Archäologie der Zukunft Niko Abramidis &NE bei Max Goelitz
18. September 2020 • Text von Quirin Brunnmeier
Zwischen Corporate Identitiy und Graffiti, Architektur und wirtschaftlichen Kreisläufen. Niko Abramidis &NE spielt mit Symbolen und der Formensprache international agierender Konzerne, er überspitzt und verfremdet dabei die Ästhetik und Haltung der Finanzökonomie. In seiner ersten Einzelausstellung “NE><ECON” bei max goelitz schafft der Künstler eine beeindruckende multimediale Rauminstallation mit skulpturalen und technischen Objekten, Gemälden und Zeichnungen.
Wer in den letzten Monaten die Nachrichten verfolgt hat, konnte, neben den omnipräsenten viralen Neuigkeiten, auch ein finanzielles Drama erheblichen Ausmaßes beobachten. Der Finanzkonzern Wirecard, große Hoffnung der deutschen Tech-Szene, brach krachend in sich zusammen. Schnell war von Betrug und fingierten Zahlen die Rede, sagenhafte 1,9 Milliarden Euro waren verschwunden. Büros in Singapur existierten nur auf dem Papier und ein erheblicher Teil der Umsätze soll vermeintlich in einem kleinen Apartment im Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt, abgewickelt worden sein. Mehrere Manager sind bereits im Gefängnis, der CFO befindet sich auf der Flucht. Die Logik globaler Finanzströme, internationale Vernetzungen und die dazugehörige Ästhetik von Lounges, Bürotürmen und Eck-Büros sind auch die Ausgangspunkte von Niko Abramidis &NE künstlerischer Praxis.
In seinen Zeichnungen, Malereien, Skulpturen und Rauminstallationen konstruiert er parallele Narrative, in denen Versatzstücke unterschiedlicher Corporate Identities mit archaischer Symbolik, technischen Interfaces und neuen Technologien verschmolzen werden. Niko Abramidis &NE schafft dabei einen enigmatischen Kosmos, in dem er sich bewusst Ausdrucksformen der Ökonomie kritisch aneignet und diese erweitert. Dieser Prozess scheint dabei weniger strikt analytisch als vielmehr subjektiv assoziativ. Verweise zu ökonomischen Strukturen stehen hier neben durchaus dystopischen Zukunftsvisionen, Bildmaterial, das man aus PR-Kampagnen zu kennen meint, wirkt im neuen Kontext geradezu bizarr. Niko Abramidis &NE setzt gekonnt Verweise und Referenzen und spielt mit Bildern aus unserem kollektiven Gedächtnis.
Für seine
In Niko Abramidis &NE’s Kosmos existieren die Mythen längst kollabierter Hochkulturen gleichwertig neben hochaktuellen Technologien, die Zeitebene scheint aufgehoben. Realität und Fiktion bedingen einander und werden zu etwas Neuem geformt. Die scheinbare Rationalität wirtschaftlicher Systeme wird unterwandert und mit leichter Ironie gebrochen. Dennoch gleitet der künstlerische Kosmos von Niko Abramidis &NE nicht in die bloße Karikatur oder Parodie der existierenden Systeme ab. Durch die Schichtung unterschiedlichster Ebenen schafft er ein Gesamterlebnis, das fast so undurchdringbar und geheimnisvoll bleibt wie das Geschäftsmodell von Wirecard. Nur um einiges poetischer.
WANN: Die Ausstellung ist noch bis Samstag, den 24. Oktober, zu sehen.
WO: max goelitz, Maximilianstraße 35, 80539 München.