All-Inclusive in Offenbach
"Resort" im Magma Maria

9. November 2023 • Text von

Beim Artist-Run-Space Magma Maria in Offenbach wird der Tourismusindustrie der Spiegel vorgehalten. Acht Künstler*innen hinterfragen direkt oder indirekt die Kommerzialisierung des Vergnügens. All-Inclusive hat seinen Preis, nicht nur für die Endverbraucher*innen. (Text: Theresa Weise)

Ausstellungsansicht, RESORT, Magma Maria, Offenbach, 2023.

An der Türschwelle zu Magma Maria sind Absperrbänder platziert, wie man sie vom Security-Check an Flughäfen kennt. Sie verleihen einem das Gefühl, als Tourist*in in die Gruppenausstellung einzutreten. “RESORT” bei Magma Maria in Offenbach, kuratiert von Guilherme Vilhena Martins, zeigt acht künstlerische Positionen, die sich auf die eine oder andere Weise mit dem Phänomen des Tourismus und der damit einhergehenden Dialektik von Arbeit und Urlaub beschäftigen. Unterschiedlich gehen die Künstler*innen der Frage auf den Grund, welchen Preis Urlaub, Erholung und Vergnügen haben.

Setting Sun. Rodrigo Rosa, 2022. UV print on mirrored aluminium. // {FO}. Anna Stüdeli, 2023. Poster paper, aluminium plate.

Das Versprechen vom perfekten Strandurlaub vermag die Arbeit von Rodrigo Rosa zu transportieren. Ein von der Wand hängender Spiegel in einer Ecke des Raumes, versehen mit den Schriftzügen “MORNING SUN” und “SETTING SUN”, erinnert an den Sonnenuntergang, den sich alle wünschen, wenn sie im Urlaub sind. Der “Sundowner”, ein alkoholisches Getränk, das zum Sonnenuntergang getrunken wird, ist dabei längst zum hyper-kommerzialisierten Verkaufsschlager für Hotelketten geworden. Gleichzeitig stellt der Spiegel eine Verbindung zum “Ich” auf und stößt einen Prozess der Reflektion an.

An den “perfekten” Beach-Body erinnert die Arbeit “{FO}” von Anna Stüdeli. Ein braungebrannt weiblich gelesener Oberkörper mit pastellfarbenem Spitzen-BH verweist auf Werbung aus Hochglanzmagazinen. Nicht nur der Urlaub muss atemberaubend sein, sondern auch das eigene Ich, damit die Beach-Fotos genug Likes generieren. Die Kritik der Künstlerin an solchen Stereotypen, die durch manipulierendes Marketing in die Welt getragen werden, wird stilistisch gebrochen durch die abgerissene Außenwerbung-Ästhetik von Litfaß-Säulen.

Seductive Girl. Malin Dorn, 2021. UV print on semitransparent latex, steel cable. // Intuition Money Love. Klara Kirsch, 2021. Sand, full HD video installation, 6:35 min., looped.

Die Suche nach dem Sinn des Lebens lässt sich in der Arbeit von Klara Kirsch nachfühlen. Eine tanzende Frau in der Wüste betet mantraartig Phrasen wie “be the change we want to see” vor sich hin. Die Arbeit bricht mit einer Illusion der Perfektion, die Protagonistin scheint ein neues Kapitel aufschlagen zu wollen, nachdem das Leben nicht so gelaufen ist wie sie wollte. Eat, Pray, Love und alles wird gut.

Die Koexistenz von Sextourismus als Teil einer Vergnügensökonomie und Sexarbeit als Arbeitsökonomie greift Malin Dorn in ihren Arbeiten “Seductive Girl” und “A Correspondent to The Garden of Earthly Delights” auf. Die Körperhülle auf der Wäscheleine auf der einen, die Screens mit Pornos auf der anderen Seite. Es stellt sich die Frage: Auf wessen Kosten macht die Gesellschaft Urlaub?

Scene of a Wrecked Ship. Jáno Möckel, 2022. Wood, nylon flocking fibres, engine, car battery, foamcore, fabrics. // Fünfte Hilfe Kasten. Akinori Tao, 2023. Lacquered MDF, aluminium, tin, lamello.

Die Gegensätze und Gleichzeitigkeit von Erholung beziehungsweise Erschöpfung werden in der Skulptur von Jáno Möckel beleuchtet. Ein Bett steht in der Mitte des Raumes mit einem Kopfkissen und einer Decke drauf, die sich im Takt einer menschlichen Atmung rauf und runter bewegt. Von Schlafstörung im Alltag bis zum Erholungsschlaf im Urlaub spannen sich hier die Assoziationen in eine positive als auch negative Richtung.

In der Ausstellung geht es immer wieder um die Kehrseite innerhalb der Tourismusindustrie. So auch in den Installationen von Akinori Tao. Erste-Hilfe-Kästen, mal geschlossen mal geöffnet, können als Verweis auf die Verletzlichkeit der Arbeiter*innen gelesen werden, die einen Urlaub überhaupt erst ermöglichen.

High Ground (Sinkholes). Maximilian Glas, 2023. Cardboard, MDF. // Feeding Porcelain for a more Sonic Archeology. Luzia Cruz, 2023. Porcelain, soil, fertilisers water pumps, painted steel, metal plates, wood.

Die Schattenseite von Resorts verhandelt Maximilian Glas in seinen Arbeiten. Fotos einer ausgehöhlten Landschaft und eine Skulptur mit durchbrochener Oberflächenstruktur erinnern an Erdschichten, an abgetragenes Material, an eine bröckelnde Oberfläche. Wenn es auf der einen Seite Ressourcen im Überfluss gibt, entstehen auch immer Orte, an denen diese abgetragen werden. In die nächste Sphäre dringt die Künstlerin Luzia Cruz mit ihrer Rauminstallation “Feeding Porcelain for a more Sonic Archeology” ein: Der Körper der Zukunft und das Resort für die Ewigkeit. Der Versuch, einen Leichnam zu konservieren, damit ein Körper zu einem späteren Zeitpunkt “wiederbelebt” werden kann, führt den Gedanken des Resorts ad absurdum.

Resorts dienen der völligen Isolierung von allem, was als Realität gilt. Hotelanlagen offerieren eine vermeintlich heile Welt, in der alles jederzeit zur Verfügung steht. Privatstrand, eigene Restaurants, Geschäfte und Vergnügen auf Knopfdruck: Tourist zu sein, heißt zu konsumieren bis zum get no: All-Inclusive macht es möglich.

WANN: Die Ausstellung „RESORT“ läuft bis Samstag, den 11. November.
WO: Magma Maria, Hafenplatz 1-3, 63067 Offenbach.

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