Venedig Biennale 2022: Das Beste vorab Kunst-Ausstellungen abseits der Länderpavillons
19. April 2022 • Text von Team
Alle blicken nach Venedig. Die Biennale Arte 2022 steht kurz bevor. Was bietet die Stadt abseits von Giardini, Arsenale & Länderpavillons? Ausstellungen von Ruth Beraha, Ugo Rondinone, Pauline Curnier Jardin, Tue Greenfort, Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian, Danh Vo, Isamu Noguchi und Park Seo-Bo, Anish Kapoor, Rafaël Rozendaal, Jonas Lund und Joseph Beuys.
Es geht wieder los: Nach den Pre-Opening-Tagen ist die Biennale Arte 2022 in Venedig ab Samstag, den 23. April, für Publikum geöffnet. Sie trägt den Titel “The Milk of Dreams”, kuratiert von Cecilia Alemani. Ihr kennt das Spiel: Giardini, Arsenale und diverse Länder-Pavillons quer über die Stadt verteilt. Doch das ist längst nicht alles. Wir hätten da noch einen Schwung weitere Kunst-Ausstellungen in petto.
Ruth Beraha at A plus A Gallery
Der Kraft der Bilder entkommen: Ist das Möglich? Der Frage geht Ruth Beraha in ihrer Einzelausstellung “We will name her Tempest” in der A plus A Gallery nach. Die Arbeiten der Künstlerin versuchen einen Ausbruch mittels Sound und Installation. Wie eine Kathedrale hat Beraha ein metallisches Skelett geformt. Eine Art Kirchenglasfenster unterstreicht die sakrale Atmosphäre in den Galerieräumen. Angedeutet ist ein Ort der Anbetung, nicht länger intakt, sondern zu Ruinen verfallen. Besucher*innen wandeln im Spannungsfeld zwischen Großartigkeit und Schrecken. Der Ausstellungstitel lässt einen aufkommenden Sturm erahnen, zerstörerisch, reinigend – das bleibt offen.
WANN: Die Ausstellung “We will name her Tempest” von Ruth Beraha läuft bis zum 15. Juli.
WO: A plus A Gallery, Calle Malipiero, 3073, 30124 Venezia.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Ugo Rondinone in der Scuola Grande di San Giovanni Evangelista
Ugo Rondinone liebt den Kontrast, liebt es, Farbe in die Tristesse zu bringen, Sonne dahin, wo Nacht ist, das zu finden, was fehlt. Seine Kunstwerke funktionieren wie ein Bindestrich zwischen zwei Worten – oder Welten. Für seine Solo-Show “burn shine fly” in der Scuola Grande di San Giovanni Evangelista hat er persönliche Empfindungen in Lehm geformt. Entstanden sind laut Rondinone „natürlich gewachsene Gebilde“, die „uns blenden und in eine tiefere Reflexion über die Wunder und Mysterien des Lebens versetzen“ sollen.
Der Titel der Show lehnt sich an den Gedichtband “You got to burn to shine” Rondinones bereits verstorbenen Mannes John Giorno an. Genauso wie sein Mann mit seiner Poesie aufrüttelnd performte, sexuelle Begegnungen revuepassieren ließ, queer-biografische und philosophische Gedanken preisgabt, so ist zu erwarten, dass auch Rondinones Lehmskulpturen zwischen den historischen Ausstellungsäumen und der modernen Ist-Zeit rütteln werden.
WANN: Die Ausstellung “burn shine fly” von Ugo Rondinone eröffnet am Mittwoch, den 20. April, und läuft bis zum 17. September.
WO: Scuola Grande San Giovanni Evangelista di Venezia, Sestiere San Polo 2454, 30125 Venezia, Italien.
Der Tipp kommt von Lara Brörken.
Pauline Curnier Jardin in der Casa di Reclusione Femminile
Ein Palazzo, ein Frauengefängnis. Die Ausstellung “Something Out of It” gibt an zwei ganz unterschiedlichen Orten in Venedig einen Ausblick auf das, was Besucher*innen des LIAF – Lofoten International Art Festival im September in Norwegen erwartet. Pauline Curnier Jardin hat zusammen mit Insassinen der Casa di Reclusione Femminile della Giudecca einen Raum der Begegnung geschaffen, eine Verbindung zur Außenwelt, kuratiert von Francesco Urbano Ragazzi. Tomaso De Luca bespielt hingegen einen venezianischen Palazzo mit Skulpturen, Fotografie und Videoarbeiten, eine Untersuchung der Krise der Moderne.
WANN: Die Ausstellung “Something Out of It” läuft bis Sonntag, den 24. April.
WO: Casa di Reclusione Femminile, Sestiere Giudecca, 712, 30133 Venezia (Pauline Curnier Jardin); Casa Venezia, Calle Seconda dei Orbi, 5201 Castello, Venezia (Tomaso De Luca).
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Tue Greenfort in der Fondazione ERES
Mit Tue Greenfort gehen Besucher*innen tauchen, erforschen venezianische Lagunen und den zerbrechlichen Lebensraum der Medusen. Greenforts Einzelausstellung “Medusa Alga Laguna” in der Fondazione ERES ist verträumt mysteriöse Unterwasserwelt und sensibilisierendes Naturwissenschaftsprojekt.
Von der Decke hängen saftig grüne Glasgebilde – sind sie Plastikflaschen oder Algenstrang? Das Glas hält Luftbläschen gefangen, es blubbert, es lebt und doch wird der Sauerstoff sichtlich knapp – in die Ausstellung integrierte venezianische Zeitungsartikel dokumentieren das. Leicht und unbeschwert schweben die gläsernen Quallen und Algen durch den Raum. Doch so fragil wie Greenforts Muranoglas-Quallen ist auch das Ökosystem der venezianischen Lagune.
In der Verwendung von Glas stellt Greenfort eine Beziehung zu Venedig her und legt ein spannungsreiches Verhältnis von jahrhundertealter Handwerkstradition, Naturerforschung und den das Gleichgewicht bedrohenden Tourismus offen. Eine verträumt zarte Show, die im Nachklang etwas brennt, wie die Berührung einer Feuerqualle.
WANN: Die Ausstellung “Medusa Alga Laguna” von Tue Greenfort eröffnet am Samstag, den 22. April und läuft bis zum 1. November.
WO: Fondazione ERES, Castello 1228 (Ca´Sarasina), 30122 Venezia.
Der Tipp kommt von Lara Brörken.
Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian
Auf Terakotta-Tellern entwickeln Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian eine neue Bildsprache. Ihre Arbeiten sind alternative Zeugnisse einer Gegenwart. Textfragmente und fantastisch groteste Szenen erinnern an die Bilderflut des Nachrichtengeschehens, doch nur entfernt. Die Installationen des Trios sind originell, überladen, humorvoll und poetisch. Geschickt verhandeln die iranischen Künstler darin Themen von gesellschaftlicher Relevanz. Die Ausstellung “Alluvium”, organisiert von OGR Torino, nimmt Bezug auf die Stadt Venedig als Brücke in den Osten, wo ästhetische Ablagerungen ganz unterschiedlicher Kulturen verschmelzen.
WANN: Die Ausstellung “Alluvium” von Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian läuft von Samstag, den 23. April, bis zum 27. November.
WO: Complesso dell’Ospedaletto, Barbaria de le Tole, 6691 Venezia.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Danh Vo, Isamu Noguchi, Park Seo-Bo in der Fondazione Querini Stampalia
Danh Vo, Isamu Noguchi und Park Seo-Bo verpassen der Fondazione Querini Stampalia, einem venezianischen Palast aus dem 16. Jahrhundert, mit ihrer Kunst eine gute Dosis ihrer eigenen Geschichte. Kuratiert von Chiara Bertola und Danh Vo selbst soll in den Räumen und Gängen des Palastes ein künstlerischer Dialog entstehen.
Danh Vos skulpturale Kunst ist inspiriert von der Kunstgeschichte, von klassischen Elementen wie Säulen, Torsi, Pilastern oder Vorhängen, die sich jedoch im Heute mit Vo verändert präsentieren. Nogushi verarbeitet Vergangenheit und Erinnerungen mit der Form. Das Papier seiner berühmten “Akari”-Leuchten verwandelt kaltes Licht in warmes. Park Seo-Bos Werkreihe “Écriture” wird den Wänden ihren zarten Stempel aufdrücken und feine grafische Briefe von der Vergangenheit an die Zukunft schreiben. Insgesamt werden dank der drei namhaften Künstler Feingefühl und Gesellschaftsspiegel den Palast schmücken.
WANN: Die Ausstellung eröffnet am Mittwoch, den 20. April, und läuft bis zum 27. November.
WO: Fondazione Querini Stampalia, Campo Santa Maria Formosa, 5252, 30122 Venezia.
Der Tipp kommt von Lara Brörken.
Anish Kapoor im Museum Gallerie dell’Accademia und im Palazzo Manfrin
Folter und Flammen, Liebe und Lava, Technik und Tiefe – Anish Kapoors Oeuvre tut weh, und wir lieben es. Von Schmerz, Leidensgeschichte, Liebe und ihrem Kummer fühlt sich Mensch nicht erst seit gestern magisch angezogen. Die Tiefe klaffender Wunden, innere wie äußere, und den Facetten-Reichtum im Schmerz künstlerisch zu erkunden, liegt Kapoor, er beherrscht diese Art des Tiefgangs. Er hat das Unergründliche in seiner Westentasche, wie ein Werkzeug, das nur ihm gehorcht.
Im Rahmen der Biennale werden gleich zwei Orte von ihm bespielt, das Museum Gallerie dell’Accademia und der Palazzo Manfrin. Er wird dort gegenüber den alten venezianischen Meistern ganz Neues, nie Gesehenes wie auch ältere Werke zeigen, darunter die Installation „Shooting Into the Corner“.
Kapoors malerische und bildhauerische Arbeiten reißen schwarze Löcher in den Boden und aus den überwiegend dunklen Ölgemälden wie, “Black Within Me”, “The Dark” oder “Diana Blackened Reddened” tropft die rote Farbe wie Blut, fließt wie Lava oder stülpt sich aus der Dunkelheit empor. Alles Sichtbare und mit Kapoor Erfahrbare lässt sich nur in Vergleichen begreifen, denn das Nichtgreifbare ist das, was ihn fasziniert.
WANN: Die Anish Kapoor Ausstellung eröffnet am Mittwoch, den 20. April, und läuft bis zum 9. Oktober.
WO: Gallerie dell’Accademia, Campo della Carità, Dorsoduro 1050, Venezia, und Palazzo Manfrin, Fondamenta Venier, 342, 30121 Venezia.
Der Tipp kommt von Lara Brörken.
DRIFT, Rafaël Rozendaal und Jonas Lund am Venice Meeting Point
Um Kunst, Technologie und Nachhaltigkeit geht es bei dem Venedig-Programm von Aorist. Eine Installation von Rafaël Rozendaal findet sich am im Anbau des Navy Officer’s Club am Venice Meeting Point, in der Taverne gibt es einen Einblick in Jonas Lunds “MVP (Most Valuable Painting)”, eine Serie digitaler Malereien. Außerdem lädt die Gruppe DRIFT zur Dronen-Performance im Innenraum des Ocean Space der TBA21-Academy. “Social Sacrifice” nimmt Schwarmverhalten in den Blick und navigiert damit Bezüge und Widersprüche kollektiven Handels und individueller Freiheit.
WANN: Das Programm “CodeX” von Aorist startet am Dienstag, den 19. April, und läuft bis Sonntag, den 8. Mai. Für die DRIFT-Performance müsst ihr Tickets buchen.
WO: Venice Meeting Point, Calle Seconda de la Fava, 2168, 30122 Venezia; Ocean Space Campo S. Lorenzo, 5069, 30122 Venezia.
Der Tipp kommt von Anna Meinecke.
Joseph Beuys im Palazzo Cini
Wer Joseph Beuys ist, muss wohl kaum aufgeklärt werden. Als einer, wenn nicht der einflussreichste deutsche Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts, provozierte, malte, schrieb und sprach er sich in das kollektive Gedächtnis. Nun beleuchtet der Palazzo Cini die zarte Seite des Künstlers. Die 40 hier gezeigten Werke unterstreichen Beuys Interesse für den Menschen, seine natürliche Form, seinen Körper.
Joseph Beuys ganz down-to-earth: Pur und in erdig-sandigen Farbtönen erinnern die Zeichnungen und Skulpturen an den Menschen in seiner ursprünglichsten Form. “Fine-limbed” schafft ein Bewusstsein für einen prähistorischen Lebensraum, ein nacktes bescheidenes Dasein auf der Erde, im Einklang mit der Natur und gleichzeitig von ihren Elementen bedroht.
WANN: Die Ausstellung “Joseph Beuys: Fine-limbed” eröffnet am Mittwoch, den 20. April, und läuft bis zum 21. November.
WO: Palazzo Cini, Campo San Vio, Dorsoduro 864 Venezia.
Der Tipp kommt von Lara Brörken.
Hier gibt es Tickets für die Biennale Arte 2022.
