Künstlerisches Biotop
Tue Greenfort in der ERES Stiftung

27. Oktober 2021 • Text von

Die Eres-Stiftung, die Münchner Institution zwischen Kunst und Naturwissenschaft, zeigt diesen Winter eine Ausstellung des dänischen Konzeptkünstlers Tue Greenfort. In seiner Show widmet er sich einer unterschätzten Spezies: den Algen.

Tue Greenfort: Ulva I (Detail), 2020/21, Courtesy the Courtesy the artist und KÖNIG GALERIE Berlin, London, Seoul.

Ungewöhnlich grün schimmerte der Tegernsee diesen Sommer in seinem beschaulichen Voralpental. In den sozialen Netzwerken sprach man schon, mit dem gewohnten heimatlichem Pathos, von der ‚bayerischen Karibik‘. Der Grund für die smaragdene Farbe des Wassers war jedoch kein Chemie-Unfall, sondern die erhöhte Aktivität einer speziellen Algenart und deren chemischer Prozesse. Algen als Organismen entziehen sich immer noch einer eindeutigen biologischen Systematik und Gruppenzuordnung. Gleichzeitig scheinen sie sowohl giftig und bedrohlich, gelten aber auch als Superfood und Grundlage für mögliche Heilmittel. Dabei waren Algen die ersten Organismen, die durch Photosynthese Sauerstoff erzeugten und somit Leben auf der Erde überhaupt ermöglichten. Dass wir also alle den Algen etwas schuldig sind, weiß auch Tue Greenfort.

Tue Greenfort: Ulva I und III, 2020/21, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber, Courtesy the Courtesy the artist und KÖNIG GALERIE Berlin, London, Seoul.

Umweltschützer, Mahner, Künstler und Aktivist. Der dänische Konzeptkünstler und documenta 13 Teilnehmer Tue Greenfort nimmt in seiner interdisziplinären Praxis unterschiedliche Rollen ein. Seine Werke, Installationen und Eingriffe sind dabei immer eine Reflexion auf den Umgang unserer Gesellschaft mit der uns umgebenden Natur. Gerne geht er in seinen ortsspezifischen Installationen auf Besonderheiten der jeweiligen Ausstellungsorte ein und hinterfragt deren ökologischen Fußabdruck. Dennoch ist seine Herangehensweise nicht durch plumpen Aktionismus geprägt. Vielmehr versucht er, Diskurse zu ermöglichen und zu fördern, ohne dabei politisch kategorisiert zu werden. Er agiert geschickt an den Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und Kommunikation. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist es nur folgerichtig, dass die Eres-Stiftung nun seine erste große Einzelausstellung in München zeigt.

Tue Greenfort: Wasserfilterungen 2021, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber, Courtesy the Courtesy the artist und KÖNIG GALERIE Berlin, London, Seoul.

Von der Decke des Ausstellungsraumes in Schwabing hängen grüne, fragile Glasarbeiten in Algenform, auf Papierarbeiten sind zarte Algenspuren aus dem gefilterten Wasser von Voralpenseen zu sehen, eben auch vom Tergernsee. Neben Gipsabdrücke von Strandabschnitten und Cyanotypien von Algen ist auch ein kleines Labor in der Eres-Stiftung aufgebaut. Wer will, kann eigne Gewässerproben mitbringen und diese mikroskopisch untersuchen. Die Verschränkung von Wissenschaft und Kunst findet sich natürlich auch im Begleitprogramm. Vorträge mit Titeln wie “Klima-Influencer Alge” oder die Alge als “Treibstoff- und Material-Lieferant” ermöglichen einen tieferen Einblick in die Thematik. Dennoch ist das Projekt und die dafür entwickelte Algen-Werkgruppe nicht lediglich ein Weiterbildungsangebot für interessierte Erwachsene.

Tue Greenfort: Newspapers, 2021, Foto: ERES-Stiftung, Thomas Dashuber, Courtesy the Courtesy the artist und KÖNIG GALERIE Berlin, London, Seoul.

Die Alge als unterschätzter Organismus sollte als Sinnbild für unser Verhältnis zur Natur gelesen werden. Wir sind alle Teile hochkomplexer Systeme, die permanent ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen. Das viel genutzte Schlagwort des ‚Anthropozän‘ beschreibt einen Zeitabschnitt, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Die immer noch unerforschte Wirkungsmacht der Algen sollte uns jedoch klar machen, dass wir trotz rasender wissenschaftlicher Fortschritte, als Menschen nicht über der Natur stehen, sondern Teil von ihr sind und in ihr mit allen anderen Akteuren koexistieren müssen.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 29. Januar 2022 zu sehen, immer Samstags zwischen 11 Uhr und 18 Uhr
WO: ERES-Stiftung Römerstr. 15 80801 München

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