Humor und Trotz Mathis Altmanns "Butcher Block"
20. Mai 2021 • Text von Christina-Marie Lümen
Der Galerieraum als begehbare Installation: In seiner Ausstellung “Butcher Block” in der Efremidis Gallery verhandelt Mathis Altmann Themen von euphemistischer Co-Working Mentalität zu zwielichtigen Immobiliengeschäften. Systemkritik bei Wohlfühl-Musik und high-polish Ästhetik.
Entspannende Vibes und Zukunfts-Atmosphäre,: Ein heller, flauschiger Teppich, drei makellose Wände, jeweils in hellgrau; von oben grünes Licht aus langen Neon-Röhren. Die Ästhetik schwebt zwischen Test-Zentrum – Version “fancy” – und modern-anynomer Arbeitsumgebung. An den Wänden finden sich verschiedene Lichtschriftzüge, “wedont”, “wewontwork”, “wewont”. Sprachlich wie visuell greifen die Arbeiten das Emblem des international bekannten Co-Working Unternehmens auf. Bezugsrahmen der Ausstellung ist somit der zeitgenössische gemeinsame Arbeitsraum. Vielleicht werden die Co-Working Spaces derzeit ebenfalls in Testzentren umfunktioniert?
Die Schriftzüge gehen zurück auf ein Poster, welches der Künstler 2019 in der von Hans-Ulrich Obrist kuratierten Ausstellung “It’s urgent” in der Foundation Luma in Zürich zeigte. Hierauf persiflierte Mathis Altmann die “wework”-Mentalität durch ein schlichtes “wedontwork”. Die elektronischen Versionen in “Butcher Block” nun führen die ursprüngliche Geste des Trotzes nun weiter und intensivieren durch Licht und Plastizität ihren Effekt. Die Arbeiten bilden eine Edition von jeweils zwei Arbeiten und einem AP.
Die zweite Werkgruppe der Ausstellung besteht aus sechs verspiegelten Paneelen, auf welchen sich jeweils LED-Bildschirme und diverse unzusammenhängende Gegenstände befinden: Hühnerknochen, eine preisgünstige Kette mit rosa Strass, eine halbierte blaue Plastiktonne. Ultra-flashy meets ultra-trashy. “Powerlifestyles (versions)”, 2021, zeigt ein wie ein Apotheker-Kreuz anmutenden LED-Screen auf verspiegelter quadratischer Oberfläche. In den Ecken sind jeweils ein Hühnerknochen auf einer kleinen Plastikvorrichtung mit Golddraht befestigt. Einer der Knochen trägt ein Piercing. Die Themen Gesundheit, Körperkultur, Technologie und Tod/Verfall werden hier auf seltsame Weise miteinander verbunden.
Weitere Arbeiten zeigen auf ihren LED-Oberflächen junge, lächelnde Gesichter, Arbeitsräume, scheinbare Werbebilder. Der Zusammenhang zwischen den dazu befestigten Objekten offenbart sich nicht notwendigerweise unmittelbar. Ein gefundenes, abgenutztes Immobilien-Werbeplakat verweist auf die Kehrseiten dieses glänzenden – “shiny” – Marktes und vermittelt in seiner Ambivalenz erneut den Charakter der Arbeiten zwischen Luxusobjekt und Trash.
Der LED-Screen in “Corpus Oeconomicus” zeigt nacheinander die Begriffe “Mindfullness”, “Gratitude” und “Self”. In einer Assemblage im unteren Teil der Arbeit findet sich unter einer Plexi-gläsernen Halbkugel der Schriftzug “to serve”, hinterlegt mit roter Farbe. Da ist er, der “Butcher Block”. Im Ausstellungstext von Steven Warwick heißt es dazu: “the “Butcher Block”, used as domestic decor in which nostaligia is an unlived fantasy for industrial labor.” Der Handwerksschlachtblock als zeitgenössisches Wohnaccessoire mit Nostalgiepotenzial und – Funktion.
In der Ausstellung finden sich zunächst weder Nostalgie noch Schlachtblock. Der Raum präsentiert sich als seltsam sterile Zukunftseuphorie, die Atmosphäre lädt mit weichem Teppich und ruhiger Musik zum Verweilen ein. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich jedoch eine Destrukti- und Aggressivität, welche mit dem vordergründig Visuellen nur schwer in Einklang zu bringen ist. Erneut Steven Warwick: “today’s violence exists as deliberately bland or “neutral” twee artisanal labor (Avatar) where one can feel rustically echt while living in the most advanced technological bubble. … The violence is still there, it just now has a cutesy smile masking it :)”. #Knowyourenemy.
Mathis Altmann studierte Fotografie, arbeitete nachfolgend überwiegend skulptural und installativ, mit zunehmendem Einfluss der Technologie. In “Butcher Block” fusionieren diese verschiedenen Techniken und Herangehensweisen zu einer umfassenden Gesamtinstallation mit zahlreichen möglichen Rezeptionsebenen. In ihrer Ambivalenz beschreibt die Ausstellung die Produktionsmechanismen eines spätkapitalistischen Zeitalters. Wenn nicht mit Humor genossen, verleitet diese Betrachtung zu Pessimismus und Verbitterung. Zuvor sorgen die diversen Gegenstände in den Arbeiten jedoch für einen sympathischen Break; oder die Betrachter*innen verlieren sich in der Instagrammability der Installation. Hochglanz-Konsumkultur mit einer starken Prise Zynismus und Into-Your-Face-Gesinnung.
WANN: Die Ausstellung “Butcher Block” läuft noch bis Sonntag, den 20. Juni.
WO: Efremidis Gallery, Ernst-Reuter-Platz 2, 10587 Berlin.
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