Kunst in Quarantäne #1
Koch-Videos, Klopapier und Online Viewings

17. März 2020 • Text von

Nein, das ist keine Liste für gelangweilte Quarantäner*innen. Wir sind uns sicher: Ihr bekommt euch auch alleine beschäftigt. Im Zweifel ruft mal Oma an. Dies ist eine Liste für all diejenigen, die Kunst am liebsten live bestaunen, jetzt aber endlich mal Zeit haben, sich abseits tradierter Pfade umzuschauen. Genießt das! Wir haben unter anderem Instagram-Videos, ein alternatives Messekonzept und die vielleicht allerletzte Rolle Klopapier für euch.

Die Künstlerin Silin Liu in ihrer Wohnung in Quarantäne in ihrer Wohnung in Beijing. Foto: Silin Liu (a.k.a Celine Liu) | Migrant Bird Space.

Silin Liu ist in Quarantäne. Doch die Zeit in den eigenen vier Wänden lässt die Künstlerin nicht ungenutzt. Sie kocht und erörtert ihre Bewegtbildvorlieben – vor laufender Kamera für die Berliner Galerie Migrant Bird Space. Die hat die Video-Serie “FUN IN QUARANTINE” ins Leben gerufen, für die Künstler*innen der Galerie knackige Clips aus ihrem Alltag abgeschirmt vom Rest der Welt geben. Und den Anfang macht eben Silin Liu. Binnen fünf Tagen bespricht sie in fünf Videos fünf Serien oder Filme, während sie passende Gerichte zubereitet. In Folge eins geht es um die preisgekrönte Sky-Serie “Chernobyl”. Auf den Teller gibt es “Tiger Dish”. Wie das aussieht, sehr ihr auf dem Instagram-Kanal des Migrant Bird Space.

Dieser Tipp kommt von Anna Meinecke.

Anne-Marie Bonnet, „Was ist zeitgenössische Kunst oder Wozu Kunstgeschichte?“, Deutscher Kunstverlag GmbH/ Berlin München, 2017.

Museen gelten als Orte von Bewahrung und Wertschöpfung historischer Objekte, als maßgebende Institutionen zur Bestimmung kultureller Identität. Das öffentliche (Kunst-) Museum, erlebte einen Boom Ende des 20. Jahrhunderts in Form von Bauten für die „Neue Kunst“, die Kunst der Gegenwart. Heute schreiben unzählige Museen, Biennalen und Ausstellungen die Kunstgeschichte der Gegenwart. Zeitgenössische Kunst ist so „in“ wie nie. Aber wer bestimmt eigentlich, welche Kunst von Zeitgenossen als bedeutend wahrgenommen wird? Was und wozu etwas ausgestellt werden sollte? In einem sehr spannenden Essay geht Anne-Marie Bonnet, Professorin für Kunstgeschichte, diesen Themen nach. Sie stellt tradierte Vorstellungen in Frage und erklärt anschaulich, wer, seit wann und wozu eigentlich die Kunstgeschichte der Gegenwart schreibt. Eine überaus erkenntnisreiche Lektüre für alle Liebhaber von Kunstgeschichte und zeitgenössischer Kunst. Hier könnt ihr „Was ist zeitgenössische Kunst oder Wozu Kunstgeschichte?“ von Anne-Marie Bonnet bestellen.

Dieser Tipp kommt von Teresa Hantke.

“What Makes an Artist? Grayson Perry in Conversation with Sarah Thornton” | Tate Talks via Youtube/Tate.

Wir kennen ihn alle. Aber mal ehrlich, ein systematisches Durcharbeiten des Tate-Channel haben bis jetzt wahrscheinlich eher wenige von uns betrieben – now is the time! Von vergleichsweise kurzen Interviews oder Portraits bis zu stundenfüllenden „artists in conversation with …“ gibt es hier quasi alles. Wer sich auf die Post-Corona-Ausstellungszeit in Berlin vorbereiten möchte, wird ebenfalls fündig (Kara Walker, Yayoi Kusama). Meine Top 3:
John Akomfrah: “Why History Matters”, zum Tate-Video hier.
“What Makes an Artist? Grayson Perry in Conversation with Sara Thompson”, zum Tate-Video hier.
“How to… Weave like Anni Albers”, zum Tate-Video hier.

Der Tipp kommt von Christina-Marie Lümen.

Lydia Blakeley: “The Deposition”, 2019, Oil on linen, 250 x 180 cm, Courtesy of the artist. // Johnny Izatt-Lowry: “Face II”, 2019, Pigment on Crepe, 20cm x 25cm, Courtesy of the artist.

Wie kann man  online am besten ausstellen? Die Frage treibt dieser Tage so einige Akteure des Kunstbetriebs um. Einer, der schon lange weiß, wie das geht ist Bob Bicknell-Knight. Vor knapp vier Jahren hat er die Plattform “isthisit?” ins Leben gerufen. Darüber zeigt er Kunst im Digitalen. Derzeit zu sehen: die Gruppenausstellung “Office Space” mit Arbeiten von Lydia Blakely (hier im Interview), Naomi Fitzsimmons, Johnny Izatt-Lowry, Perce Jerrom und Lilli Mathod. Mithilfe eines Floor Plans kann man die Arbeiten per Mausklick abschreiten. Bob ist ein Mann vieler Talente. Längst kuratiert er auch offline, publiziert, vertreibt Editionen und sogar eine Online-Residency in Form einer Website hat er etabliert. Finden wir spannend. Deswegen gibt’s bald mehr von Bob im Interivew! // “Office Space” läuft noch bis Mittwoch, den 25. März.

Dieser Tipp kommt von Anna Meinecke.

Die Art Basel Hong Kong wird in diesem Jahr auf “Online Viewing Rooms” ausweichen. © Art Basel

Klar, die Möglichkeit, Kunst wahrhaftig zu erleben, ja, erfahren zu können, werden die „Online Viewing Rooms“ der diesjährigen Art Basel Hong Kong nicht bieten können. Genauso wenig die Aufregung, die Messe zu betreten, die verschiedenen Stände der Galerien zu erkunden, sich treiben zu lassen, Leute zu beobachten und sich im Messe-Geschwirr zu verlieren. Doch wir haben in diesem Jahr keine andere Wahl − die „Online Viewing Rooms“ sind für viele Galerien eine überlebensnotwendige Maßnahme, weiterhin Verkäufe zu tätigen. Das Corona-Virus hat das Messegeschehen im Griff, bietet aber auch die Gelegenheit, Lösungsansätze für drängende Fragen zum Klimawandel zu testen. Vielleicht muss man ja die Kunst und sich selbst nicht mehrmals im Jahr um den Globus schicken? // Die „Public Days“ der Art Basel Hong Kong finden von Freitag, den 20. März, bis Mittwoch, den 25. März, statt.

Dieser Tipp kommt von Teresa Hantke.

Rafaël Rozendaal: “papertoilet.com”. © Rafaël Rozendaal

Hätte man ja nicht gedacht, dass ausgerechnet Klopapier einmal für derart viel Aufregung inklusive Zoff an der Supermarktkasse sorgen würde. Aber so ist es nun eben und aus gegebenem Anlass wollen wir unsere allererste Ausgabe von “Kunst in Quarantäne” mit einer gleichermaßen simplen, wie sensorisch brillanten Arbeit des Künstlers Rafaël Rozendaal schließen. Das Bild lässt nur erahnen, welche Freuden eure scrollwütigen Early-Adapter-Daumen gleich durchfahren wird (funktioniert auch auf dem Desktop, aber Smartphone ist besser, ich schwör’s!). Also ausprobieren und draufklicken auf www.papertoilet.com. You’re welcome!