Die Schönheit des Biests Kottie Paloma bei Definition of Done
24. November 2023 • Text von Lara Brörken
Der Mensch und seine Eigenheiten, seine dunklen wie hellen Seiten und seltsamsten Verhaltensmuster interessieren Kottie Paloma. Unter der Überschrift “Rare Works on Paper” zeigt der amerikanische Künstler in der jungen Galerie Definition of Done schonungslos, was den Menschen zum Menschen macht. Auf dem zarten Medium Papier reißen sich Figuren die Bäuche auf – sie spielen, leiden und lachen.
“Selbst Engel weinen, Engel leiden; Engel fühl′n sich mal alleine; Sie verzweifeln wie jeder and’re; Fallen tief und haben Feinde” – überraschenderweise eignen sich Bens Song-Lyrics von 2002 trotz des triefenden Kitschs gut, um das, was Kottie Palomas Figuren durchmachen, zusammenzufassen. Schonungslos zeigt der Künstler sie verwundet, stürzend oder in ihre Einzelteile zerfallen. Seine selten zu sehenden, überwiegenden Papierarbeiten entstanden in den letzten zehn Jahren und sind aktuell bei Definition of Done, einem jungen Space in Köln, zu sehen. Mit “Rare Works on Paper” klatscht einem Kottie Paloma die menschliche Realität vor die Nase, mal engelsgleich, mal diabolisch, sodass ihr Betrachten gelegentlich genauso unangenehm ist, wie diesen Song von Ben wieder im Ohr zu haben.
Das Unangenehme ist mit Kottie Paloma jedoch nicht negativ zu verstehen, sondern ehrlich. Der Mensch ist nun mal so, er kann unangenehme Gefühle auslösen, empfinden und auch auslöschen, genauso, wie er Ursache von sehr angenehmen Empfindungen sein kann. Paloma zeigt Figuren mit Flügeln, die trotz sichtbarer Wunden ein Lächeln im Gesicht haben. Sie tollen nackt oder tanzen um einen Totenkopf herum, beziehungsweise so mancher Körperhaltung nach zu urteilen, scheißen sie gar auf ihn. Der Tod kann ihnen nämlich gar nichts anhaben, er ist vielmehr der Spielgefährte, den sie an ihrer Seite akzeptieren.
Eine kantige freche Linie zeichnet seine Figuren aus, lässt sie roh, rabiat und gleichzeitig verspielt erscheinen. Sie wirken unerschütterlich, ungeachtet der omnipräsenten Endlichkeit, die Paloma in Kreuzsymbolik oder Schädelknochen wiederkehrend andeutet. Es ist, als seien mit Kottie Paloma Homo ludens, faber und sapiens in der Definition of Done-Höhle zusammengekommen. Sie bilden die Geschichten ihres Lebens, des Überlebens und des Sterbens ab. Ihre spielerische, lustvolle Linie regt helle und dunkle Gedanken an, berichtet ungefiltert vom Dasein, ganz frei von Kitsch. Wären da nicht die Rahmen, die den Ausstellungskontext manifestieren, wäre die Grenze zur prähistorischen Wandmalerei klitzeklein.
Großformatig und in strahlender Farbigkeit saugt ein freier Fall die Besucher*innen ganz nach hinten, ans Ende des schlauchigen von Säulen und schmalen Gängen ausgezeichneten Ausstellungsraumes. Mit dem Werk “Runtergefallen” fängt Kottie Paloma einen orangenen nackten Körper im unkontrollierten Moment des Sturzes ein. Die Gliedmaßen der Figur stehen unnatürlich und unproportional zu allen Seiten ab. Eine schwarze Linie zieht sich von Schulter zu Schulter und lässt auf einen Bruch schließen. In der oberen rötlichen Bildhälfte wurde die Kontur eines Rades in die Farbe gezogen und ist vermeintlicher Hinweis auf die Sturzursache. Schmerz ist nur zu erahnen, denn die strahlende Farbe und die karikatureske Verzerrung sind vielmehr unterhaltsam, als dass das Werk Mitleid erweckt.
Mitleid ist womöglich das einzige Gefühl, dass Kottie Palomas direkter Strich ausklammert. Das Groteske, Brutale, Komische und somit Urmenschliche wird unterstrichen, macht nachdenklich und lässt schmunzeln. Zum Beispiel dann, wenn drei ihrem Genital zu urteilen biologisch männliche Figuren sich in ihrer haarigen und nackten Pracht auf dem Papier verrenken. Der eine scheint Anlauf zu nehmen, wie ein Sprinter beim Start seinen Oberkörper inklusive der Arme nach vorne zu werfen. Doch er kommt etwas ungelenk daher, scheint überrascht von der plötzlichen Eile auf dem Papier zu schlackern. Ein anderer hebt sein rechtes Knie und die Arme, während er einem direkt in die Augen sieht. Wie ertappt blickt er aus dem Blatt in den Raum. Auf einem Bein stehend, das sich Anschleichen übend, sich streckend und reckend sehen “Crazy One – Three” aus, als machten sie prähistorische Gymnastik, Neandertaler-Yoga sozusagen.
Menschliche Abgründe und ihre engelsgleichen Seiten liegen mit “Rare Works on Paper” von Kottie Paloma bei Definition of Done nah beieinander. Das Genital des Todes ist ein Peace-Zeichen, wolfsähnliche Tiere fletschen ihre Zähne, Mensch und Engel gestikulieren mit betont großen Händen und Füßen. In der Überzeichnung des Unangenehmen, des puren Schmerzes, in der zackigen Linie entsteht ein eigensinniger Humor, der Leichtigkeit bringt.
Kottie Palomas “Rare Works on Paper” bringen auf den Punkt, was auch Ben schon zu sagen versuchte, sie lassen nur den Kitsch weg und sind somit noch ein bisschen näher an der Realität. Sie gehen offen damit um, dass Menschen nicht immer Engel sind, sondern auch mal rabiate Teufel – eine wirklich sehr erfrischende Realitätsklatsche.
WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Freitag, den 12. Januar 2024.
WO: Definition of Done, Lütticher Straße 44, 50674 Köln.