäre seltsam, meine Bilder als privat anzusehen, da sie in einer öffentlichen Galerie hängen! Die Grenzen zwischen den Betrachtern und meiner eigenen physischen und psychischen Privatsphäre aufzubrechen ist für mich eine Art, zu kommunizieren und eine menschliche Verbindung herzustellen.

Links: Der Maler Alexander Basil sitzt vor einem geöffneten Fenster. Rechts: Malerei zeigt den Oberkörper eines nackten Mannes, dem ein nackter Mann auf der Schulter sitzt.
Alexander Basil. Photo: Gregor Guski. // Alexander Basil: Untitled, 2021, Oil on canvas, 70 × 60 cm. Photo: Simon Vogel.

Du malst dich selbst, nackt und in mehrfacher Ausführung. Was lernt man über sich, während man sich immer wieder neu abbildet?
Der Versuch, durch die Arbeit etwas über sich selbst zu erfahren, ist zwar reizvoll und in meiner Arbeit auch immer vorhanden, aber es ist für mich kaum möglich, darin zu greifbaren Erkenntnissen zu kommen.

Auf Leinwand sitzt du dir auf Schulter und Schenkel oder lässt ein Mini-Me von deiner Hand leiten. Mal so ganz allgemein: Bist du dir selbst ein guter Begleiter?
Ja, ich glaube schon. Für mich sind die verschiedenen „Gefährten“ in den Werken Aspekte desselben Charakters oder verschiedene Facetten meiner Persönlichkeit.

Ausstellungsansicht in der Galerie Nagel Draxler mit fünf Malereien von Alexander Basil.
Alexander Basil: „Claustrophobia“, Exhibition view, Galerie Nagel Draxler, Berlin 2021. Photo: Simon Vogel.

Wieso hast du mit den Selbstporträts angefangen – und was macht die Praxis für dich bis heute so reizvoll?
Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich schon immer für Selbstporträts interessiert – so wie viele Künstler in jungen Jahren. Ich nehme an, die Frage wäre, warum ich nie aufgehört habe! Wie ich bereits sagte, denke ich, dass es für mich ein Thema ist, das sowohl introspektiv sein kann als auch eine Möglichkeit bietet, Facetten von Autonomie und Identität innerhalb der Welt zu erkunden.

Kann Nacktheit neutral dargestellt werden oder ist fleischliche Präsenz immer gleich irgendwie aufgeladen?
Innerhalb der Malerei erforsche ich gerne die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Aspekten. Ich habe das Gefühl, dass Nacktheit in der Malerei neutraler sein kann als im wirklichen Leben. Man bedenke den Kanon des Aktes in der Malerei und eine gewisse Abstumpfung gegenüber der Persönlichkeit der Figuren, die sich daraus entwickelt hat. Jedoch kann Nacktheit in der Malerei aufgrund der erhöhten Direktheit auch eine offenere fleischliche Präsenz haben. In meiner Arbeit wird die Nacktheit in besonders nicht-sexuellen privaten Umgebungen gezeigt. Damit wird der Betrachter zum Voyeur. Die Portraits haben jedoch auch oft sehr direkte und sexuell konnotierte Posen, die dazu einladen, sie als “fleischlich” zu lesen.

Links: Malerei, ein Mini-Mann liegt in einem Rollwagen. Rechts: Malerei, ein Mini-Mann wird von einem größeren Mann, von dem nur der Torso im Bild ist, am Kopf gehalten.
Alexander Basil: Untitled, 2021, Oil on canvas, 60 × 50 cm. Photo: Simon Vogel. // Alexander Basil: Untitled, 2021, Oil on canvas, 60 × 50 cm. Photo: Simon Vogel.

Auffällig an deinen Figuren sind die Katzenaugen mit den eleganten Augenbrauen. So richtig ins Leere scheinen die nie zu schauen. Mir kommt es vor, als hecken sie etwas aus oder prüfen misstrauisch ihre Umgebung. Was geht tatsächlich in ihnen vor?
Die Darstellungen der Augen in meinen Werken zielt vor allem darauf ab, eine Interaktion zwischen den Bildern und ihrer Umwelt herzustellen. Innerhalb der einzelnen Bildfelder interagieren die Figuren nur wenig miteinander, da sie ja Facetten eines Ganzen darstellen. Ihr Blick gilt eher den sie umgebenden Bildern, den Betrachtenden und der Umgebung im Allgemeinen.

Du bist scheinbar eher Typ Drinnie. Der Begleittext zur Ausstellung bei Nagel Draxler weist dich als „Dissidenten des FOMO“ aus. Was machst du, während du lustvoll verpasst, was andere auf keinen Fall verpassen wollen?
Oft allein zu sein, ist Teil meines Berufs. Beim Malen verbringe ich zwangsweise viel Zeit mit mir selbst im Atelier. Ich hoffe natürlich, dass ich nichts verpasse!

WANN: Alexander Basils Solo-Show “Claustrophobia” läuft bis Samstag, den 14. August.
WO: Galerie Nagel Draxler, Weydingerstraße 2-4, 10178 Berlin.

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