Berlin Art Week 2020: Was bleibt?
Diese Ausstellungen lohnen sich

17. September 2020 • Text von

Die große Kunst-Extravaganza ist vorbei, doch viele verdammt gute Ausstellungen laufen noch. Schon wieder Lust auf Museumsbesuche? Wir verraten euch, welche Schauen sich auch nach der Art Week noch lohnen.

Hyphen-Labs, PushMi PullYu, 2020. Photo: Hyphen-Labs.

Staubsaugroboter, die sich verselbstständigen – bitte sagt mir, dass ich mit dieser diffusen Angst nicht alleine stehe. Im Projektraum der Schering Stiftung darf nun interaktiv mitgelenkt werden: Auf Knopfdruck lässt rotes oder blaues Licht die Roboter neue Formationen bilden. Wer da an Matrix denkt, liegt nicht verkehrt: Freier Wille und Determinismus sind eine der Grundfragen, mit denen sich das Kunst- und Designstudio Hyphen-Labs beschäftigt. Erst scheint es, als würden die von ihnen programmierten Putzmaschinen mit glitzerndem Luftballonschmuck stumpf unseren Befehlen gehorchen. Aber treffen wir unsere Entscheidung wirklich spontan oder weiß die Maschine sogar schon vor uns Bescheid?

WANN: Die Ausstellung „PushMi PullYu“ läuft bis zum 22. November 2020.
WO: Projektraum der Schering Stiftung, Unter den Linden 32-34, 10117 Berlin.

Der Tipp kommt von Julia Meyer-Brehm.

Ein Bauchnabel ist verschwommen zu sehen.
nGbK/neue Gesellschaft für bildende Kunst, Oliver Husain and Kerstin Schroedinger, DNCB extract, 2019/20, video still.

Vorhang jetzt nicht ganz auf, aber auf jeden Fall Bühne frei für “Radikale Passivität: Politiken des Fleisches” im nGbK. Zwischen fliederfarbenen Stöffchen, die den Ort in mal mehr, mal weniger intime Räume teilen, sind Arbeiten rund ums Thema Fleischlichkeit zu sehen. Ja, es wird erotisch, ja, es wird berauschend, aber genauso geht es um Verletzlichkeit und Tod. Und während die Besucher*innen so durch die Schau mäandern, sind sie gleichzeitig für sich und doch durch transparente Vorhänge nie ganz allein mit ihren Blicken. “Radikale Passivität” hat eine rasant hohe Dichte herausragender Positionen und on top auch noch ein interessantes Konzept. Die Ausstellung ist in drei Szenen konzipiert und wechselt während ihrer Laufzeit mehrfach die Gestalt. Ein guter Grund wiederzukommen – mal angenommen, man hätte zum Beispiel während der Eröffnung gar nicht genügend Zeit für all die Arbeiten gehabt.

WANN: Die Ausstellung “Radikale Passivität: Politiken des Fleisches” läuft bis zum 1. November.
WO: nGbK, Oranienstraße 25, 10999 Berlin.

Der Tipp kommt von Anna Meinecke.

Vivian Suter, Bonzo’s Dream, 2020, Installation view, Brücke-Museum, Berlin, Foto: Roman März. Courtesy of the Artist und Gladstone Gallery, New York /Brüssel; House of Gaga; Karma International und Proyectos Ultravioleta.

Was für eine Premiere! Zum ersten Mal tritt das Brücke-Museum in den direkten Dialog mit einer zeitgenössischen Position und die Wahl fiel dabei auf die argentinisch-schweizerische Malerin Vivian Suter, die auf einer Kaffeeplantage in Guatemala lebt und arbeitet. Mit ihren freihängenden bemalten Leinwänden, die nicht wie gewohnt auf einem Keilrahmen aufgespannt sind, soll sie die rund 40 ausgestellten Brücke-Werke in einen neuen Kontext setzen und weitere Perspektiven eröffnen. Spannend dabei: Die Werke aus der Brücke-Sammlung wurden von Suters Mutter und ebenfalls Künstlerin, Elisabeth Wild, für die Präsentation ausgewählt. Auch von ihr sind Werke zu sehen – kleinformatige Collagen. Wer spannende Raumgefüge und Farben entdecken mag, wird hier sicher auf seine Kosten kommen.

WANN: Die Ausstellung “Bonzo’s Dream” von Vivian Suter läuft bis zum 14. Februar 2021.
WO: Brücke-Museum, Bussardsteig 9, 14195 Berlin.

Der Tipp kommt von Carolin Kralapp.

Kindl—Centre for Contemporary Art, Lerato Shadi, Selogilwe, 2010, one-channel-videowork, 7 Std. 3 min., videostill. Courtesy Lerato Shadi.

Zeig mir deine Faust und ich sag dir, wer du bist. Vier Varianten erhobener Fäuste recken sich in Lerato Shadis Einzelausstellung „Maru a Pula Is a Song of Happiness“ überlebensgroß in die Höhe. Seit dem 19. Jahrhundert ein Symbol der Widerstandsbewegung, kann die geballte Faust aber durch leicht veränderte Daumenhaltung und in verschiedenen Kulturkreisen komplett konträre Assoziationen hervorrufen. Widerstand, auch körperlicher Natur, zieht sich stringent durch Shadis Werkschau. Mühsame Prozesse wie stundenlanges Stricken oder tagelanges Fasten werden in den Arbeiten der in Südafrika geborenen Künstlerin sichtbar. Neben der Körperthematik spielt auch Identität eine übergeordnete Rolle: Shadi konfrontiert das männlich, weiß und westlich geprägte Bild auf die Kunstgeschichte – mit Erfolg. Rundum sehenswert!

WANN: Die Ausstellung „Maru a Pula Is a Song of Happiness” von Lerato Shadi läuft bis zum 7. Februar 2020.
WO: KINDL Zentrum für Zeitgenössische Kunst, Maschinenhaus M1, Am Sudhaus 3, 12053 Berlin.

Der Tipp kommt von Julia Meyer-Brehm.

Felicity Hammond, Capital Growth, 2015, vinyl print, 262 x 445 cm.

Die Zukunft ist slick, glossy und hat einen Farbstich – oder ist es eine Gegenwart, die Felicity Hammond in ihren Arbeiten entwirft. C/O Berlin zeigt unter dem Titel “Remains in Development” Großformate, die auf den ersten Blick ein Leben in Luxus abzubilden scheinen, tatsächlich aber von Brüchen gezeichnet sind. Hochsanierte Upperclass-Immobilien neben Bauschutt, Models neben welken Grünpflanzen. Alles wirkt irgendwie durchgestyled und ramponiert zugleich und es bleibt die Frage: Will die Collage nun als Versprechen oder Warnung gelesen werden?

WANN: Die Ausstellung “Remains in Development” von Felicity Hammond läuft bis zum 23. Januar 2021.
WO: C/O Berlin, Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin.

Der Tipp kommt von Anna Meinecke.

Noch nicht genug Tipps? Dann lest doch noch einmal nach, welche Ausstellungen in Galerien wir zum Gallery Weekend empfohlen haben. Die laufen nämlich auch fast alle noch!

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