Mäusekapelle besingt Hackfleischschwan Dominika Bednarsky bei Robert Grunenberg
25. November 2022 • Text von Lara Brörken
Dominika Bednarskys keramische Tierwelt wirkt verspielt, doch versteckt sich auch eine Brutalität hinter rosa Wurstscheiben, Ananas und Eichhörnchen. Die dekorativen Tierchen sind absurd lustig und fordern gleichzeitig dazu auf, ihr eigenes Genre kritisch zu hinterfragen. Mit “Up to no Gouda” bei Robert Grunenberg dürfen sich die Viecher austoben – so gut sie eben noch können. Voll cheesy, bloody und rattenscharf!
Auf einem Felsen trifft sich eine Mäusekapelle. An die 40 Keramik-Mäuse-Musikant*innen trommeln, trällern und trompeten ein vermeintlich fröhliches Lied. Ihre dicken rosa Schwänze legen sich regenwurmartig auf den dunklen Steinbrocken und bringen einen gewissen Ekel-Faktor ins Spiel, wobei die Mäuse zunächst eigentlich eher ein verzücktes “Oooh, sind die süß!” hervorrufen. Stuart Littles Verwandtschaft scheint sich Triangel und Panflöte geschnappt zu haben – herrlich! Eine Steve Wonder-Maus ist auch dabei.
Dominika Bednarskys Keramiken sind humoresk und grotesk. Sie sind meisterhaft und äußert filigran gefertigt, arbeiten Details liebevoll aus und das morbide Moment ein. Mit der Arbeit aus der Serie “A Sitting and A Slurping and A Spitting and A Thinking”, die einen blutigen Schweinskopf nachbildet, wird schnell klar, dass die Mäuse froh sein können, noch am Leben zu sein.
Mit prallen geröteten Backen grinst der Schweinskopf zufrieden in den Ausstellungsraum von Robert Grunenberg. Gerötete oder blutverschmierte Wangen? Egal. Über Schlachtung mag man bei dem Anblick gar nicht nachdenken. Viel zu niedlich ist es, wie die knackigen grünen Erbsen vor des Schweines Doppelkinn liegen. Daneben ein Ei, auf dem Kopf eine Ananas und im Nacken klebt dem toten Tier eine Banane. Dort noch eine Mandarine, Trauben hinterm Ohr und am Hinterkopf ‘ne Birne. Der Kitsch darf bei Dominika Bednarskys Arbeit nicht fehlen, ihr Kitsch ist aber kein plumper, sondern kritischer Kitsch. Das Schwein ist lustig, prall und bunt, aber körperlos, es ist ein Kopf auf einem Teller. Da biegt der Kitsch dann ab in Richtung Graus.
Ohne Umschweife schlägt Besucher*innen der “Mettschwan” die Konsumkritik entgegen, klatscht einem sozusagen die Mortadella um die Ohren. Motivisch nah an triefendem romantischem Sonnenuntergang, wirkt dieser Schwan jedoch eher wie ein Fleischtheken-Flüchtling. Mit seinem Hals aus Hack, seinem Brustkorb aus Wurstscheiben, scheint der Schwan gerade noch verhindert zu haben, dass ihm auch noch die weißen Flügelfedern gerupft wurden. Mit leicht zerbeultem Gesicht, aber erhobenen Hauptes, reckt der Schwan seinen langen, wunderschön fleischigen Hals – halbnackt, halbtot, aber stolz. Da stehen nun, zumindest Omnivore, vor dem eleganten “Mettschwan” und erröten leicht ertappt bei dem Gedanken an die vorbestellte Weihnachtsgans.
Dominika Bednarskys Keramiken bilden eine artifizielle und doch natürliche Welt ab, mit all ihren unmenschlichen Facetten. Der unbedachte, vom Tier gedanklich losgelöste Konsum sollte zu bedenken geben, das machen die Kunstwerke auf humorvolle Weise deutlich. Und sie unterstreichen, dass jeder Tierart Bedacht zusteht. Auf Schwanenfleisch ist schließlich niemand scharf, aber der Schweinskopf kommt schon eher in Frage, absurd eigentlich.
Auch dem Tigerfell auf dem Boden haftet ein prestigeträchtiger Charakter an, wer sich das leisten kann, der muss schon was geleistet haben. Wer sich hingegen ein Eichhörnchen oder eine Fledermaus schießt, die Viecher plattklopft und so zu kleinen Teppichen umfunktioniert, der tickt ja nicht ganz frisch. Aus Keramik sind Dominika Bednarskys “XS-Carpets” aber richtig fresh. Clever, exzentrisch und konfrontativ schmücken 11 Kleintiere in Teppichformat die Galeriewand.
Jedem Tier ist anzusehen, welch schmerzhafte Prozedur hinter ihnen liegen mag. Der sternrüsselige Maulwurf reißt die blinden Augen auf, dem Chihuahua hängt die kleine Zunge aus dem Hals und der Hase zeigt Zähne. Trotz verzerrter Gesichter, könnte auch behauptet werden, dass die kleinen Fußabtreter Spaß haben, dass sie wie Flughunde ihre Körper ausbreiten und fröhlich umhersegeln. Spätestens, wenn Butler James an Silvester wieder über den Tigerkopf stolpert, könnte einem das Lachen im Halse stecken bleiben.
In der Raumecke liegen neun Rasenstücke. Jedes Rasenquadrat weist einen anderen Charakter auf, manche Keramikhalme haben orangene Farbmützen auf, andere wirken jünger, andere älter. Jeder einzelne Halm handgeformt, zwar nicht mit der Nagelschere zurechtgestutzt, aber nicht weniger perfekt. Auch dieser Rasen wurde mit viel Feingefühl hochgezogen. Die Serie “Rasen” erinnert an einen peniblen Stereotypen, an Rollrasen-Trends und gleichzeitig an die Zerbrechlichkeit der Natur. Watch your step.
Es ist dieser schmale Grat von Schmerz und Spaß, der Dominika Bednarskys Keramiken unwiderstehlich macht. Ihnen haftet ein verspielter Fetisch an, der Allesfresser, Naturtrampel und Humorlose in den Schwitzkasten nimmt. Sie stimmen leichtfüßig und schwermütig zugleich. Nochmals der Mäusekapelle gegenüberstehend, scheint ihr Lied Blues lastiger als eingangs. Aber vielleicht singen sie auch Reinhard Meys: “Die Würde des Schweins ist unantastbar”.
WANN: “Up to no Gouda” läuft noch bis Freitag, den 23. Dezember.
WO: Robert Grunenberg, Marburger Str. 3, 10789 Berlin.