Fließender Austausch
Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Köşk

16. April 2021 • Text von

Der Titel “IN FLUX” macht es bereits deutlich. Die Ausstellung von Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Münchner Kunst- und Kulturraum Köşk befindet sich in einem konstanten Wandel, in einem Zustand der ständigen Veränderung. Ein Geflecht aus Arbeiten und Ideen entsteht, welches sich auf den ersten Blick einer klar zu definierenden Autor*innenschaft entzieht.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht von IN FLUX mit Skulpturen vom Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Köşk.
IN FLUX: Maxine Weiss und Ömer Kaplan, Ausstellungsansicht, Köşk, 2021.

Bevor die Münchner Inzidenz wieder über 100 lag, war es wenigstens ein paar Tage lang möglich die Ausstellung IN FLUX von Maxine Weiss und Ömer Kaplan von Innen zu sehen. Der Besuch per Time Slot hatte zudem einen großen Vorteil: die zwei Akademie Studierenden konnten jede*r Besucher*in eine private Führung geben durch das Köşk geben. So wurde der Ausstellungsbesuch zum privaten Event und der Austausch über die Kunst zum Teil des Konzeptes. Eine Erfahrung, die in dieser Art und Weise erst durch die aktuelle Situation möglich wurde. Die Künstler*innen bespielen den Ausstellungsraum des Kösk in dieser Konstellation nicht zum ersten Mal. Bereits im Dezember 2020 hatten sie die Möglichkeit, in dem großzügigen Raum zu arbeiten und auszustellen. Die Ausstellung IN LIMBO war damals jedoch nur von außen, durch die großen Fensterfronten, einzusehen. Zwei Wochen lang beschäftigten sich Weiss und Kaplan mit dem Spannungsverhältnis von Natur, Künstlichkeit und Körper. Sie erstellten Werke, bauten sie auf, bauten sie ab und befanden sich dabei in einer prozesshaften Auseinandersetzung mit ihrer Kunst und einander. IN FLUX ist die Weiterführung dieses Konzeptes.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht von IN FLUX mit Skulpturen vom Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Köşk.
IN FLUX: Maxine Weiss und Ömer Kaplan, Ausstellungsansicht, Köşk, 2021.

Erneut finden sich Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Kösk ein, um in zwei zeitintensiven Wochen neue Werke zu kreieren, alte zu ergänzen und sich in einen spielerischen Schwebezustand der konstanten Veränderung zu begeben. Nach Titeln sucht man vergebens. Eine klare Unterscheidung ihrer Arbeiten auf den ersten Blick ist nicht möglich und nicht gewollt. Auf den zweiten Blick sind durchaus Werke zuzuordnen, die jedoch vom ständigen Austausch der beiden Künstler*innen profitieren. Das gemeinsam erarbeitete Konzept der Ausstellung ist darauf ausgelegt, dass sich die Platzierung der Werke im Raum laufend verändert und neu zusammenfügt – Wandtexte oder Beschriftungen würden nur stören.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht von IN FLUX mit Skulpturen vom Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Köşk.
IN FLUX: Maxine Weiss und Ömer Kaplan, Ausstellungsansicht, Köşk, 2021.

Für die Dauer der Ausstellung begleiten die zwei Künstler*innen die Erstellung neuer Werke über ihre Instagram Accounts. Hier dokumentierte Ömer Kaplan auch die Konservierung von Zimmerpflanzen mittels Vakuumbeutel und Staubsauger. In einem fast schon gewalttätigen Akt entzieht der Künstler den Pflanzen die Luft zum Atmen. Zurück bleiben flach gepresste Blätter in starren Plastikbeuteln, die trotz alldem immer noch grün und satt wirken. Es scheint als wolle der Künstler eine Momentaufnahme der Pflanzen bewahren. Ömer Kaplans Faszination der Natur wird in einer weiteren Arbeit deutlich. In unmittelbarer Nähe spannen sich schmale Weidenäste mit Hilfe von schwarzen PVC-Bändern zu einer raumgreifenden Installation auf. Die unter Spannung stehenden Äste biegen sich zu weiten Bögen, die eine gesamte Ecke des Ausstellungsraumes einnehmen und den Luftraum durchschneiden.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht von IN FLUX mit Skulpturen vom Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Köşk.
IN FLUX: Maxine Weiss und Ömer Kaplan, Ausstellungsansicht, Köşk, 2021.

Direkt daneben windet sich eine Spur aus Bitumen über den Boden. Normalerweise wird das Material zum Flicken und Füllen von Löchern im Asphalt benutzt. Auf dem Boden des Ausstellungsraumes fügt sich Maxine Weiss’ Arbeit fast nahtlos in die vielen kleinen Unebenheiten des Betons ein. Zahlreiche, in gleichen Abständen angebrachte “Nasenzwicker” erzeugen das Bild eines locker drapierten Kettensägeblatts, welches sich nach näherer Betrachtung als eine ephemere Verbindung von Natürlichkeit und Künstlichkeit erweist. Wiederkehrende Motive und Materialitäten ziehen sich durch den Ausstellungsraum. In zwei freischwebenden Metallrahmen überlagert Weiss feingliedrige Gittergewebe aus Kunststoff und Metall zu einer dreidimensionalen Komposition. An der Wand befinden sich wiederum skulptural verformte Objekte aus Volierendraht, die von Kaplan in einem performativen Akt des Spannungsaufbau und der Energieentladung geformt wurden. Doppelungen sind auch in den auf Stoff gedruckten Fotografien zu erkennen, die Weiss mit ihrer Handykamera aufgenommen hat und sie mit Charakteren aus Filmen und Serien zu collagenartigen Portäts verschmelzen lässt.

Zu sehen ist eine Ausstellungsansicht von IN FLUX mit Skulpturen vom Maxine Weiss und Ömer Kaplan im Köşk.
IN FLUX: Maxine Weiss und Ömer Kaplan, Ausstellungsansicht, Köşk, 2021.

Warum diese beiden Künstler*innen gerne zusammenarbeiten, wird schnell klar. Auch wenn sie unterschiedliche Herangehensweisen an den Tag legen, harmonieren ihre Arbeiten aufgrund einer kongruierenden Ästhetik, die sich durch die ganze Ausstellung zieht. Holz, Äste und Pflanzen werden mit industriellen Materialien wie Beton, Gummi, Draht und Plastik in Verbindung gebracht und kombiniert. Während Weiss Kompositionen, Doppelungen und Überlagerungen aus gefundenen Materialien erstellt, visualisiert Kaplan Spannungen und Kräfte. Es entsteht ein ineinandergreifendes Gewebe aus Ideen, das sich durch konstanten Austausch prozesshaft weiterentwickelt. IN FLUX wird erst nach dem letzten Ausstellungstag fertig gestellt sein.

WANN: Durch die Fensterfront bis Samstag, den 17. April 2021 zu sehen.
WO: Köşk, Schrenkstraße 8, 80339 München.

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