Mission: Widerstand Klara Lidén in der Galerie Neu
4. Oktober 2023 • Text von Katrin Krumm
Klara Lidén bespielt die Berliner Galerie Neu mit den Überbleibseln einer Stadtkulisse. Zu sehen sind Leuchtreklameschilder und Stromkästen, die den Schauplatz für ihre Videoinstallation “(0, 0, 0)” bilden. Darin folgt man einer unbekannten Person auf einem Gang durch die Straße. Es geht um die Wiederaneignung von öffentlichem Raum.
Es gibt viele Arten, den Stadtraum per Fuß zu erkunden. Die Art des Laufens in Klara Lidéns Videoinstallation “(0, 0, 0)” in der Berliner Galerie Neu ist das Gegenteil von einem ziellosen Schlendern. Es ist ein geradliniges Gehen, unterlegt von einem dumpfen Sound, der entfernt an Sirenen erinnert.
Im Video ist nicht viel von der Person zu erkennen, die die Betrachter*innen mitnimmt auf ihre Tour durch die Stadt. Die als Rücken erkennbare Form im Zentrum des Bildschirms zeigt konsequent in Richtung der Kamera. Die schwarzen Konturen der Silhouette lassen zuweilen den Umriss eines Körpers erahnen: Torso, Schultern, Arme. Die Mitte ist so sehr abgedunkelt, dass es ein reines Schwarz ist, woraus sich der Titel “(0, 0, 0)” ableitet – der RGB-Code für die Farbe Schwarz. Gleichzeitig beschreibt der Code das Fehlen von Informationen. Wie auch in Bezug auf die Farbe ist vom Protagonist*in des Videos nichts bekannt. Es ist eine anonyme Stellvertreterfigur, aus deren Perspektive Besucher*innen den Raum erleben.
An den Bildschirmrändern sind links und rechts abwechselnd Containerlandschaften zu sehen, aber auch Straßenzüge. Fast alle sind leer. Die Szenen sind weniger Verweise auf konkrete Orte, sondern stehen symbolisch für einen öffentlichen Raum. Die Komposition in Verbindung mit der Bewegung nach vorne lässt an Videospiele in Egoperspektive denken, die in fiktiven Großstädten spielen. Darauf weist auch der Sound hin, mit dem die Installation unterlegt ist. Er wurde dem Action-Spiel Grand Theft Auto entnommen und so nachbearbeitet, dass nur ein Echo des Ursprünglichen übrig bleibt.
Eingerahmt wird die Szenerie der Videoarbeit von einem reduzierten Abbild des Stadtraums, welchen Lidén in den Galerieraum überträgt. Werbelose Leuchtschilder, normalerweise an Läden angebracht, säumen die Wände und beleuchten den dämmrigen Raum.
Bei genauerer Betrachtung lassen sich darin Rückstände aus ihrer Nutzung erkennen. Winzige Fliegen befinden sich in den silbernen Metallfassungen, auf der glatten Oberfläche sammeln sich feine Schlieren und Schmutz. Die Arbeiten tragen Namen wie “Untitled (Berliner Zeitung)”, “Untitled (Lightbox Apotheke)” oder “Untitled (Köpenick)”. Je nach Blickrichtung sind die abgeschliffenen Logos als Schatten zu erahnen. Indem Lidén sie auf ihren Nutzen als Lichtquelle reduziert, verstärkt sie ihren symbolischen Charakter als Stellvertreter von Eckpfeilern des öffentlich gelebten Lebens.
Verheißungsvoll und feindselig zugleich führt “(0, 0, 0)” die Straße als politischen Ort gelebter Öffentlichkeit ein. Das Gehen kann darin als demonstrativer Akt der Wiederaneignung des öffentlichen Raums gelesen werden. Dass dabei auf Widerstand getroffen werden kann, wird von Anfang an in Kauf genommen. Dies wird auch durch Kameraführung und Bildaufbau in visueller Anlehnung an Action-Videospiele verstärkt. Sie suggeriert eine konfrontative Haltung und betont die unterschwellige Existenz von Gewalt. Trotz der Anonymität der Figur entsteht zwischen Protagonist*in und Betrachtenden ein konspirativer Plan, der in einer wortlosen Vereinbarung getroffen wurde. Als würden sie selbst den spielbaren Charakter in den Videos steuern, laufen sie in dieselbe Richtung. Am Ende steht die Mission als kollektiv angestrebtes Ziel im Raum.
WANN: Die Ausstellung “(0, 0, 0)” läuft nur noch bis Samstag, den 7. Oktober.
WO: Galerie Neu, Linienstraße 119, 10115 Berlin.