Vier and laughing
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng und Guy Simpson im Eigen + Art Lab

23. Januar 2023 • Text von

Vier ist eine stabile Zahl, denken wir an die vier Beine eines Möbelstückes oder daran, dass vier Spielsteine in einer Reihe darüber entscheiden, wer gewonnen hat. Auch auf einem Würfel ist sie harmonisch, bescheiden, nicht so überheblich wie die sechs. Vielleicht hat sich das Eigen + Art Lab aus derlei Gründen für ein auf vier Positionen basiertes Konzept entschieden? Das ist nur scheinbar der Fall, denn lassen sich Besucher*innen auf die Werke der südafrikanischen Künstler*innen Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng und Guy Simpson ein, werden sie feststellen, dass die vordergründige Harmonie durchaus auch eine mysteriöse, teils auch unangenehm konfrontative Seite hat.

4 x 4, Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, Ausstellungsansicht
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin.

Die frisch eröffnete Show “4 x 4” im Eigen + Art Lab gewährt Besucher*innen Einblicke in vier Welten. Githan Coopoos, Asemahle Ntlontis, Natalie Panengs und Guy Simpsons Werke sind in Materialität, Medium und Farbigkeit sehr verschieden und doch eint sie, dass sie zu einer Reise einladen. In eine Traumwelt, eine immersive bodenlose Welt, ein anderes Land, eine andere Wohnung oder sie verleiten dazu, das Heute und seine alltägliche Unverbindlichkeit zu überdenken. 

Guy Simpsons Werke gewähren Einblicke in einen Alltag, wirken unaufgeregt, hängen ganz still an den Galeriewänden. Sie stiften keinerlei Unruhe. Weiß dominiert die Leinwände, die in ihrem Format stark variierende Innenraumausschnitte zeigen. Eine weiße Wand, an der an einem kleinen Haken eine blaue Jacke hängt. Am Boden ein angedeuteter Holzboden, eine Steckdose mit Schalter knapp über der Fußleiste und links ragt der einzelne Zweig einer Zimmerpflanze herein. Es ist eigentlich nichts zu sehen. Dem Bild direkt angeschlossen hängt ein kleineres Bild, das ein Stück einer geschlossenen weißen Jalousie zeigt. Ein weiterer Zimmerpflanzenzweig linst herein. Auf einem wiederum kleineren, quadratischen Bild ist die Kordel der Jalousie zu sehen, die vom Bildrand des anderen abgeschnitten ist. Die Leinwände lassen sich zusammenpuzzeln, ergeben in ihrem Zusammenspiel ein Bild von einem Wohnraum, einem Alltag.

4 x 4 GuySimpson+GithanCoopoo,Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson  4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin. Ausstellungsansicht HF
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin.

Simpson lenkt den Blick auf die kleinen Dinge, auf das Wenige. Er kreiert einen Raum im Raum und bringt dabei eine unbekannte Existenz ins Spiel, die es nach längerem Nachdenken auch etwas unangenehm macht. Der ausgeschnittene Raum ist jemandes privater Lebensraum, das ist spürbar, es fühlt sich etwas voyeuristisch an, wie ein Blick durch ein Schlüsselloch. Und doch, der Spaß überwiegt, es macht ja zugegeben auch Spaß, hat einen Reiz in Privatem herumzuschnüffeln, machen wir uns nichts vor. Und wenn Menschen an der Stelle, an der sie intuitiv einen Lichtschalter vermuten, einfach gegen die Wand hauen, kann es hier passieren, dass ein gemalter Schalter von Guy Simpson von der Wand gehauen wird. Also bloß keine reflexartigen, ausladenden Bewegungen!

Dabei könnte auch schnell eine von Githan Coopoos Vasen zu Bruch gehen. Sie kennen sich mit höflicher, aber nicht mit einer derart niederschmetternden Zurückweisung aus. Auf ihren monochromen, großen, glatten und knallgelben, -roten, -pinken, -grünen und -blauen Körpern prangen die höflichen Zurückweisungen in prachtvollen Versalien. “Let’s keep in touch”, “Sorry but I can’t”. Die rote und die grüne Vase kommen auf keinen grünen Zweig. Die Absagen kommen einem bekannt vor, sie erinnern an unangenehme Situationen, die immer alltäglicher werden. Bloß nichts Verbindliches, Türen offenhalten, Rosinen rauspicken – Fomo! Oder die Trägheit ist schuld. So ist das heute und es ist anstrengend, es führt zu Unsicherheiten, nicht nur im Terminkalender. 

4 x 4 AsemahleNtlonti Ausstellungsansicht 2
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin.

Bei “4 x 4” rütteln die bunten Eyecatcher wach, prangen stolz und verspielt auf ihren schwarzen Podesten. Die poppige Absage ist Verbindungslinie der Räumlichkeiten geworden. Und natürlich ist ein “Send my love but I’d rather not join” auch mal wichtig. So gesehen können die Vasen im Eigenheim auch als friendly reminder wirken, bei all den Meetings, Get-togethers, Afterworks auch mal mutig zu sagen: “Thanks babe but im gonna pass”. 

Vor Asemahle Ntlontis Arbeiten kehrt die Ruhe zurück. Wie Spuren im Sand zieht die hellbraune Farbe ihre Bahnen auf dem großflächigen Papier, das sich wie eine ausgerollte Pergamentrolle, ungerahmt und an den Kanten leicht fransig von der Wand, wölbt. Auf den an Sand- und Erdhügeln erinnernden Farbspuren sind sich farblich abhebende Flächen collagiert und scheinen Wasserstellen, Fauna und Flora anzudeuten. Asemahle Ntlontis nutzt für ihre Arbeiten Materialien und Farben, die ihr das Land, Südafrika, bietet. Jeder Besuchende wird sich von ihren Werken woandershin katapultiert fühlen. Dass Asemahle Ntlontis multimedial und maximal geduldig arbeitet, stellt ihre Perlenstickerei unter Beweis. Der blau-kariert gestickte Perlen-Teppich hat sich auf zwei Metallstangen abgelegt, hängt da schwer wie ein entspanntes Faultier oder eine Hängematte, irgendwas dazwischen. Eine beeindruckende, ästhetische Handarbeit, vor der verweilt werden will. 

4 x 4Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, Ausstellungsansicht
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin.

Es ist Zeit, dem permanenten Hintergrundgeräusch nachzugehen. Ein Knacken in Dauerschleife, ein auftauchendes “Whoop” schallt aus der hinteren, schwarz gestrichenen Raumecke und breiten sich aus. In der Annäherung an den Teil des Raumes passiert so etwas wie ein Rabbit-hole-Effekt. Die Realität verzerrt sich vor Natalie Panengs Arbeiten. Ein großer Bildschirm liegt auf dem Boden, auf dem eine Person ihr weißes Kleid schwingt. Das Bild zieht ein wenig nach, die Konturen sind unscharf. An den Wänden kleben schillernd wulstige Objekte, auf dem Bildschirm dreht sich ein iPhone im Kreis. Und dieses Geräusch? Dahinter verbirgt sich das titelgebende Wort der Video-Installation “Qhubeka”, was aus Sulu übersetzt “fortfahren, weitermachen” bedeutet, wie die Künstlerin im Gespräch mit gallerytalk.net aufklärt. 

4 x 4 Ausstellungsansicht hinten Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin.

Ihre zwei Hologramme zeigen Räume, die sich in ein unendliches Schwarz verlaufen, Raum und Zeit lösen sich in ihnen auf. In “Mosegre le Bo ego” laufen Schachbrettfliesen in die Tiefe, eine Pfütze, ein baumähnliches Objekt mit pinker Aura und auch hier Frauen in weißen Gewändern, die mit Händen und Körper scheinbar bedeutungsvolle Gesten machen. Ein Bewegtbild, haptisch und nicht digital. Mit der eigenen Bewegung setzen Besucher*innen die anmutigen, wie Göttinnen dargestellten Frauen in Bewegung. Eine Interaktion, aber auch keine, alles scheint. Aus einem kleinen Kunstrasenstück auf dem realen Boden wächst ein neongrüner, 3D-gedruckter-Frauenkopf empor. 

4 x 4 NataliePaneng Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, VideoinstallationAusstellungsansicht
Githan Coopoo, Asemahle Ntlonti, Natalie Paneng, Guy Simpson 4 x 4, 2023, EIGEN + ART Lab, courtesy the artists and EIGEN + ART Lab. Photo: Peter Oliver Wolff, Berlin.

Das verwirrende Moment ist durchaus gewollt, bei Natalie Paneng muss nicht alles Sinn ergeben, im Gegenteil. Die Künstlerin beschreibt im Gespräch mit gallerytalk.net, dass sie sich als Medium sehe, als jemand, der eine Welt schafft, in der die Realität und digitale Sphären verschmelzen. Ihre Arbeiten seien eine Einladung, sich von Bekanntem zu lösen und neue visuelle und akustische Erfahrungen zu machen. Das ist ihr gelungen und für einen Moment hat ihr schöner Irrsinn den Kopf ausgeschaltet.

Letztlich öffnen die vier Künstler*innen im Aufeinandertreffen auch gemeinsam eine fünfte und mehr Welten, sie multiplizieren sich. “4 x 4” eben, die Rechnung geht auf. Und es ergibt ganz im Sinne der Vier am Ende ein harmonisches, stabiles, sehr facettenreiches Bild. Ein wilder Roadtrip, wenn man so will. Nur eben nicht a lá “Fear and loathing”, sondern a lá “Vier and laughing”. Also, keine Angst: Die vielen Eindrücke hinterlassen ein breites Lächeln im Gesicht.

WANN: Die Ausstellung “4 x 4” läuft noch bis Samstag, den 25. Februar.
WO: EIGEN + ART Lab, Torstraße 220, 10115 Berlin.

Weitere Artikel aus Berlin