Zwischen Spiritualität und Technologie Extase und Mystik bei Max Goelitz
18. September 2023 • Text von Julia Anna Wittmann
Die Sehnsucht nach einer sinnerfüllenden Selbstverwirklichung treibt die Menschheit seit jeher an. In der Gruppenausstellung “failed transcendence” dreht sich alles um Extase, Mystik sowie die Verschmelzung von Technologie und Spiritualität. Max Goelitz zeigt Werke von Niko Abramidis &NE, Helga Dóróthea Fannon, Nicolás Lamas, Haroon Mirza und Jeremy Shaw.
Veränderte Bewusstseinszustände, transzendente Welten und alternative Realitäten stehen im Mittelpunkt der Gruppenausstellung “failed transcendence” in der Max Goelitz Galerie. Zu sehen sind Arbeiten von Niko Abramidis &NE, Helga Dóróthea Fannon, Nicolás Lamas, Haroon Mirza und Jeremy Shaw, die sich dem Themenkomplex mit Hilfe von Video, Sound, Skulptur, Malerei und Installation annähern.
Die zentrale Video- und Soundinstallation “The Ancients call it Ataraxia” von Haroon Mirza und Helga Dóróthea Fannon kreiert eine klangvolle Atmosphäre, die Besucher*innen direkt in ihren Bann zieht. Der laute Sound aus den hölzernen Boxen knistert, schwingt und wummert. Die Nackenhaare stellen sich auf, ein Schauer läuft über den Körper. Auf dem Bildschirm spielt sich eine rituelle Szene im dunklen Wald ab. Immer wieder schlagen drei Kinder auf eine Klangschale ein, erhitzen Wasser in einem Teekessel und versammeln sich um das Feuer. Sie scheinen Teil eines Rituals zu sein.
Das Video auf dem Screen im Erdgeschoss der Galerie ist nur der erste Teil einer auf zwei Stockwerke verteilten multimedialen Komposition. Im Untergeschoss können Besucher*innen den zweiten Teil des Videos entdecken, bei dessen Betrachtung einiges klarer wird. Erneut sind die Kinder im Wald zu sehen, diesmal tagsüber. Sie pflücken große, rote Fliegenpilze, die Teil einer rituellen Teezeremonie werden. Der Sound wird rhythmischer und schneller, die Bilder der Projektion fangen an zu verschmelzen. Die Künstler*innen kreieren eine visuelle Interpretation von der bewusstseinsverändernden Wirkung der Pilze, denen eine halluzinogene Wirkung zugeschrieben wird.
Ebenfalls im Untergeschoss und Teil der Video- und Soundinstallation “The Ancients call it Ataraxia” sind drei großformatige Solarpanels, die in regelmäßigen Abständen von zwei Halogenstrahlern aktiviert werden. Der dadurch entstehende Strom treibt wiederum ein Bongo-Trommel-Paar an, dessen lautes Trommeln geisterhaft durch den Raum hallt. Die Verbindung von technischen Elementen und einer okkulten Symbolik findet sich auch in Haroon Mirzas Werkserie “Solar Cell Circuit Compositions” wieder. Im Mittelpunkt der Wandarbeiten steht jeweils eine Miniaturmalerei, um die sich Solarzellen und Kupferbänder zu einem geometrischen Mandala auffächern.
Durch das einstrahlende Licht auf die eingebauten Solarzellen wird ein kleines, rundes LED Band aktiviert, das wie ein Heiligenschein über den auf den Miniaturmalereien abgebildeten Protagonist*innen schwebt. Diese scheinen sich ebenfalls auf ein schamanistisches Ritual vorzubereiten, sammeln Fliegenpilze oder meditieren in Höhlen. Die Anspielung auf Spiritualismus in Verbindung mit Technologie eröffnet einen Diskurs über das mystische Potential von technologischen Errungenschaften, denen immer noch ein Hauch Magie innewohnt.
Auch die Protagonist*innen in Jeremy Shaws Fotoserie “Towards Universial Pattern Recognition” sind auf der Suche nach transzendenten Erfahrungen und erweiterten Bewusstseinszuständen. Shaw kombiniert parafiktionale Archivfotos von Menschen in scheinbarer Extase hinter dreidimensionalen Prismen aus Plexiglas, sodass sich ein kaleidoskopisches Bild auf fächert, sobald man an den Wandarbeiten vorbei schreitet.
Wie magische Objekte wirken die Assemblagen aus organischen und nicht-organischen Materialien von Nicolás Lamas. Seine Arbeit “Posthuman ecologies” fügt sich aus gebrauchten Alltagsgegenständen und tierischen Überresten, wie Knochen, Wespennestern und Korallen, zu neuen, poetischen Collagen zusammen. Diese Kombinationen werden in einem Industrie-Kühlschrank drapiert und zur Schau gestellt – eine Wunderkammer des 21. Jahrhunderts?
Unwirkliche Abbilder lassen sich auch in Niko Abramidis &NEs Werk entdecken. Seine Gemälde “Gen Pnl (Dyor U 1)” und “Gen Pnl (Dyor U 3)” wurden mit Hilfe einer KI entwickelt und zeigen sphärische Tempelwelten, die mit griechischer Mythologie und Science-Fiction Symbolik durchsetzt sind. Zeitliche Anhaltspunkte verschwimmen und verschiedene Realitäten morphen zu einem surrealen Universum.
Die Arbeiten von Niko Abramidis &NE, Helga Dóróthea Fannon, Nicolás Lamas, Haroon Mirza und Jeremy Shaw lassen die Besucher*innen von einer Möglichkeit eines transzendalen Zustandes träumen. Dabei wird der Fokus immer wieder auf die technologischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts gelegt, die bereits sehr viel mystischer und magischer sind als gedacht.
WANN: Die Ausstellung “failed transcendence” ist noch bis zum 21. Oktober zu sehen.
WO: max goelitz, Maximilianstraße 35, Eingang Herzog-Rudolf-Straße, 80539 München.