Unfertige Zwischenzustände Sarah Rosengarten bei Schiefe Zähne
7. Februar 2024 • Text von Carolin Kralapp
Schiefe Zähne zeigt Fotografien einer Figur, die sich in verschiedenen Posen in einem Proberaum bewegt, und ein Objekt der Künstlerin Sarah Rosengarten. Die Ausstellung “Who’s There” visualisiert slapstickartig Lern- und Schaffensprozesse, passive Momente und Gleichzeitigkeit. Die unfertigen Zwischenzustände lenken den Blick auf ein “work in progress” und beanspruchen weder ästhetische noch inhaltliche Vollständigkeit.
Eine für die Betrachter*innen unbekannte Person bewegt sich in den analogen Fotografien von Sarah Rosengarten in teilweise transparenten Überlagerungen in einem Proberaum. Mal liegend, mal hockend, mal stehend und nach hinten gebeugt. Drei großformatige analoge Fotografien sowie eine im Raum installierte Projektorleinwand von Rosengarten, die theoretisch ausfahrbar ist, hier aber dauerhaft eingeklappt bleibt und ihre Projektionsfläche nicht zeigt, sind derzeit in der Ausstellung “Who’s There” bei Schiefe Zähne in Berlin zu sehen.
Ausgangspunkt für die Arbeiten ist ein Pressefoto aus einem Online-Artikel, der sich mit aktuell beliebten Schauspieltechniken beschäftigt und von der Künstlerin mehrfach abgewandelt wurde. Dass es sich bei dem abgelichteten Protagonisten um ein und dieselbe Person handelt, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, da die jeweils drei Körper auf einem Bild in drei verschiedene Kleidungsstücke gehüllt sind. In einem Proberaum entstanden die Fotografien durch Mehrfachbelichtung. Dabei werden mehrere Aufnahmen an derselben Stelle belichtet, sodass sich die einzelnen Motive zu einem gemeinsamen Bild überlagern.
Auch wenn Sarah Rosengarten keinen Performance-Hintergrund hat, geht es in den hier ausgestellten Fotografien unverkennbar um das Performative, um performative Momente. Die immer gleiche Figur wird von der Kamera in unterschiedlichen Aktionen im Raum eingefangen. Zugleich visualisieren sie einen Ort des Lernens, eine Vorstufe des Theaters, dem das sensible Moment der Probe inhärent ist.
Neben den Fotografien wird in den Ausstellungsräumen von Schiefe Zähne eine Projektionsfläche gezeigt, die einen ebenso unfertigen Zustand beschreibt. Die Leinwand bleibt zusammengerollt, die Projektionsfläche für das Publikum verborgen. Die Leinwand dient der Präsentation eines fertigen Produkts, zum Beispiel eines Films oder einer Serie, die wir konsumieren. Das Exponat ist Teil des Versuchs, einer Vorstufe, einem “work in progress”, visuellen Ausdruck zu verleihen, ohne Anspruch auf ästhetische oder inhaltliche Perfektion oder Vollständigkeit.
Leinwände oder Präsentationen wecken Assoziationen an Schule, an einen Ort des Lernens wie die Probebühne im Theater. Dass in der Ausstellung die große Präsentationsfläche der Leinwand verschlossen bleibt, verstärkt den Moment des Unfertigen. Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse der künstlerischen Arbeit auf weißen Wänden, die zugleich Präsentationsflächen sind, die wiederum einen Schritt vor dem Endergebnis thematisieren, das Endprodukt gewissermaßen kritisch betrachten.
Die Arbeiten von Sarah Rosengarten sind frei von jeglichen Zwängen, sie können experimentell, spontan oder komisch sein. Sie haben etwas Slapstickhaftes an sich, versichern, dass Dinge gleichzeitig geschehen und koexistieren können. In diesem unwirklichen Raum der Kunst darf man auch mal weglaufen, das Bedürfnis nach Flucht in sich aufsteigen lassen. Ob man am Ende entkommt, bleibt offen.
Überhaupt bleibt in der Ausstellung “Who’s There” von Sarah Rosengarten vieles offen. Den Betrachtenden werden keine gegebenen, massentauglichen Zustände präsentiert, die sie einfach so hinnehmen müssen. Vieles wird infrage gestellt, Prinzipien grundsätzlich kritisch hinterfragt. Sarah Rosengarten fordert das Medium Fotografie heraus, testet es auf Herz und Nieren und löst sich von ästhetischen Zwängen und Ansprüchen. Sie nutzt den irrealen Raum der Kunst zum Austoben und Austesten – alles kann, nichts muss.
Die Ausstellung eröffnet viele Fragen und Assoziationsketten. Die Fotografie wird erforscht, die technischen Möglichkeiten des Mediums werden ausgelotet. Kunst wird hier nicht als etwas in Stein Gemeißeltes oder Unveränderliches vorgegeben, sondern als ein Prozess mit vielen Vorstufen, die am Ende vielleicht zu einem bestimmten Endergebnis führen können, spielerisch und performativ veranschaulicht.
WANN: Die Ausstellung “Who’s There” läuft noch bis Samstag, den 24. Februar.
WO: Schiefe Zähne, Potsdamer Straße 103, 10785 Berlin.