Referenzen mit Tragweite
Francis Offman bei Deborah Schamoni

18. Februar 2024 • Text von

Wie schafft man die Verbindung persönlicher und gesellschaftlicher Ebenen?  Francis Offman lotet in seinen Bildern die Mechanismen von Erinnerungen und Gedankenverknüpfungen auf persönlicher, kollektiver und materieller Ebene aus. Seine Gemälde, die an den Schnittstellen von Malerei und Collage zu verorten sind, sind bei Deborah Schamoni zu sehen.

Installation view, Francis Offman: Keep Looking, Deborah Schamoni, 2024, Courtesy the artist, Deborah Schamoni, and Herald St, London Photo: Uli Gebert.

Die großformatigen Bilder von Francis Offman hängen lose an den Wänden der Galerie Deborah Schamoni. Sie sind nicht auf Keilrahmen gespannt oder durch andere Mechanismen befestigt. So wirken sie reichhaltig, komplex und fragil gleichermaßen, Oberflächen überschneiden sich, Farben und Objekte kollidieren. In seiner ersten Ausstellung in Deutschland präsentiert Offman, der in Ruanda geboren ist und in Italien lebt, eine Auswahl seiner freien Kompositionen, die an den Schnittstellen von Malerei und Collage zu verorten sind. Ihre abstrakte Bildsprache ist durch unregelmäßige Konturen und Flächen gekennzeichnet, die Motive assoziativ. Die Gemälde evozieren eine gewisse Lebendigkeit, entwickeln eine eigene Dynamik und Farbigkeit.

Installation view, Francis Offman: Keep Looking, Deborah Schamoni, 2024, Courtesy the artist, Deborah Schamoni, and Herald St, London Photo: Uli Gebert.

Francis Offman nutzt unterschiedliche Materialien, die er in malerischer Manier schichtet. Dabei verbindet der Künstler unterschiedliche persönliche und gesellschaftliche Ebenen. Er nutzt alltägliche und einfache Materialien, die er findet oder die ihm geschenkt werden. Er kombiniert so zum Beispiel Papier, das ihm persönlich aus China mitgebracht wurde, mit dem Kaffeesatz aus dem Espresso einer fremden Person oder mit Tapetenstoff, den jemand von den Wänden aufgelassener Läden abgekratzt hat. Das Ergebnis ist ein subtiles Netzt aus Verweisen, in dem das globale System der Waren- und Müllzirkulation mit höchstpersönlichen Erlebnissen und Erinnerungen verwoben wird.

Francis Offman: Untitled, 2020-2024, Francis Offman: Keep Looking, Deborah Schamoni, 2024, Courtesy the artist, Deborah Schamoni, and Herald St, London Photo: Uli Gebert.

In collagierter Form auf den Leinwänden arrangiert entstehen fragmentierte Bildräume, in denen Motive lediglich angedeutet werden und Narrative unausgesprochen bleiben. Die Bilder bleiben zunächst kryptisch und enigmatisch. Francis Offman lotet die Mechanismen von Erinnerungen und Gedankenverknüpfungen auf persönlicher, kollektiver und materieller Ebene aus. So entstehen Dialoge zwischen der Makro- und der Mikro-Ebene, die Betrachter*innen können dabei im Austausch ihre Perspektive erweitern und ihre Sinne für Nuancen schärfen.

Francis Offman: Untitled, 2020-2024, Francis Offman: Keep Looking, Deborah Schamoni, 2024, Courtesy the artist, Deborah Schamoni, and Herald St, London Photo: Uli Gebert.

Die einzelnen Arbeiten haben keine individuellen Titel, die Ausstellung in der Galerie wird jedoch unter dem auffordernden Titel “Keep Looking” präsentiert. Man kann dies durchaus als doppelten Hinweis verstehen: Als Appell, sich den präsentierten Bildern im Detail zu widmen, deren Risse und Wunden zu erkennen und zu verstehen. Francis Offman verleiht dem alltäglichen Material ein poetisches Potenzial. Gleichzeitig kann der Ausstellungstitel als Mahnung verstanden werden, sich der Komplexität der Welt nicht zu verschließen, sondern sich weiterhin auf die Suche nach verbindenden Elementen zu begeben.

WANN: Die Ausstellung “Francis Offman: Keep Looking” ist noch bis 24. März zu sehen.
WO: Deborah Schamoni, Mauerkircherstraße 186, 81925 München.

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