Jahresausstellung an der AdBK München Aktuelle Arbeiten von Studierenden
25. Juli 2023 • Text von Julia Anna Wittmann
Die Akademie der Bildenden Künste München öffnet zum Ende des Sommersemesters ihre Tore. Dieses Jahr sind keine Abschlussarbeiten zu sehen, stattdessen zeigen Studierende aller Jahrgänge und Studiengänge ihre aktuellen Werke. Zur Eröffnung am Samstag, den 22. Juli, durchströmten wieder tausende Besucher*innen die Ateliers und Werkstätten, die noch bis Ende der Woche zugänglich sind. Ein rauschendes Fest bis in die Morgenstunden ließ Erinnerungen an präpandemische Zeiten hochkommen.
Die diesjährige Jahresausstellung an der Akademie der Bildenden Künste München fühlt sich wieder so an wie früher, wie vor der Pandemie. Die Gänge sind belebt, es findet ein reger Austausch statt, ohne Abstand und mit viel Kunst. Zu sehen sind zahlreiche Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Installation, Performance, Fotografie, Video, Schmuck und Gerät, Bühnenbild, Sound, Architektur und Innenarchitektur. Es folgt eine Auswahl aktueller Arbeiten von Studierenden, die bei einem Besuch der Jahresausstellung nicht verpasst werden sollten.
Rosanna Marie Pondorf, Klasse Kogler
In ihrem neuen Werkzyklus “Wertschöpfungspapier” beschäftigt sich Rosanna Marie Pondorf mit dem Kreislauf von Wertschöpfungsprozessen und geht damit der Frage nach, ob etwas Entwertetes durch den Akt des “Kunstmachens” neuen Wert erhalten kann. Dafür schöpfte die Künstlerin Papier aus entwerteten Euroscheinen und nutzte dieses als Material für eine digitale Collage. Darauf zu sehen sind verzerrte Screenshots der “Börse Online”, einer Website zur Nachrichtenlage an der Börse. Die Collage zeigt Momentaufnahmen eines sich ständig verändernden Kurses, eine Aneinanderreihung flüchtiger Momente, die zum Zeitpunkt des Screenshots schon nicht mehr aktuell waren.
Hannah Jeong, Klasse Kretschmann
Es liegt eine gewisse Melancholie in der Luft. Mit weichen Pinselstrichen bringt Hannah Jeong vier Gestalten, oszillierend zwischen Mensch, Tier und Pflanze, auf die Leinwand. Sie befinden sich in einem Wald, es ist dunkel und doch scheint ein Licht zu strahlen. Die Lunge des Mädchens auf dem Stuhl erscheint rot und verletzlich auf ihrer Brust. Sie ist umringt von ihren Begleiter*innen – Freund*innen, die Trost spenden? Jeongs Malereien sind träumerisch, fantasievoll und intim. Die Künstlerin erzählt auf jeder ihrer Leinwände eine Geschichte, gewebt aus persönlichen Erinnerungen, Träumen und Erfahrungen, in die die Besucher*innen eintauchen können.
Ömer Kaplan, Kolossaal
Ömer Kaplan bringt für seine Arbeit “Territories and Traces” 36 Treppenstufen vom Boden an die Wand, von der Horizontalen in die Senkrechte. Der Künstler rettete die Treppenstufen aus dem Haus seiner Kindheit, einem Mehrfamilienhaus in München. In der Einbuchtung des Kolossaals fächern sich die hölzernen Stufen mit gleichmäßigem Abstand zu einer minimalistischen Installation auf. Über 130 Jahre Geschichte stecken in den einzelnen Holzelementen, die sich, ihrer ursprünglichen Funktion entwendet, auf Kopfhöhe der Betrachter*innen befinden. Durch die Änderung der Perspektive können die Spuren, die die Bewohner*innen über die Jahre im Holz hinterlassen haben, nun von nahem betrachtet werden.
Milena Wojhan, Akademiegebäude
Im Nadelstreifenanzug und mit sechs Tier-Zitzen bestückt, hinterlässt Milena Wojhan eine Spur aus Milch in der Akademie. Während der Performance “Lupa” bewegt sich die Künstlerin mit einem speziell von der Maskenbildnerin Maxi Schwarzkopf angefertigten Torso durch die Jahresausstellung, interagiert mit Besucher*innen, verteilt Gläser mit Milch und verschenkt Visitenkarten. Ein skurriles Bild, das bei Besucher*innen gemischte Reaktionen hervorruft und irritiert. Ausgestattet mit tropfenden Zitzen verweist Wojhan auf den Mythos der Prostituierten Laurentia, kurz Lupa. Sie soll, anstelle der im Gründungsmythos der Stadt Rom erwähnten Wölfin, die Amme von Romulus und Remus gewesen sein – “Lupa” wird schließlich mit “Wölfin” übersetzt.
Maximilian Gutmair, Klasse Haliti
Maximilian Gutmair präsentiert einen Springbrunnen der etwas anderen Art. Vier groteske Fratzen werden von blauem Wasser getränkt, das aus überdimensionalen, detailreichen Vulven heraus tropft. Ebenfalls als Dekor angebracht sind zahlreiche Brüste, an deren Nippeln das Wasser herabrinnt, bevor es in die offenen Münder der verzerrten Gesichter fließt. Die Arbeit “Narziss am Muttertropf” spielt auf die Sage des Narziss an, ein wunderschöner Jüngling, der beim Versuch, sich mit seinem Spiegelbild zu vereinen, ertrinkt. Der Brunnen verweist zum einen auf Mutter Natur und zum anderen auf die Gefahr, diese zu missachten.
Zahra Ghadimian, Vestibül
Immer wieder stampft Zahra Ghadimian mit ihrem rechten Fuß auf den Boden. Sie befindet sich im Vestibül, dem offenen Foyer im ersten Stock des Altbaus. Weitere junge Frauen steigen ein und beginnen ebenfalls mit den Füßen auf den Boden zu stampfen. Ein rhythmischer Klangteppich entsteht, laut und energetisch. Nach wenigen Minuten endet die Performance so plötzlich, wie sie begonnen hat. Gestampft wird im Takt des eindringlichen Sprechgesanges “Hoch die internationale Solidarität”, der aktuell auf Demonstrationen in Deutschland gegen das iranische Regime erklingt. Die Künstlerin ruft mit ihrer gleichnamigen Performance genau dazu auf. Besucher*innen können einsteigen, ebenfalls laut aufstampfen und ein Teil des solidarischen Kollektivs werden.
WANN: Die Jahresausstellung ist noch bis Sonntag, den 30. Juli zu sehen.
WO: Akademie der Bildenden Künste München, Akademiestraße 2, 80799.