3-Zimmer, Küche, Kunst
Angela Stiegler und Samuel Fischer-Glaser in der Galerie Francoise Heitsch

23. Februar 2024 • Text von

Eine Lampe mit Gesicht, ein Waschbecken aus Stoff und ein Tisch, der nicht alleine stehen kann, haben die Räumlichkeiten der Galerie Françoise Heitsch bezogen. Objekte, die befreit von ihrer ursprünglichen Funktion eigene Geschichten erzählen. Angela Stiegler und Samuel Fischer-Glaser zeigen aktuelle kollaborative und individuelle Werke, die größtenteils eigens für die gemeinsame Ausstellung “3-Zimmer-Wohnung” erarbeitet wurden.

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Ausstellungsansicht, Foto: Constanza Meléndez, Courtesy Galerie Françoise Heitsch München © VG-Bild Kunst Bonn, 2024.

Die Galerie Françoise Heitsch verwandelt sich für die Dauer der Ausstellung in eine geräumige Wohnung mit ausgefallenem Mobiliar und großformatiger Kunst an den Wänden. Der Titel der Ausstellung “3-Zimmer-Wohnung” wirft dabei mehrere Fragen gleichzeitig auf. Wer wohnt hier? Seit wann? Und was sagt die Einrichtung über die Bewohner*innen aus? Für ihre gemeinsame Ausstellung beschäftigen sich Angela Stiegler und Samuel Fischer-Glaser mit Aspekten des Wohnraums und die “3-Zimmer-Wohnung” wird zum Ausgangspunkt für neue Arbeiten. Herkömmliche Objekte des häuslichen Alltags werden ihrer Funktionalität entzogen und existieren fortan auf einer ästhetische Ebene.

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Ausstellungsansicht, Foto: Constanza Meléndez, Courtesy Galerie Françoise Heitsch München © VG-Bild Kunst Bonn, 2024.

Langsam dreht sich der dreiarmige Deckenventilator im Kreis. Zu langsam, um eine frische Brise zu erzeugen, aber schnell genug, um ein Schwindelgefühl bei den Betrachter*innen hervorzurufen. Daran angebracht sind zwei Overalls, die an den Ärmeln befestigt, wie leere Hüllen in einem unendlichen Kreis zu tanzen scheinen. Die im Delirium kreisende Kleidung verwandelt sich über den Köpfen der Besucher*innen in ein elektrisch betriebenes Mobile. Angela Stiegler weist dem Objekt des Ventilators in ihrer Arbeit “Neuer Ventilator (New Fan)” einen neuen Nutzen zu und deutet gleichzeitig die Abwesenheit zweier Personen an – die Bewohner*innen der besagten 3-Zimmer-Wohnung? 

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Angela Stiegler, Neuer Ventilator (New Fan), 2024, Ventilator, Ganzkörperanzüge, Kette, Kabel, 
240 x 110 x 110 cm // Samuel Fischer-Glaser, Byt Krausových (Kraus apartment), 2024, Acryl auf Leinwand, 
185 x 135 cm, Foto: Constanza Meléndez, Courtesy Galerie Françoise Heitsch München © VG-Bild Kunst Bonn, 2024.

Weitere Einrichtungsgegenstände bevölkern die Räumlichkeiten der Galerie. Samuel Fischer-Glasers Arbeit “Neuer Tisch (New Table)” aus dunkelrotem PVC kann nicht aus eigener Kraft aufrecht stehen, die weiche Materialität muss von einem Metallgerüst gestützt werden. Das Beistelltischchen wurde von Fischer-Glaser aus dicken, lederähnlichen Lappen kunstvoll zusammengenäht und entlang der Seiten mit floralen Cut-Outs verziert. Die materielle Zusammensetzung von PVC, Schnüren und Metall vermittelt einen Fetisch-Charakter, gleichzeitig handelt es sich um eine fragile Konstruktion, die besser nur betrachtet, nicht berührt werden sollte.

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Samuel Fischer-Glaser, Neuer Tisch (New Table), 2024, PVC, Wäscheleine, Stahl, 80 x 55 x 78 cm, Foto: Constanza Meléndez, Courtesy Galerie Françoise Heitsch München © VG-Bild Kunst Bonn, 2024.

Was darf außerdem nicht fehlen in einer 3-Zimmer-Wohnung? Die gemeinsame Arbeit “Neues Waschbecken (New Sink)” von Stiegler und Fischer-Glaser basiert auf der Formgebung eines Doppelwaschtisches der 1920er Jahre aus Porzellan. Eine aus grünlichem Samtstoff bestehende und mit Polyester gefüllte Abformung der Unterseite des Objekts bedeckt die zwei Ausbuchtungen des Waschbeckens. Das locker zusammengenähte und auf den Kopf gestellte Becken wird augenscheinlich zum Sofa, präsentiert sich weich und anschmiegsam auf dem hartem Porzellan des Originals. Losgelöst von seiner ursprünglichen Funktion liegt der Augenmerk nun auf der organisch anmutenden Körperlichkeit des gepolsterten Stoffes.

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Ausstellungsansicht, Foto: Constanza Meléndez, Courtesy Galerie Françoise Heitsch München © VG-Bild Kunst Bonn, 2024.

Weitere Hinweise auf die Bewohner*innen der 3-Zimmer-Wohnung tauchen auf. Fischer-Glasers Arbeit “Neue Lampe (New Lamp”) zeigt ein in Epoxydharz gegossenes, rundliches Gesicht mit dem Schriftzug “Kartoffeln” auf der Stirn. Es handelt sich um den Abguss einer anthropomorphen Porzellanfigur. Ein Fries aus Fotografien mit dem Titel “Pear” gibt Hinweise auf einen gefräßigen Untermieter, das Gemälde “Semlerova rezidence (Semler house)” verweist auf einen rundlichen Eindringling im Treppenhaus.  Vielleicht ist die Frage nicht wer, sondern was wohnt hier. Für die Dauer der Ausstellung “3-Zimmer-Wohnung” bevölkern zweckentfremdete Objekte die Räumlichkeiten der Galerie, richten es sich wohnlich ein und machen es sich gemütlich. Es ist die Kunst, die den vier Wänden Leben einhaucht und Geschichten spinnt.

WANN: Die Ausstellung “3-Zimmer-Wohnung” läuft noch bis zum 09. März. 
WO: Galerie Françoise Heitsch, Amalienstraße 19, 80333 München.

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