Am Rande des Verschwindens "Homeless" von Gregor Schneider bei Konrad Fischer
10. Oktober 2023 • Text von Carolin Kralapp
Die Auseinandersetzung mit Räumen ist für die künstlerische Arbeit von Gregor Schneider von zentraler Bedeutung. Ihnen wohnt eine Zeitlichkeit und Macht inne, die der Künstler in seinen Werken auslotet. Die aktuelle Ausstellung Homeless” in der Galerie Konrad Fischer zeigt auf Paletten gesetzte Skulpturen, Videos und Fotografien, die verlassene und veränderte Orte seiner rheinischen Heimat thematisieren und die dystopische Realität unnatürlicher Landschaften offenlegen.
Über zwei Etagen erstreckt sich in der Berliner Galerie Konrad Fischer die aktuelle Ausstellung “Homeless” von Gregor Schneider, der sich seit Beginn seiner Karriere mit der Bedeutung von Räumen, ihrer Beschaffenheit und ihrem Verschwinden auseinandersetzt. Räume, die kurz vor dem Verschwinden stehen, wecken das besondere Interesse des Künstlers. Im Ausstellungsraum werden auf Paletten gestapelte Skulpturen gezeigt, die unterschiedliche Materialien und Objekte vereinen – zerbrochenes Gerümpel, Holzstücke, Steine, Planen oder auch mal ein Puppenkopf mit weit aufgerissenem Mund werden eingeschweißt und auf Paletten platziert. Auch Materialien, die nicht mehr gebraucht werden, verarbeitet Gregor Schneider weiter, anstatt sie wegzuwerfen. Selbst vor Essensresten macht der Künstler nicht halt.
Neben den recycelten Skulpturen zeigt die Ausstellung Video- und Fotoarbeiten aus der näheren Umgebung des Wohnortes des Künstlers, die sich mit dem rheinischen Braunkohletagebau und dem damit verbundenen Verschwinden der umliegenden Dörfer auseinandersetzen. In der Arbeit “Kunstlandschaft” zeigt Gregor Schneider eine Landschaft, die nach dem Braunkohleabbau in Garzweiler entstanden ist – ein fast verschwundener Raum, der die Silhouette einer fernen Autobahn und den Horizont freigibt, während die Sonne in beunruhigend kräftigen Rot- und Gelbtönen untergeht. In “Sonniger Untergang” blickt man auf verlassene Liegestühle und Sonnenschirme, die in künstliches Licht getaucht sind und den Blick auf den Tagebau Hambach und seine karge Landschaft freigeben.
In dem eher amateurhaft gefilmten Video “Knochenhügel” bewegt sich Gregor Schneider wackelig über eine Brachfläche in Alt-Otzenrath, einen Knochenhügel aus menschlichen Überresten, die hier von einem aufgelassenen Friedhof übrig geblieben sind. Die Fotoserie “Vitarom” zeigt weite Landschaften in Neurath, die in ein künstliches, sattes Pink getaucht sind und farbige Akzente in dem sonst eher dunklen Ausstellungsraum setzen. In diesem Sammelsurium von Räumen und Überresten verhandelt Gregor Schneider deren gesellschaftliche und historische Macht, der wir ausgeliefert sind, Zeitlichkeit, Verlassenheit und das Kleinbürgertum.
Ausgehend von seiner bekannten Praxis, vollständige Räume zu erschaffen und sie dutzendfach zu reproduzieren, lenkt Gregor Schneider in “Homeless” den Blick auf die Überreste von Räumen in seiner Heimatregion, auf den Ist-Zustand nach dem großen Eingriff. Die Arbeiten machen Spuren vergangener Existenzen und die große Leere sichtbar, das, was von gänzlich verschwundenen Orten und Lebensräumen noch übrig geblieben ist. Der Künstler präsentiert neue Landschaften, die befremdlich wirken und eine postapokalyptische Realität visualisieren, die ein Gefühl von Heimat unmöglich macht und gleichzeitig ein Gefühl des Gefangenseins impliziert.
WANN: Die Ausstellung “Homeless” läuft noch bis zum 4. November.
WO: Konrad Fischer Galerie, Neue Grünstraße 12, 10179 Berlin.