Es brennt überall
Die ars viva 2023 Preisträger*innen im Haus der Kunst

18. Mai 2023 • Text von

Kriege, Klimakrise, Pandemie, Digitalisierung und ökonomische Disruptionen – und das alles auf einmal. Polykrise ist der Fachbegriff, der diese manchmal überwältigenden gleichzeitigen Herausforderungen zu beschreiben versucht. Überall brennen kleinen Feuer. Drei dieser Feuer wird im Haus der Kunst unter dem Titel “Holy. Energy. Masters.” eine künstlerische Plattform geboten.

„Holy. Energy. Masters. ars viva 2023“ Installationsansicht / Installation view Haus der Kunst, 2023 Foto: Cordula Treml.

Politische, soziale und ökologische Krisen dominieren die Nachrichten und haben direkte Einflüsse auf unser Leben. Dass diese Veränderungen und Disruptionen in der aktuellen Kunst auf unterschiedliche Art verhandelt werden, zeigt “Holy. Energy. Masters.” der drei diesjährigen Ars-Viva-Preisträger*innen im Haus der Kunst. Empfangen wird man in der Südgalerie von einer imposanten Klanginstallation, die das Treppenhaus in einen vibrierenden Klangkörper verwandelt.

Mit “Holy Water” versucht Leyla Yenirces Unaussprechbares in Ton zu transformieren. Die 1992 in einer kurdischen Region geborene Künstlerin verdichtet angeeignete Aufnahmen von der BBC, ihre eigenen Feldaufnahmen und Synthesizerklänge zu einer dynamischen Komposition. So wird das Leiden der jesidischen Frauen und Mädchen nach dem 2014 vom sogenannten Islamischen Staat durchgeführten Genozid in eine intensive Reflexion über Trauer, Trauma und Tod übersetzt.

„Holy. Energy. Masters. ars viva 2023“ Installationsansicht / Installation view Haus der Kunst, 2023 Foto: Cordula Treml.

Im Obergeschoss wird man von einer überdimensionalen Hausfassade empfangen. Die Fensterfront ist Teil des Leipziger Cityhochhauses, in dessen 23. Stock sich die Europäische Energie Börse (EEX) befindet. Paul Kolling nimmt diesen Ort als Ausgangspunkt für einen Video-Essay über den Energiemarkt, dessen Mechanismen und Funktionsweisen. Angesichts der Energiewende und des Kriegs in der Ukraine haben diese undurchsichtigen Abläufe durchaus einen hochaktuellen Bezug.

Aktuellen Fragen widmet sich auch Shaun Motsi in seinem 36 Minuten langen Film “Masters“. Durch die persönlichen Erfahrungen während der Pandemie geprägt, stellt das filmisch inszenierte Video Fragen bezüglich des Zugangs und der Vermittlung von Wissen in einem zunehmend digitalen Kontext. Hierarchien werden in Frage gestellt, gesellschaftliche Dynamiken untersucht und die Perspektive von People-of-Colour in den Fokus gestellt.

„Holy. Energy. Masters. ars viva 2023“ Installationsansicht / Installation view Haus der Kunst, 2023 Foto: Cordula Treml.

Genozid und Energiemarkt, Pandemie und politische Veränderungen. “Holy. Energy. Masters.” zeigt drei künstlerische Positionen, die sich den großen Fragen der Gegenwart widmen. Jede dieser Positionen verdient Aufmerksamkeit, sie sind fest in ihren jeweiligen Kontexten verortet und loten die Tiefen ihrer Themenkomplexe aus. Die gezeigten Arbeiten sind aber keine rein wissenschaftlichen Untersuchungen.

Die prämierten Künstler*innen erweitern und ergänzen ihre jeweilige, subjektive Perspektive mit emotionalen, poetischen und humoristischen Elementen. In Kombination ergibt sich die Erkenntnis, dass es auch im Museum kein Entrinnen vor den großen Fragen der Gegenwart gibt. Der institutionelle Raum ist weder Safe-Space noch eskapistisches Refugium, sondern die Bühne für Diskurse von politischer, ökologischer und sozialer Brisanz.

WANN: Die Ausstellung “Holy. Energy. Masters. ars viva 2023” ist noch bis zum 9. Juli zu sehen.
WO: Haus der Kunst München, Prinzregentenstrasse 1, 80538 München.

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